Rede von Stefan Gelbhaar 49-Euro-Ticket

Foto von Stefan Gelbhaar MdB
16.03.2023

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute markieren, heute beschließen, heute bringen wir ein wahrlich verkehrshistorisches Projekt auf den Weg, und doch geht es um etwas ganz Einfaches, nahezu Selbstverständliches: Paul und Paula sollen einfacher und günstiger mit Bus und Bahn von A nach B kommen, von Sylt nach Chemnitz, von Bernau in die Kastanienallee; darum geht es. Wir wollen einen einheitlichen Tarif schaffen, der dann in fast allen Fällen in Deutschland günstiger ist als das, was vorangegangen war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Warum ist das ein Meilenstein der Verkehrswende? Zum einen, weil für 10 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten Bus und Bahn günstiger werden – ja, das stimmt –, aber auch, weil wir den Tarifdschungel da lichten. Wir beenden ihn quasi, selbst wenn hier immer wieder etwas anderes behauptet wird.

(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Wer sich in Berlin mal mit den Tarifen beschäftigt, findet da allein über 80. Das werden danach deutlich weniger sein; Sie werden es merken.

Man muss, wenn man einsteigt, auch nicht mehr überlegen, wo man einsteigt; denn wir werden diese Tarifgrenzen einreißen. Das wird ein Segen sein, weil man dann eben leichter mit dem Deutschlandticket den ÖPNV benutzen kann. Um dahinzukommen, bedurfte es einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund und Ländern, von Verbänden, von Verkehrsunternehmen und all den Mitarbeitenden dort. Diesen Menschen gebührt unser Dank.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir haben den 1. Mai als Startdatum. Gleichwohl gibt es noch viele Diskussionen. Das wird auch nicht enden, und das ist auch gut so. Wir werden mehr und nicht weniger über den ÖPNV reden. Es wird auch noch das eine oder andere Ruckeln geben. Auch das ist völlig normal bei einem solchen verkehrshistorischen Projekt. Es ist eine Disruption in der verkehrspolitischen Landschaft. Das muss man sich bewusst machen.

Mit wachem Auge müssen wir jetzt die Verkehrsunternehmen dabei begleiten, wie sie dieses Ticket implementieren. Das will heißen: Die Aufgabe, die Arbeit, auch die des Ministeriums, beginnt jetzt. Sie endet nicht, sie beginnt jetzt, und wir müssen schauen, dass alle den Ball aufnehmen und dann eben auch das Tor machen.

Wir werden sehen, dass uns das 49-Euro-Ticket an vielen Stellen helfen wird. Wir haben gestern die Klimazahlen des Umweltbundesamtes gesehen. Wir haben gesehen, dass da im Verkehr viel zu tun ist. Das 49-Euro-Ticket hat das Potenzial, Bus und Bahn nach vorne zu bringen; das Potenzial, die Möglichkeiten bei diesen Verkehrsmitteln völlig auszuschöpfen; das Potenzial, dass wir intermodale Verkehre stärken können, also Rad und Bahn verknüpfen können, dass wir das Sharing da anbinden und so einen weiteren Meilenstein in der Verkehrswende schaffen.

Wie ist es gelungen, dass wir überhaupt hier an dieser Stelle sind? Wir haben letzten Sommer Druck gemacht, dass es ein Nachfolgeticket gibt. Wir haben sehr lange darum gerungen, welchen Preis es hat. Katharina Dröge und Oliver Krischer haben dann die 49 Euro in die Welt gebracht,

(Michael Donth [CDU/CSU]: Stammt das nicht von der SPD?)

die es jetzt nach vielen Bewegungen hin und her auch geworden sind, und das ist gut so.

Jetzt geht es natürlich auch darum, ein Signal der Preisstabilität zu setzen, klar. Deswegen haben wir auch gesagt: Wir als Bundestag wollen da parlamentarisch beteiligt werden, wenn es wieder darum geht, wie wir das Geld dafür heranschaffen.

Das Thema ist viel, viel größer, Stichwort „Digitalticket“. Wir haben letzte Woche beim Digitalkongress darüber geredet. Es geht nicht nur um Suchen, Buchen und Nutzen; es geht auch um Datenstandards und Zugänge zu den Daten. Die vernetzte Mobilität guckt da über die Schulter. All das wollen wir, all das ist nötig. Wir müssen den Blick nicht nur auf die Stadt, sondern auch auf das Land richten. Ja, das ist immer und auch zu Recht betont worden. Und ja, es ist vollkommen richtig: Das 49-Euro-Ticket wird jetzt schon auch den Menschen im ländlichen Raum helfen, und trotzdem sagen wir, dass wir das ÖPNV-Angebot dort verbessern müssen.

Und um da mit einer Legende aufzuräumen: Ja, wir stellen viel Geld zur Verfügung, um das 49-Euro-Ticket auf den Weg zu bringen. Es ist aber mitnichten so, dass wir nur da Geld zur Verfügung gestellt haben. Wir haben mit dem Haushaltsbeschluss letztes Jahr über 1 Milliarde Euro mehr an Regionalisierungsmitteln

(Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: So ist es!)

für den Bestand und den Ausbau des ÖPNV zur Verfügung gestellt,

(Michael Donth [CDU/CSU]: Das reicht nicht mal für den Bestand!)

und das kann man auch nicht wegreden. Das ist einfach passiert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Michael Donth [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht! Das reicht doch nicht für den Ausbau!)

– Natürlich stimmt das. Sie haben die Hand dafür nicht hochgekriegt.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Aber es reicht nicht! Nicht einmal für den Bestand! Das ist das total Schreckliche! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Herr Donth, Sie haben recht. Sie haben nicht dafür gestimmt. Aber die Ampel hat dafür gestimmt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Natürlich passiert dann etwas mit dem 49-Euro-Ticket. Die Regionen werden in einen Wettbewerb untereinander treten, weil man auf einmal ÖPNV vergleichen kann, und das ist auch gut so. Dann kann man auch neu über On-Demand-Verkehre und über Rufbusse nachdenken, und da müssen wir hin. Herr Wissing hat es angekündigt; ja, natürlich kann man auch über ein Europaticket neu nachgrübeln, über ein Sozialticket, über ein Familienticket, das wir dann darauf aufsetzen. Das ist die richtige Richtung.

Jetzt kommen wir vielleicht noch mit einem Satz zur Rolle der Opposition. Die Union hat hier nichts Vergleichbares vorgelegt, nicht nur in 16 Jahren nicht, sondern in 70 Jahren;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

das muss man einmal kurz festhalten. Und sich dann mit einer völligen Detailkritik hier zu einem Nein hinzubewegen: Mit Verlaub, Sie wollen es doch auch. Dann kriegen Sie die Hände dafür hoch. Aber gut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum Zweiten, zu den Hinweisen und der Kritik der Linken: Vollständig richtig, muss man machen, muss man bringen, muss man sich anschauen, vollkommen klar. Das ist alles aufgenommen; muss man diskutieren. Aber sich an der Stelle, bei diesem Meilenstein nur daneben hinzustellen: Sorry, das hat Ihr Ministerpräsident in Thüringen besser drauf. Man muss sich hier bekennen und die Hand hochkriegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen: Das Projekt stand nicht im Koalitionsvertrag, und trotzdem hat die Ampel es auf den Weg gebracht; das geht also. SPD, Bündnisgrüne und FDP, wir bringen mit unseren Stimmen das 49-Euro-Ticket auf den Weg.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege.

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist jetzt der letzte Satz.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der allerletzte.

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das wird disruptiv sein, fortschrittlich, sozial-ökologisch, offen. Es gilt herauszuarbeiten – und das ist jetzt wirklich der letzte Satz –: Wer dieses Ticket will – –

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, Sie können nicht drei letzte Sätze sagen, nicht bei dem Überziehen der Redezeit.

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das stimmt.

(Zuruf von der AfD: Aufhören!)

Dann nehme ich dieses Glas hier in die Hand: Wer dieses Ticket will, der muss auch 2025 –

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, man kann hier auch abschalten.

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– die Ampel wählen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Es wird kein Trinkspruch, den man dann außerhalb der Redezeit ausbringen kann, wenn man das Glas in der Hand hat; nur, dass da völlige Klarheit herrscht.

Michael Kießling hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)