Rede von Johannes Wagner 75 Jahre WHO

Johannes Wagner MdB
12.05.2023

Johannes Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte heute anlässlich des Antrages „75 Jahre WHO“ eine Erfolgsgeschichte erzählen – eine Geschichte der Ausrottung von Pocken und Polio, von sinkender Kindersterblichkeit und steigenden HIV-Therapiezahlen. Das hätte seine Berechtigung; denn die WHO hat in ihrer Arbeit unendlich viel Leid und Elend gemildert. Aber es gibt da noch große Herausforderungen, und vielleicht haben wir in den aktuellen Zeiten noch größere Herausforderungen als in der Vergangenheit.

Auf drei Herausforderungen möchte ich kurz eingehen: erstens auf die Finanzierung der WHO, zweitens auf Verschwörungsmythen und Fake News als Gesundheitsgefahr – Sie haben es angesprochen, Herr Gröhe – und drittens auf die größte Gefahr für die globale Gesundheit in diesem Jahrhundert: die Klima- und Biodiversitätskrise.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme zum ersten Punkt: die Finanzierung. Eine starke WHO – wir haben es jetzt mehrfach gehört – gibt es nur mit einer nachhaltigen Finanzierung der WHO. Da geht es einmal um die Menge. Der Jahresetat der WHO ist vergleichbar mit dem Jahresetat der Berliner Charité, und das für eine Organisation, die auf der ganzen Welt arbeiten soll.

(Beifall der Abg. Tina Rudolph [SPD])

Aber es geht zum anderen auch um die Art der Finanzierung. Früher konnte die WHO auf rund 80 Prozent des Etats selbst zugreifen und selbst darüber bestimmen. Heute sind es nur noch rund 20 Prozent. Der Rest sind zweckgebundene Spenden. Das bedeutet: Spender – seien es Mitgliedstaaten oder auch private Stiftungen – geben enge Rahmen vor, was mit dem Geld passieren darf, und setzen dadurch eigene Interessenschwerpunkte. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist durchaus problematisch und muss sich ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Letztes Jahr haben sich die Mitgliedstaaten der WHO selbst verpflichtet, den Anteil der Kernbeiträge wieder schrittweise auf 50 Prozent anzuheben. Diese Selbstverpflichtung gilt es nun auch umzusetzen. Im Antrag fordern wir die Bundesregierung dazu auf, bei allen Partnerländern auf diese Erhöhung der Pflichtbeiträge hinzuwirken. Aber wir müssen auch unseren eigenen Haushalt betrachten und diese Selbstverpflichtung umsetzen. Die Finanzierung der WHO ist einer der wichtigsten Beiträge, den wir leisten können, um Gesundheit weltweit und damit auch hier bei uns zu schützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Da kann es nicht sein, dass die WHO nächstes Jahr weniger Mittel von uns bekommt als vor der Pandemie, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die zweite Herausforderung der WHO ist die Krise durch Verschwörungsmythen. Der WHO-Generaldirektor Dr. Tedros hat einmal gesagt: Wir kämpfen gegen zwei Pandemien. Die eine ist die Coronapandemie, und die andere ist die Falschinformationspandemie, eine Infodemie. – Der Kampf gegen letztere sei schwieriger, sagte er. Wir alle merken diese Infodemie auch an den Debatten hier im Haus:

(Heike Baehrens [SPD]: Ja!)

Deutschland gibt seine Souveränität ab. Die WHO lenkt das Weltgeschehen. – Was manche Abgeordnete hier auf der rechten Seite so von sich geben, ist vollkommener Quatsch und brandgefährlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Alle Entscheidungen, die in der WHO getroffen werden – sei es der Pandemievertrag oder seien es die Änderungen der internationalen Gesundheitsvorschriften –, werden hier im Parlament abgesegnet. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir heute hier im Parlament das Mandat der WHO als führende koordinierende Institution im Bereich der globalen Gesundheit bekräftigen.

Ich komme nun zur dritten Herausforderung: die Klima- und Biodiversitätskrise. Sie ist die größte Gefahr für die globale Gesundheit in diesem Jahrhundert. Ein Virus, das sich von einem Tier auf einen Menschen überträgt – mehr hat es nicht gebraucht, um die gesamte Welt aus den Fugen geraten zu lassen. Millionen von Menschen sind gestorben, viele mehr sind erkrankt, und ganze Volkswirtschaften wurden in die Knie gezwungen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird kein Einzelfall bleiben, wenn wir jetzt nicht vorbeugen.

(Zuruf des Abg. Thomas Seitz [AfD])

75 Prozent der neu auftretenden Infektionskrankheiten sind Zoonosen, also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Das ist die direkte Folge davon, dass wir Lebensräume, Artenvielfalt und Ökosysteme systematisch zerstören.

(Zuruf von der AfD)

Zusätzlich bringen das veränderte Klima und seine Folgen Tiere dazu, ihre angestammten Lebensräume zu verlassen. Viren wandern mit und können auf eine andere Tierart und auch auf uns Menschen überspringen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir mit dem Pandemievertrag ein Instrument schaffen, das Pandemien vorbeugt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt einen Vertrag, der mindestens genauso wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger ist. Hitzewellen, Extremereignisse, Ernteausfälle – die Klimakrise ist und bleibt die größte Gesundheitsgefahr für diesen Planeten.

(Lachen des Abg. Martin Sichert [AfD])

Das macht das Pariser Klimaabkommen zum wichtigsten Gesundheitsabkommen aller Zeiten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Dieses Abkommen müssen wir umsetzen; denn Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Dr. Christina Baum hat das Wort für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Matthias Helferich [fraktionslos])