Rede von Stefan Schmidt Abgabenordnung

23.06.2022

Stefan Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zurück zur Sachlichkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat vor rund einem Jahr verkündet: Ein halbes Prozent Zinsen pro Monat oder 6 Prozent pro Jahr auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen sind verfassungswidrig; der Zinssatz muss an die Realität angepasst werden. – Ein Urteil, das wir Grüne – damals noch in der Opposition – begrüßt haben.

Heute beschließen wir als Teil der Regierung die gebotene Änderung. Als Ampelregierung legen wir den Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung rückwirkend ab dem 1. Januar 2019 neu auf 1,8 Prozent pro Jahr fest. Dieser Zinssatz ist sachgerecht, auch und gerade weil wir eine lange Phase der Null- und Negativzinsen hatten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie haben schon in den Ausschussberatungen Zweifel gesät. Sie befürchten, dass auch dieser neue Zinssatz von 1,8 Prozent gerichtlich angefochten werden könnte. Und ja, angefochten werden könnte er. Aber mit Rechtsunsicherheit, Herr Brehm, hat das aus meiner Sicht wenig zu tun; denn entscheidend ist doch, wie potenziell erfolgreich solche Klagen sein könnten. Wir sind überzeugt: Mit dem neuen Zinssatz erfüllen wir die Vorgaben des Verfassungsgerichtes. Das Verfassungsgericht hat uns als Gesetzgeber ja auch den üblichen Gestaltungsspielraum eingeräumt.

Sie von der Union schlagen außerdem eine automatische Zinsanpassung vor. Das halten wir für nicht sachgerecht, auch für zu bürokratisch. Denn eins dürfen wir nicht vergessen: Eine Änderung des Zinssatzes bedeutet einen großen Aufwand in den Finanzbehörden. Diesen Aufwand sollten wir nicht zu häufig betreiben. Ein verbindlicher Zinssatz und die Evaluierung alle zwei Jahre hingegen haben konkrete Vorteile. Zum einen halten sie die Bürokratie flach – das ist übrigens eine Daueraufgabe für die Ampelregierung –, und zum anderen bekommen die Menschen und die Unternehmen Planungssicherheit. Auch das ist uns wichtig, gerade jetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Für den Zeitraum rückwirkend ab 2019 sind 1,8 Prozent angemessen. Für die Zukunft passt das womöglich schon nicht mehr; denn die Zinsen steigen aktuell. Deswegen haben wir vereinbart, dass wir den Zinssatz regelmäßig evaluieren, regelmäßiger noch, als es im Entwurf der Bundesregierung stand, und zwar alle zwei statt nur alle drei Jahre, zum ersten Mal zum 1. Januar 2024. Wenn sich dann herausstellt, dass der Zinssatz angepasst werden muss, dann passen wir ihn an. Das ist unsere Aufgabe hier im Parlament.

Zum Schluss noch ein Punkt, den die Opposition eingebracht hat: Wir sollten bei der Gelegenheit doch gleich alle möglichen anderen Zinssätze mit anpassen. – Klar kann man auch darüber streiten, insbesondere darüber, bei welchen Zinssätzen ein wie enger Sinnzusammenhang mit den Erstattungs- und Nachzahlungszinsen besteht. Warum sollten wir das eigentlich tun? Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gesagt: Andere Zinstatbestände im Steuerrecht sind gesondert zu betrachten. – Einfach schnell mal alles Mögliche mit anzupassen, das erscheint uns nicht zielführend. Das sollten wir nicht übers Knie brechen. Deshalb lehnen wir diesen Vorschlag ab.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Danke. – Die Beiträge des Kollegen Christian Görke für Die Linke und der Kollegin Frauke Heiligenstadt für die SPD nehmen wir zu Protokoll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Das Wort hat der Kollege Fritz Güntzler für die CDU/CSU-Fraktion.