Rede von Stefan Gelbhaar Aktuelle Stunde "49-Euro-Ticket"

Foto von Stefan Gelbhaar MdB
15.11.2023

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß nicht, wo diese ungerechtfertigte Arroganz herkam, die ich gerade beim Redebeitrag von Herrn Ploß gespürt habe;

(Florian Müller [CDU/CSU]: Da sind Sie ja Experte für!)

diese Arroganz, mit der gesagt wurde, die Union wisse immer, wo es langgeht. Ich erinnere mich an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Scheuer-Maut. Da haben Ihnen alle vorher gesagt: Laufen Sie nicht in diese Richtung. – Sie sind trotzdem in diese Richtung gelaufen und gegen eine Wand geklatscht. Jetzt stellen Sie sich hierhin und tun so, als wüssten Sie immer, wo es langgeht. Ich verstehe es nicht, aber gut. Das müssen Sie mit sich abklären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Nyke Slawik [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Teurer Fehler der Union! – Ulrich Lange [CDU/CSU]: 60 Milliarden hat bisher noch niemand versenkt hier! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn Sie hier über die Beschleunigung von Verkehrsinfrastrukturprojekten reden, dann muss ich Ihnen sagen: Stimmen Sie doch unseren Beschleunigungsgesetzen zu; da haben Sie die Hand nicht hochgekriegt. Also, Sie sind an niemandes Seite, nur an Ihrer ganz eigenen Seite. Das wissen Sie auch in Ihrer Fraktion. Aber lassen wir das. – Ich wollte eigentlich eingangs der Fraktion Die Linke für diese Aktuelle Stunde danken; aber nach diesen Ausführungen fiel mir das schwer.

Es gibt 11 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten – das ist schon gesagt worden – und 18 Prozent mehr Fahrgäste im Regionalverkehr. Hinzuzufügen ist: Wir haben jetzt deutschlandweit eine einzige, eine einheitliche Tarifzone. Das bedeutet zum Beispiel für Berlin ganz praktisch, dass die Brandenburgerinnen und Brandenburger eben nicht mehr mit dem Auto nach Berlin reinfahren müssen, sondern in Bernau, Oranienburg oder Potsdam in die Bahn steigen und nach Berlin reinfahren können. Das entspannt alle.

Das hilft dem Klima, das hilft der Gesundheit, das hilft der Sicherheit der Menschen. Und das hilft auch den Menschen, die unbedingt auf das Auto angewiesen sind, weil sie weniger im Stau stehen, weil mehr Leute die Bahn benutzen. Das ist das Deutschlandticket, das ist das 49-Euro-Ticket, und das wollen wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Jetzt könnte man natürlich fragen: Quo vadis, Ticket? Dazu ist zu sagen: Es ist ein gemeinsames Projekt. Der Kanzler hat gesagt: Das ist eine der „besten Ideen“ der Bundesregierung. Der Verkehrsminister hat sich dazu bekannt. Die Verkehrsminister aller Bundesländer und aller Parteien wollen dieses Ticket. Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten aller Länder – von Linkspartei bis CSU – haben sich zu diesem Ticket bekannt. So ein glasklares Bekenntnis, so einen breiten Konsens hat man selten.

Deswegen gilt es jetzt, die Ticketfinanzierung langfristig zu organisieren und in ein geordnetes Verfahren zu überführen. Ich glaube, es ist nicht das beste Verfahren – das haben wir alle mitgekriegt –, zuerst eine Verkehrsministerkonferenz abzuhalten und dann die Ministerpräsidentenkonferenz zu kontaktieren. Wir brauchen für die Preis- und Finanzierungsgestaltung geeignete Formate und müssen diese dann institutionalisieren. Wir können das nicht in irgendeinem Hauruckverfahren nachts um halb drei klären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist das Ziel; das müssen wir verfolgen.

Das ist keine Kritik am bisherigen Verfahren. Ich sage bloß: Wir sind jetzt bei einem anderen Schritt. Eine verkehrspolitische Revolution ist eine Revolution. Wenn man sich 1989 in Berlin überlegt hätte, wie hoch die Mauer ist, aus wie vielen Steinen sie besteht und wie viele Menschen man braucht, um durchzukommen, dann hätte es mit dem Mauerfall wahrscheinlich nicht funktioniert. Das heißt, dieser Schritt in der Revolution musste so passieren, und jetzt müssen wir es organisieren, damit es passt.

Dazu sage ich auch noch ein Wort. Wir haben im Bundestag das Regionalisierungsgesetz beschlossen. Darin steht eine Passage zum Thema Preis, und zwar, dass wir „in geeigneter Form unter parlamentarischer Beteiligung politisch vereinbaren“ wollen, wo die Reise hingeht. Das heißt, eine Vereinbarung zulasten der Fahrgäste, ohne dass der Bundestag noch mal darüber redet, ist nicht einfach möglich; das haben wir hier vereinbart. Wir wollen ganz klar den Preis stabil halten. Das ist unser Ziel, dafür arbeiten wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Große Versprechungen hier!)

– Dass wir dafür arbeiten, das verspreche ich gerne. Vielleicht versprechen Sie auch mal, dass Sie das tun.

(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Sie schimpfen nur!)

Sie können gerne mit Ihren Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten reden; denn die sind genauso in der Verantwortung wie dieses Haus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Mathias Stein [SPD])

Diese Innovation des deutschlandweiten 49-Euro-Tickets wird im Ausland wahrgenommen; sie wird kopiert. Millionen Menschen nutzen das. Das ist mehr Mobilität. Das ist mehr Freiheit, die wir geschaffen haben. Diesen Weg sollten wir folglich weitergehen.

Das ist aber nicht das Ende der Fahnenstange. Es ist schon angesprochen worden: Wenn zum Beispiel die Eltern ein 49-Euro-Ticket haben und es für die Kinder keine Lösung gibt, dann gibt es da eine Diskrepanz; das funktioniert nicht. Deswegen haben wir als Bundestag auch beschlossen, dass wir hier eine Lösung haben wollen, das heißt ein familienfreundliches Ticket, ein Familienticket.

(Zuruf des Abg. Dr. Dirk Spaniel [AfD])

Das muss her. Die Bundesregierung ist nun am Zug, sich das einmal anzuschauen, das durchzurechnen und dann hier einen Vorschlag zu machen.

Gleiches gilt für das Semesterticket. Auch da haben wir eine Vereinbarung getroffen. Ehrlich gesagt: Wir brauchen die Studierenden und die Azubis in diesem System. Das sind nicht nur die Fahrgäste von heute, sondern auch die Fahrgäste morgen.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Dann macht’s doch!)

Wir brauchen sie übrigens auch für die Finanzierung des Semestertickets. Deswegen müssen wir als Bund schauen, welche Rahmenbedingungen wir setzen müssen, damit diese Semestertickets funktionieren; denn das ist nicht unterkomplex. Diesen Weg müssen wir jetzt gehen, um die Verkehrswende herbeizuführen.

Ich sage aber auch: Verkehrswende ist genauso Infrastruktur; dieser Begriff fiel schon. Die Bahnsanierung ist eingeleitet. Wir werden jetzt viele Entscheidungen zu fällen haben; der Bund wird sich da engagieren müssen: beim Ausbau von ÖPNV, bei der Bahn und insbesondere bei der Sanierung der Schiene.

Dazu sage ich noch einen Satz. Knappe Kassen führen zu echten politischen Entscheidungen. Wir sind dazu bereit. Als Ampel haben wir da ein ganz klares Bekenntnis.

Vizepräsidentin Karin Göring-Eckardt:

Herr Kollege.

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Die Investitionen müssen und sollen hier rauf; das macht das Leben leichter und die Staus weniger.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege!

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist die Verkehrswende.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: Das reicht nicht!)

Vizepräsidentin Karin Göring-Eckardt:

Ich empfehle, die Schlusssätze einfach eine halbe Minute vor Ende der Redezeit zu beginnen; dann wird auch nicht reingequatscht. Das sieht auch im Protokoll immer blöd aus.

Mike Moncsek hat jetzt das Wort für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)