Marcel Emmerich MdB
08.11.2023

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich finde, man sieht hier in der Debatte sehr deutlich, wer wirklich an einer Lösung der Situation interessiert ist und wer nicht. Wer will, dass der Flüchtlingsschutz erhalten bleibt, wer ernsthaft will, dass die Kommunen Unterstützung erhalten und diese nicht nur signalisiert bekommen, der kann nicht wie in den letzten Wochen sehnsüchtig eine weitere Bund-Länder-Konferenz herbeisehnen und lautstark fordern und dann, wenn die Ergebnisse hier im Plenum besprochen werden, alles für null und nichtig erklären und sagen, es reiche überhaupt nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Warum nicht? – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Warum nicht? Das ist die Beschreibung der Wirklichkeit!)

Ich finde, die Union muss sich schon die Frage stellen, wie weit sie dieses destruktive Spiel des Überbietens noch treiben will. Schwierige Zeiten – die haben wir ohne Zweifel – brauchen Verantwortung, verantwortungsvolle Taten, verantwortungsvolle Worte.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Ja, daran mangelt es bei Ihnen!)

Diese sind mit Blick auf die letzten Wochen, Tage und auch die letzten Minuten leider nicht zu erkennen bei Ihnen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was? Wenn man nicht Ihrer Meinung ist, ist man nicht verantwortungsvoll, oder was? – Gegenruf des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Die Einigung von Montagnacht muss der Ausgangspunkt für alle demokratischen Parteien sein, das Thema Migration zu versachlichen. Ich bin sehr froh, dass die unionsgeführten Länder hier schon viel weiter sind als die Union hier im Deutschen Bundestag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die haben das Gleiche gesagt wie wir! Die haben alle gesagt: Das geht nicht weit genug!)

Die Kommunen brauchen endlich die finanzielle Unterstützung; wir als grüne Fraktion haben uns seit Wochen und Monaten dafür eingesetzt. Es ist gut, dass es jetzt ein atmendes System geben soll, das sich an den Herausforderungen orientiert. Damit stärkt der Bund seinen finanziellen Beitrag, seine finanzielle Verantwortung, und das ist es doch, was die Kommunen brauchen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nee! Die brauchen Entlastung!)

Verantwortung heißt auch, jetzt zügig in die Umsetzung zu kommen, die finanzielle Unterstützung schnell auf den Weg zu bringen. Die Länder sind gefordert, das Geld schnell an die Kommunen weiterzugeben, auch in Bayern.

(Heiterkeit des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Man muss sich doch mal auf der Zunge zergehen lassen, dass Markus Söder hier in Berlin poltert, während er seit einem Jahr nicht einmal die Hälfte der Gelder für ukrainische Geflüchtete an die Kommunen ausgezahlt hat!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Große Reden schwingen und nicht handeln – das passt vorne und hinten nicht.

Wir können uns eine Stimmung gegen Zuwanderung hier in diesem Land überhaupt nicht leisten, schon allein mit Blick auf die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit dieses Landes. Deswegen kommt es auch darauf an, Ausländerbehörden durch mehr Personal zu entlasten. Es kommt darauf an, Digitalisierung auszubauen und den Verwaltungsdruck durch Entbürokratisierung zu mildern.

(Zuruf von der CDU/CSU)

An dieser Stelle ein konkretes Beispiel: Aufenthaltserlaubnisse für subsidiär Geschützte sollen zukünftig für jeweils drei Jahre gelten. Das ist eine echte Erleichterung für die Menschen und für die Behörden vor Ort; das ist ein wichtiges Zeichen an dieser Stelle. Statt harter Hand und großer Worte braucht es eine bessere Finanzierung der Integrationskurse, eine Integrationsoffensive, faire und tragfähige Migrationsabkommen und die Aufhebung von Arbeitsverboten. Dazu hat das Bundeskabinett bereits in der letzten Woche erste Maßnahmen auf den Weg gebracht; weitere müssen folgen.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Prüfaufträge womöglich!)

Meine Damen und Herren, Verantwortung heißt auch, dass die Entscheidungen, die getroffen werden, mit einem Gebot der Ernsthaftigkeit hier im Parlament besprochen werden. Dabei geht es darum, dass wir natürlich auch schauen: Was ist von dem, was die MPK beschlossen hat, rechtlich, europarechtlich überhaupt machbar?

Ich will an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten, ein sogenanntes Ruanda-Modell, hält keiner europarechtlichen, keiner menschlichen und keiner realpolitischen Prüfung wirklich stand.

(Beifall der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das stimmt doch überhaupt nicht! – Detlef Seif [CDU/CSU]: Das ist die einzige Lösung, die helfen kann!)

Das zeigen die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Obersten Gerichts im Vereinigten Königreich.

(Beifall der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Da gibt es doch noch gar kein Urteil! Wovon reden Sie denn eigentlich?)

Deswegen ist das ein Punkt, den wir klar zurückweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])

Ich kann verstehen, dass es Ihnen schwerfällt, wenn man einmal auf den Baum hochgeklettert ist, davon wieder herunterzukommen.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Wir wollen eine richtige Lösung und keine Scheinlösungen! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn für Sie eine richtige Lösung? – Gegenruf des Abg. Detlef Seif [CDU/CSU]: Externalisierung der Asylverfahren!)

Sie können hier weiter irgendwelche Scheinlösungen in den Raum stellen, Sie können die Debatten weiter anheizen. Aber die Union muss sich jetzt entscheiden, ob sie bei dieser Einigung der Ministerpräsidentenkonferenz dabei ist oder nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie haben doch die Mehrheit! Entscheiden Sie es doch einfach!)

16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und ein Bundeskanzler. Sie müssen sich entscheiden:

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie entscheiden!)

Steht die Union jetzt auf der Seite des gesellschaftlichen Zusammenhalts oder auf der Seite der gesellschaftlichen Scharfmacher?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Auf der Seite der gesellschaftlichen Mehrheit stehen wir! Sie machen Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung! Das ist Ihr Problem! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist die Frage, die Sie jetzt beantworten müssen. Und leider treffen Sie offenbar die falsche Entscheidung.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Die ist schon beantwortet! Die Frage stellt sich gar nicht! Legen Sie mal was vor! Entscheiden Sie! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Wenn Sie keine Verantwortung tragen wollen, gehen Sie raus!)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will noch eines ganz klar sagen: In diesen Debatten wird immer viel rumgeschrien und viel rumgezetert.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das liegt an Ihrer Rede!)

Aber wir reden viel zu wenig darüber, dass es um Menschen geht.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Es geht um Lebensschicksale, es geht um Lebensbiografien. Stattdessen reden einige einfach nur über Zahlen, über irgendwelche Maßnahmen.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie doch auch!)

Wir brauchen auch mehr Sympathie, wir brauchen mehr Empathie, wir brauchen mehr Menschlichkeit in diesen Debatten.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Noch nie war sie so gering wie jetzt – dank Ihnen!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das, was Sie häufig tun, ist einfach nur parteipolitisches Taktieren, das sind parteipolitische Manöver. Das ist kein wirklicher Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Opposition muss man auch aushalten können!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Dr. Ann-Veruschka Jurisch.

(Beifall bei der FDP)