Rede von Dr. Franziska Brantner Aktuelle Stunde „Europäischer Rat am 14./15. Dezember 2017“

12.12.2017

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz klarstellen, worüber wir heute hier reden: Wir reden nicht über eine europäische Armee, wie die AfD uns das hier hat weismachen wollen, sondern wir reden über mögliche Verteidigungsprojekte, die gemeinsam angegangen werden. Für uns ist dieser Unterschied extrem wichtig, weil wir Grüne den Parlamentsvorbehalt bei der Bundeswehr immer nachdrücklich verteidigt haben und das auch in Zukunft tun werden. Das steht für uns außer Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Aber, Herr Lucassen, vielleicht haben Sie noch nicht mitbekommen, dass beides geht: Man kann den Parlamentsvorbehalt beibehalten und sogar stärken und trotzdem gemeinsame Verteidigungsprojekte angehen. Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie das noch herausfinden. Das wäre für die Debatte hier sachdienlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist klar, dass wir Europäer in Zeiten von Trump, Erdogan, Putin & Co eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik stärker vorantreiben müssen. Wir wollen schließlich nicht Spielball dieser Akteure sein, sondern selber gestalten können. Unser Ziel ist es, dass wir gemeinsam Synergien schaffen. Es müssen nicht alle alles anschaffen, und es muss nicht jeder seinen eigenen Panzer haben, sondern einiges können wir auch gemeinsam machen. Aber dann muss es eben auch Synergien bringen. Wir sind also im Prinzip nicht gegen PESCO. Für uns kommt es aber auf drei Dinge an: Erstens geht es um den Inhalt der einzelnen Projekte, zweitens wollen wir die Schaffung von wirklichen Synergien, und wir wollen nicht, dass wir einfach alles weiterlaufen lassen wie bisher und noch zusätzlich europäisch agieren, und drittens brauchen und fordern wir eine parlamentarische Kontrolle der Gesamtprojekte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kurz zu diesen drei Punkten:

Erstens. Einzelne Projekte sehen wir mit durchaus großer Skepsis, zum Beispiel die Drohnen. Wahrscheinlich sind wir nicht mit Ihnen an Bord, wenn es darum geht, dass Deutschland dieses Projekt unterstützt. Andere Dinge sehen wir positiv, zum Beispiel das Sanitätskommando.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Es sind Sondierungsgespräche!)

Wenn wir über den zweiten Punkt, die Synergien, sprechen – schade, dass Frau von der Leyen heute nicht da ist –: Um beurteilen zu können, ob wir überhaupt Synergien schaffen, haben wir nämlich bis heute keinerlei Grundlage. Wir bekommen zwar lauter schöne Papiere aus dem Ministerium. Aber Frau von der Leyen hat sich bis heute geweigert, irgendwelche Hausnummern bzw. Zahlen zu nennen, wie viel diese Projekte kosten. Wir haben dazu also bis heute keinerlei Informationen. Wenn man sich fragt, warum das so ist, bleiben, ehrlich gesagt, nur zwei Optionen: Entweder hat Frau von der Leyen die Zahlen, möchte sie uns aber nicht geben, sie also dem Parlament vorenthalten, oder sie hat die Zahlen nicht; dann hat sie aber auch keinen Plan, sondern ist auf Geisterfahrt. Ich weiß gar nicht, welche von beiden Alternativen ich schlimmer finden soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Aber eindeutig ist, dass wir die Zahlen dringend von Ihnen brauchen, um diese Frage wirklich seriös beantworten zu können.

Der letzte Punkt, der uns wichtig ist, betrifft die parlamentarische Kontrolle. Die Gefahr ist: Wenn es große gemeinsame Rüstungsprojekte geben wird, will Deutschland seinen Anteil an den Geldern kontrollieren, die Spanier ihren und die Franzosen ihren. Aber wer kontrolliert das Gesamtprojekt? Unserer Meinung nach müsste dies das Europäische Parlament tun. Wir sehen nämlich die große Gefahr, dass bei solchen Milliardenprojekten sonst am Ende die Versuchungen, was Korruption und Missmanagement angeht, extrem groß sind, gerade in diesem Bereich. Unsere ganz klare Bitte an Sie ist: Machen Sie sich in Brüssel dafür stark, dass das Europäische Parlament diese Projekte kontrollieren kann!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und: Legen Sie bei diesen Themen nach! Wir wollen nicht, dass PESCO ein schönes Weihnachtsgeschenk für die Rüstungsindustrie wird – sozusagen noch eine Runde extra für alle –, sondern wir brauchen hier wirkliche, echte Synergien. Dann macht das auf europäischer Ebene Sinn. Das ist das, was wir von der Bundesregierung bei PESCO erwarten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir, noch ein Wort zu sagen. Bei dem Gipfel geht es auch um den Euro; es gibt ja auch einen Euro-Gipfel. Die Vorschläge von Präsident Macron liegen vor, und mit dem Nikolaus-Paket von Herrn Juncker liegen auch Vorschläge der Europäischen Kommission auf dem Tisch. Wir wissen, dass wir die Wirtschafts- und Währungsunion stabiler machen und stabilisierender aufstellen müssen. Wir haben dafür vor den Europawahlen ein enges Zeitfenster. Derzeit haben wir nur eine geschäftsführende Regierung, die beim Euro nichts tut. Was PESCO angeht, tut sie übrigens sehr viel – das ist ein kleiner Widerspruch –, aber mit Blick auf den Euro tut sie gerade nichts. Wir Abgeordnete sind ja gewählt. Uns dürfte eigentlich keiner stoppen können. Wir könnten doch gemeinsam eine europäische Antwort formulieren und sagen: Dies sind die Antworten des Parlaments auf die Herausforderungen, die anstehen. – Das ist mein Weihnachtswunsch. Vielleicht bekommen wir das ja im neuen Jahr hin.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)