Rede von Andreas Audretsch Aktuelle Stunde: "Freihandelsabkommen"

Andreas Audretsch MdB
Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski
29.11.2023

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Allererstes mal zu Ihnen, Herr Spahn, Frau Klöckner, Frau Wissler: Ich finde es ja wirklich putzig, wie viel Aufmerksamkeit wir hier von Ihnen kriegen. Offensichtlich saßen Sie das gesamte Wochenende vor dem Laptop, haben sich die Nase am Bildschirm plattgedrückt und zugeschaut, was wir gemacht haben.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, ob Sie gemeinsam geschaut haben – kann ich mir auch vorstellen –, aber das zeigt ja eins: Es ist gut, dass Sie schauen. Und wissen Sie, warum? Weil offensichtlich bei uns Grünen die relevanten Debatten stattfinden, die relevanten Fragen verhandelt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei der FDP – Lachen bei der CDU/CSU)

Deswegen: Schauen Sie weiter zu! Sie können was lernen; das machen Sie ganz richtig.

(Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])

Zweiter Punkt: Wir setzen übrigens auch noch um.

(Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Noch schlimmer! Den Blödsinn auch noch umsetzen! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wenn ihr das alles umsetzt, dann gute Nacht, Deutschland!)

Das ist auch noch ein Unterschied zu Ihnen. Die Ampel hat die Handelspolitik endlich wieder so gestaltet, dass Deutschland international eine ernstzunehmende Stimme bekommen hat. Das ist das, was Sie über Jahre nicht hingekriegt haben. Jetzt sind Sie raus. Jetzt haben wir wieder eine Stimme und können klare Entscheidungen treffen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau! Ampelchaos sorgt für Vertrauen! Richtig! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Wohlstandsverhinderer seid ihr!)

Jetzt schauen wir uns mal an, was das konkret bedeutet. Wir haben nämlich Dinge vorzuweisen, die umgesetzt wurden.

Erster Punkt. Das EU-Neuseeland-Abkommen ist abgeschlossen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Es ist ein Wendepunkt der EU-Handelspolitik, dass es gelungen ist, dieses Abkommen abzuschließen. Endlich werden wir hier an der Stelle durch Handel mehr Wohlstand schaffen. Das sind die Fortschritte, die wir tatsächlich brauchen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Neuseeland ist ein bisschen klein!)

Es wäre schön gewesen, dass Sie da mal vorangekommen wären. Gleichzeitig – das gehört zum Wohlstand dazu – werden Standards gesichert. Endlich werden Standards für Menschen, die den Wohlstand erst erarbeiten, gesichert, nämlich nach den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation. Ich finde das gut. Endlich gibt es Standards für Klima und Nachhaltigkeit und endlich auch ein Bekenntnis zum Schutz der Rechte der indigenen Bevölkerung. All das ist gut und ein großer Erfolg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Zweiter Punkt: die Energiecharta. Die haben wir aufgekündigt, weil es der klimaschädlichste Handelsvertrag ist, den die Europäische Union jemals geschlossen hat.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was ist jetzt mit Mercosur? – Zuruf des Abg. Stefan Rouenhoff [CDU/CSU])

Wir haben damit eine Dynamik in ganz Europa ausgelöst; immer mehr Länder treten aus, weil sie sich nicht mehr von RWE, von Vattenfall, von anderen dafür verklagen lassen wollen, Klimaschutzpolitik zu machen. Vor drei Wochen hat RWE seine Klage gegen den Kohleausstieg in den Niederlanden zurückgezogen – es ging um 2 Milliarden Euro –, weil die Klage unvereinbar mit EU-Recht ist. Es geht voran; wir entwickeln einen völlig neuen Investitionsschutz, einen besseren Investitionsschutz.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ganz Deutschland merkt nur leider nichts davon, dass da was vorangeht!)

Auch das geht mit dieser Koalition endlich voran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Peter Beyer [CDU/CSU]: Es geht aber nicht um euch!)

Der gleiche Gedanke ist auch Grundlage dafür, dass wir CETA ratifiziert haben. Auch das ist endlich gelungen. Es ist ja schön, dass ich Ihnen das alles einmal sagen muss, weil Sie es offensichtlich nicht mitgekriegt haben.

(Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Sie haben in den letzten 20 Jahren alle Handelsabkommen abgelehnt!)

Es ist gelungen: Ja zum Handel mit Kanada – deswegen haben wir das gemacht –,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was ist eigentlich aus dieser Zusatzerklärung geworden?)

und Nein zu Klauseln, die Klimaschutz und Nachhaltigkeit infrage stellen. – Wir haben es geschafft, gemeinsam mit der Europäischen Kommission, mit den Mitgliedstaaten, mit Kanada einen Weg zu finden, beides hinzukriegen: CETA abzuschließen und den Investitionsschutz in CETA zu reformieren.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Aber erst alles in Bausch und Bogen reden! Sehr witzig! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Was ist aus der Zusatzerklärung eigentlich geworden?)

So macht man pragmatische Handelspolitik, so kommt man voran und schließt Dinge ab, die Sie nie geschafft haben abzuschließen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und jetzt sind wir beim Mercosur-Abkommen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ah! Endlich! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Da bin ich aber mal gespannt!)

Auch hier gilt, dass wir selbstverständlich Handel und Zusammenarbeit mit Brasilien wollen. Ich sage Ihnen, warum: weil Brasilien mit Präsident Lula endlich ein echter Wertepartner geworden ist,

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Halleluja! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

weil China nur darauf wartet, in Lücken zu stoßen, wenn wir die Zusammenarbeit nicht hinkriegen,

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Wo lebst du eigentlich?)

und weil, ganz einfach, Handel Wohlstand schafft

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Ihr verhindert doch den Handel für den Wohlstand!)

und wir mit Handel Wohlstand sowohl dort als auch hier schaffen wollen. Deswegen arbeiten wir daran, dass das Abkommen abgeschlossen werden kann.

Selbstverständlich gibt es dabei Anforderungen; sonst wären es keine Verhandlungen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist abgeschlossen! Das ist seit Jahren abgeschlossen! Meine Güte! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Es ist abgeschlossen! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Was wollt ihr denn noch verhandeln?)

Von höchster Relevanz ist an der Stelle, dass wir den Amazonasregenwald schützen.

(Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU] – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Die warten alle auf euch! Ist mir schon klar!)

Die Lunge der Welt – das ist der Amazonasregenwald – ist für das Klima von höchster Relevanz. Dass Sie das gar nicht wahrnehmen, dass Sie gar nicht darüber reden wollen, zeigt, ehrlich gesagt, nur, dass bei Ihnen nichts als Verantwortungslosigkeit zu suchen ist.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das werfen Sie Ihrem Minister vor! Der hat auf dem Parteitag gegen den Beschluss gekämpft! – Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])

Wir unterziehen uns der Mühe, beides hinzukriegen, nämlich Handel und Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu vereinbaren und gleichzeitig den Amazonasregenwald zu schützen und den Klimaschutz voranzubringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP] – Zurufe von der CDU/CSU)

Eigentlich dürfte Ihnen all das gar nicht fremd sein, Frau Klöckner. Ich habe auch noch ein Zitat von Ihnen gefunden; vielleicht haben Sie es vergessen. Sie haben 2020 bei einem EU-Ministertreffen in Koblenz gesagt, dass Sie gegen das Mercosur-Abkommen sind, weil – so Ihre Worte – in Südamerika Regenwälder für Ackerland gerodet werden. Das war damals Ihre Position. Ich sage: Das stimmt. – Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist nur: Sie haben keinerlei Haltung. Jetzt sagen Sie genau das Gegenteil.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Nee, falsch! – Zuruf des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU])

Sie sagen heute das eine, morgen das andere. Es gibt vielleicht noch einen Einzigen in Ihrer Parteienfamilie, der da noch schlimmer ist; das ist Markus Söder.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sehr witzig!)

Ansonsten kommen Sie direkt danach: haltungslos, keine Prinzipien, nichts, auf das man bauen kann.

(Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Lesen Sie mal die Rede von Ihrer Fraktionsvorsitzenden! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Lesen Sie mal die Rede von Frau Dröge!)

Wir machen das Gegenteil: Wir haben eine Haltung, und wir arbeiten daran, diese Haltung pragmatisch in Politik zu übersetzen.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege.

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Deswegen kann ich Ihnen nur eines sagen: Schauen Sie weiter unsere Parteitage. Da gibt es was zu lernen, –

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege.

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– bei den Inhalten, aber auch bei der Frage, wie man mit Haltung am Ende pragmatische Politik macht.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Mit Haltung in den Verfassungsbruch! Peinlich! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Und immer Enthaltung! Enthaltung bei der UN! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Völlig abgewirtschaftet!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Reinhard Houben hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)