Rede von Katharina Dröge Aktuelle Stunde: Gefahr eines Handelskrieges

15.03.2018

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss ganz ehrlich sagen: Als ich der Debatte hier im Bundestag gelauscht habe, fehlten mir eine Zeit lang die Worte – und das passiert nicht oft.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Das stimmt!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Das stimmt.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das stimmt. Das sagt Frau Roth auch. – Mir fehlten die Worte, weil ich mich ein Stück weit gefragt habe: Worüber reden Sie hier eigentlich? Der Kollege von der SPD hält es nur für einen Popanz, dass wir eine Aktuelle Stunde zur Gefahr eines drohenden Handelskriegs mit den USA haben. Die Kollegen von FDP und AfD denken, wir könnten einfach die Zölle auf Autos senken; dann sei dieses Thema gegessen.

Sie unterschätzen völlig die Dimensionen, um die es hier gerade geht. Donald Trump hat Zölle auf Stahl und Aluminium verhängt; das stimmt. Dahinter steht aber etwas viel Größeres. Es ist bei weitem nicht auf den Stahlsektor beschränkt.

Deswegen muss unser oberstes Ziel sein, mit Diplomatie – mit Gesprächen in den USA, auch mit den Partnern, die wir in den USA haben – zu verhindern, dass es sich auf andere Branchen ausweitet. Diplomatie ist das Richtige, um darauf hinzuwirken.

Richtig ist aber auch das, was Kommissionspräsident Juncker gemacht hat, als er auf die existierende Liste mit Gegenmaßnahmen hingewiesen hat und gesagt hat, dass die Europäische Union auch bereit ist, zu reagieren, wenn es denn zu dieser Situation kommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

In Richtung der Nationalisten aus der AfD muss ich auch sagen: Gerade in dieser extrem schwierigen weltwirtschaftlichen Situation bin ich froh darüber, dass es einen europäischen Binnenmarkt gibt, sodass wir diese Situation gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarländern meistern können und nicht alleine dastehen, wie Sie sich das wünschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen uns natürlich auch mit der Situation der Stahlindustrie in Europa beschäftigen. Es gibt Gegenmaßnahmen, die wir ergreifen könnten. Sollte es wirklich zu der Situation kommen, dass 12 Millionen Tonnen Stahl aus den USA auf die europäischen Märkte umgeleitet werden, können Safeguard Measures ergriffen werden.

Selbstverständlich müssen wir auch eine Klage vor der Welthandelsorganisation einreichen; denn Donald Trump bricht mit dem Schritt, den er geht, ganz bewusst internationales Recht.

Diese Klage vor der WTO ist auch deshalb wichtig, weil Donald Trump mit dem, was er macht, das multilaterale System grundsätzlich infrage stellt. Über diesen Kontext müssen wir hier auch reden. Denn Donald Trump hat mit dem Stahl- und Aluminiumbereich angefangen und spricht über Autos. Er hat aber schon angekündigt, dass er die sogenannten Spiegelzölle einführen will. Er sagt also: Den Zoll, den ich in deinem Land zahlen muss, wirst in Zukunft auch du in den USA zahlen müssen.

Damit bricht er mit einem fundamentalen Prinzip, das die Weltgemeinschaft miteinander geschaffen hat, nämlich dem Prinzip der Meistbegünstigung, das sagt: Jedes Land wird gleichbehandelt; den Zoll, den ich einem Land gewähre, gewähre ich in Zukunft auch den anderen Ländern.

Mit diesem Prinzip bricht Donald Trump. Damit bricht er mit dem grundsätzlichen Mechanismus, den sich die Weltgemeinschaft – übrigens auch nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs – miteinander gegeben hat,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

indem wir gesagt haben: gemeinsame Spielregeln, internationale Kooperation. – Das sind die Antworten auf den Protektionismus der 1930er-Jahre.

So müssen wir dieses Problem bewerten. Deswegen reicht es nicht, wenn man hier irgendetwas über Zölle auf Autos erzählt. Deswegen reicht es nicht, zu sagen, das sei nur ein kleines Problem. Schließlich reden wir hier über einen US-Präsidenten, der ganz fundamental sämtliche multilateralen Spielregeln – ob Pariser Übereinkommen zum Klimaschutz, UNESCO, NAFTA, TPP oder WTO – infrage stellt. Mit dieser Situation müssen wir uns hier im Bundestag beschäftigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf der anderen Seite müssen wir uns in diesem Parlament aber auch damit beschäftigen, warum der Nationalismus in der Wirtschaftspolitik, dieses Gespenst der 1930er-Jahre, im 21. Jahrhundert auf einmal wieder da ist. Angesichts dessen finde ich es schon krass, werte Kollegen von SPD, CDU und FDP, dass es in Ihren Reden kein einziges Wort der Nachdenklichkeit gab und Sie immer nur weiter fordern, dass wir in die falsche Richtung gehen. Ich meine damit Ihre Freihandelspolitik. Ich meine damit, dass die FDP gestern im Wirtschaftsausschuss und auch hier wieder gefordert hat, dass wir TTIP aus der Mottenkiste holen.

Ich halte das für extrem schwierig. Wenn wir nicht irgendwann miteinander – und ich meine wirklich: miteinander – bereit sind, anzuerkennen, dass eine entfesselte Globalisierung zu Ungerechtigkeit führt, die Gesellschaft in Gewinner und Verlierer spaltet und instabile Finanzmärkte erzeugt, wenn wir nicht bereit sind, Regeln zu erlassen

(Michael Theurer [FDP]: TTIP ist doch Regel!)

und anzuerkennen, dass sie die Klimakrise verschlimmert und globale Konzerne erzeugt,

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die Antwort ist TTIP!)

die so mächtig sind, ganze Staaten unter Druck zu setzen,

(Michael Theurer [FDP]: TTIP ist Regel!)

dann spielen wir genau denen in die Hände, die Nationalismus und Abschottung predigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Wie die Grünen!)

Darauf gibt es eine Antwort. Dafür gibt es Instrumente. Sie müssten sie nur endlich nutzen. Die Instrumente wären, faire Handelsverträge zu gestalten:

(Michael Theurer [FDP]: TTIP zum Beispiel! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Macht mal zwei dazu! Mindestens zwei!)

faire Handelsverträge mit effektiven Regeln zur Bekämpfung von Steuerflucht, zur Regulierung der Finanzmärkte und mit Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechten, Abkommen, die endlich der Umsetzung des Pariser Klimavertrages dienen, und Abkommen, die regeln, unter welchen ökologischen und sozialen Standards Produkte hergestellt werden müssen, die hier auf den Märkten verkauft werden.

Das alles können Sie regeln. Das alles sind die Instrumente, die Sie haben, um die Globalisierung gerecht zu gestalten. Dafür hätten Sie unsere Unterstützung.

Ich sage Ihnen – ich meine das wirklich ernst –: Die einzige vernünftige Antwort, die Sie gegen die Nationalisten dieser Welt geben können, ist, die Globalisierung endlich gerecht zu gestalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)