Rede von Tabea Rößner Aktuelle Stunde "Geschäftsbeziehungen zwischen Bundesregierung und Journalisten"

Foto von Tabea Rößner MdB
16.03.2023

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Medien scheint die AfD nicht loszulassen. Ich würde mir nur wünschen, dass die Redebeiträge zukünftig vielleicht endlich mal an Niveau gewinnen würden.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Dann fangen Sie mal damit an!)

Wenn Sie immer wieder die alte Leier von links-grün geleiteter, korrumpierter Lügenpresse und vom Staatsfunk drehen,

(Karsten Hilse [AfD]: Wer hat denn hier „Lügenpresse“ gesagt? Das hat doch niemand gesagt!)

jetzt auch Staatsferne fordern und das Friedrichs-Zitat erwähnen, dann frage ich mich schon, wie das damit zusammenpasst, dass Sie ja vor allen Dingen mit Journalisten zusammenarbeiten, die sich mit Ihrer Sache gemeinmachen, und eigene Medien aufbauen. Das hat mit Vielfalt von Meinungen und Staatsferne nichts zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Unsere Medien sind doch nicht staatlich! – Weitere Zurufe von der AfD)

Staatsferne ist uns und auch mir persönlich sehr wichtig. Nicht umsonst haben wir in den vergangenen 13 Jahren insbesondere für einen staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gekämpft, und zwar erfolgreich. Ich erinnere gerne an das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum ZDF-Staatsvertrag von 2014. Nun sitzen Sie selbst in den Rundfunkräten. Ist das etwa nicht ausgewogen?

(Mike Moncsek [AfD]: Wo denn? Wo sitzen wir denn in den Rundfunkräten?)

– Ja, natürlich. Sie haben mehrere Vertreter in den Rundfunkräten.

(Mike Moncsek [AfD]: Schauen Sie mal nach, in wie vielen Rundfunkräten wir sitzen! – Gegenruf des Abg. Thomas Hacker [FDP]: Informieren Sie sich!)

Auch wir müssen Auslassungen von Abgeordneten der AfD in Interviews ertragen. Das ist nicht schön; aber das gehört zur Meinungsvielfalt dazu und zeigt doch gerade die Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Sender.

Wir haben immer betont: Wir wollen keinen Schwarz-, keinen Rot-, keinen Grünfunk und – da liegt anscheinend Ihr Problem – auch keinen Blaufunk.

(Lachen des Abg. Martin Erwin Renner [AfD])

Sie kommen nicht umhin, sich kritischem Journalismus zu stellen. Das ist oft anstrengend. Aber genau das ist ja der Kern von Journalismus: unbequem zu sein. Seien Sie also tapfer! Wir schaffen das ja auch schon seit Jahren.

(Karsten Hilse [AfD]: Sie werden doch hundertmal so oft zu irgendwelchen Sendungen eingeladen!)

Zurück zur Staatsferne. Staatsferne Medien sind essenziell für unabhängigen und kritischen Journalismus. Das ist verfassungsrechtlich festgeschrieben und in Zeiten von gezielter Desinformation wichtiger denn je. Hier darf es keine Kompromisse geben. Daher mein Plädoyer: Medien und insbesondere Journalistinnen und Journalisten selbst sollten jeden Anschein vermeiden, von staatlicher Seite vereinnahmt zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das gilt umso mehr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Aber das Bild, das Sie hier zu malen versuchen, ist völlig überzeichnet. Der Großteil der Journalistinnen und Journalisten befolgt den Ehrenkodex, hält Abstand zu Politik und Wirtschaft und wahrt so Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit. Insofern ist eine Diskreditierung aller Journalistinnen und Journalisten völlig fehl am Platz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU])

Gleichwohl muss man vorsichtig sein. Alle Beteiligten sollten stets abwägen, ob die Distanz gewahrt bleibt. Wenn mich jemand fragen würde, ob ein Ministerium Journalistinnen und Journalisten engagieren sollte, die etwa politische Berichterstattung machen, dann wäre mein Rat: Nein; denn der freie Meinungsbildungsprozess erfolgt von unten nach oben, und jedem Eindruck, es könnte andersherum sein, muss entschieden entgegengewirkt werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thomas Hacker [FDP])

Es gilt aber auch: Angemessene Vergütung von Journalistinnen und Journalisten ist entscheidend für ihre Unabhängigkeit. Dass viele Medienschaffende seit Jahren unter prekären Umständen arbeiten, ist ein unhaltbarer Zustand.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zudem haben viele Medienhäuser aufgrund der digitalen Disruption Schwierigkeiten, erfolgreiche Finanzierungsmodelle für journalistische Berichterstattung zu etablieren. Hier müssen wir handeln.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb hat die Koalition sich vorgenommen, Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus zu schaffen und Medien die faire Chance zu geben, die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern. Hier müssen wir Inhalteproduzenten mit Plattformen und Intermediäre auf Augenhöhe bringen.

Natürlich ist für eine unabhängige, vielfältige Medienlandschaft der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine wichtige Säule, weil wir alle ihn finanzieren und er uns allen gehört. Ja, es gibt großen Reformbedarf. Den Reformprozess sollten wir konstruktiv begleiten und nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Institution infrage stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Kein anderes Mediensystem ist der Wahrhaftigkeit, hohen journalistischen Standards und der Meinungsvielfalt so verpflichtet wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Die anstehenden Reformen sollten ihn stärker darauf ausrichten, statt ihn als System zu zerschlagen.

Letzteres verfolgt die AfD seit Jahren. Wenn man sich Programme der AfD über die Jahre anschaut, dann sieht man, dass sie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorschreiben wollte, wie und über was er berichtet. Das hat mit Staatsferne nun gar nichts zu tun.

Statt es sich in den Rundfunkräten bequem zu machen, sollten auch Ihre AfD-Mitglieder zur Sicherung einer vielfältigen Berichterstattung und der Staatsferne beitragen. Das ist freilich eine anspruchsvolle Aufgabe.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Zur Lektüre und geistigen Ertüchtigung für diese Aufgabe empfehle ich die Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgerichts.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwischen Ihnen und dann geschlossenen Wahlurnen steht jetzt nur noch ein Redner. Nutzen Sie also die Zeit, wenn es noch nötig sein sollte! – Der Redner ist Otto Fricke für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)