Rede von Michael Kellner Aktuelle Stunde „Handwerk“

Michael Kellner
27.09.2023

Michael Kellner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Das Handwerk baut auf, stattet aus, erhält, verschönert, macht sauber, wärmt und kühlt, repariert und mobilisiert.“ So der Zentralverband des Deutschen Handwerks über das Handwerk. Ich möchte hinzufügen: und noch so viel mehr. – In über 130 Gewerken, von der Metallverarbeitung über Bäckereien bis hin zur Kfz-Werkstatt, bieten Handwerksbetriebe hochwertige Waren und Dienstleistungen, Kreativität und Leidenschaft, Innovation und Präzisionsarbeit, jeden Tag. Wie viel ärmer, wie viel weniger schön wäre unser Leben ohne die vielfältige Handwerkskunst?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

Das Handwerk ist das Kernstück der deutschen Wirtschaft mit über 1 Million Betrieben, mit rund 5,6 Millionen Beschäftigten. Das Handwerk ist aber auch Kernstück der Energiewende; denn durch das Handwerk kommt die Energiewende zu den Bürgerinnen und Bürgern: Wärmepumpen in die Häuser und Solarpaneele auf die Dächer.

Gutes Brot braucht gute Ausbildung. Im Handwerk werden zurzeit rund 350 000 junge Menschen ausgebildet. Wir sehen leicht steigende Zahlen; doch das reicht nicht. Wir brauchen mehr Menschen in Ausbildung. Um diese Ausbildung attraktiver zu machen, arbeiten wir als Wirtschafts- und Klimaschutzministerium daran, die Ausbildungsverordnung zu modernisieren: hin zu mehr Digitalisierung, hin zu mehr Nachhaltigkeit. Das Tablet gehört genauso in den Handwerksbetrieb wie Hammer und Zollstock.

Zur Werbung für die Ausbildung gehört, dass an allen Schulen, auch an den Gymnasien, in der Berufsqualifizierung auch das Handwerk vorkommt, mit seinen Möglichkeiten, die es bietet: von der Ausbildung über den Meister bis hin zur Selbstständigkeit. Das muss besser werden – in unserem gesamten Land, in allen Bundesländern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben Instrumente: Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, DQR, klingt sehr technisch; aber ich würde mir wünschen, dass wir es gesetzlich festhalten, dass Handwerksabschlüsse gleichwertig behandelt werden wie Hochschulabschlüsse.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Alois Rainer [CDU/CSU] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Warum machen Sie es dann nicht?)

Gleiches gilt für die Berufsberatung. Hier gebe ich Ihnen ein Beispiel: Ich habe eine junge Tischlermeisterin getroffen. Sie wollte von Jugend an Tischlerin werden und ist zur Berufsberatung gegangen. Dort wurde ihr empfohlen, etwas mit Holz zu studieren. Sie hat diesen Rat nicht angenommen. Heute hat sie einen erfolgreichen Tischlereibetrieb. Doch wir können uns nicht auf die Sturheit der jungen Leute verlassen; wir müssen in der Berufsberatung alle Wege in den Blick nehmen und dürfen nicht nur ein Studium empfehlen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Da kommt ja richtig Schwung in die Debatte!)

Denn zur Wahrheit gehört auch, dass nicht alle über ein Studium zum beruflichen Glück finden. Ich habe mit einem Maurermeister gesprochen, der nach elf Semestern Studium der evangelischen Theologie seine berufliche Erfüllung im Handwerk gefunden hat. Sicher hat er aus diesen elf Semestern evangelischer Theologie viel für sein Leben mitgenommen; aber elf Semester sind doch sehr lang, und er hätte seine Ausbildung, seinen beruflichen Werdegang sicherlich schneller starten können.

Ebenso ins Feld der Lehre gehört die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung. Die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten des Handwerks sind wichtig, um berufliche Aus- und Weiterbildung auf dem neuesten Stand der Technik durchzuführen. Daher unterstützt der Bund zusammen mit den Ländern Investitionen zur Modernisierung dieser Einrichtungen. Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung in diesen Einrichtungen ist auch ein essenzieller Baustein der dualen Berufsausbildung. Die ÜLU sichert eine hohe Qualität der Ausbildung, unabhängig von der Spezialisierung des Ausbildungsbetriebes. Als Mittelstandsbeauftragtem ist es mir ein wichtiges Anliegen, dass wir auch in schwierigen Haushaltszeiten hier eine auskömmliche Finanzierung bereitstellen. Ich hoffe, wir als Bundestag werden da eine gute Lösung in den anstehenden Beratungen finden, damit die berufliche Ausbildung weiter gestärkt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

An diesem Montag habe ich eine Besuchergruppe ausschließlich aus Azubis im ersten Lehrjahr aus Schwedt hier im Bundestag empfangen. Als Abgeordnete sind wir in der Verantwortung, nicht nur Politikkurse aus den Gymnasien aus dem Wahlkreis in dieses Haus einzuladen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Handwerk steht vor großen Herausforderungen, nicht nur im Bereich der Ausbildung: hohe Energiekosten, Fach- und Arbeitskräftemangel, gestiegene Beschaffungspreise und Finanzierungskosten, teils lähmende Bürokratielast und die Frage nach der Nachfolge. Wir stehen dem Handwerk zur Seite. Bei Energiekosten haben wir die EEG-Umlage abgeschafft, das Eigenstromprivileg eingeführt, und mit Praxischecks bringen wir Licht ins Dunkel des Bürokratiedickichts.

Gemeinsam mit der KfW betreibt das BMWK Deutschlands größte kostenfreie Unternehmensnachfolgebörse „nexxt-change“. Damit geben wir den Betrieben eine Zukunftsperspektive und treiben das Matching voran.

Eine Perspektive geben auch die Handwerksbetriebe, die Geflüchtete ausbilden. Ich danke diesen Betrieben besonders, weil sie so ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir müssen neben Gründungen ebenso über Nachfolge sprechen. In den kommenden Jahren stehen im Handwerk Zehntausende Betriebsübergaben an. Deswegen ist es so wichtig, dass wir zusammen mit Nordrhein-Westfalen einen Praxischeck zur Unternehmensnachfolge und zu Unternehmensgründungen machen.

Fachkräfte sind eines der zentralen Themen im Zukunftsdialog Handwerk, ein Branchendialog mit dem Handwerk und den Gewerkschaften, welcher seit März dieses Jahres vom BMWK durchgeführt wird. Der Zukunftsdialog wird auf allen Ebenen der Handwerksorganisationen geführt und nimmt Veränderungsprozesse in den Blick, zum Beispiel die Digitalisierung, Berufsbilder, Qualifizierung, Prozessoptimierung und auch die Stärkung des Ehrenamts im Handwerk. Zwischenergebnisse werden wir auf der Internationalen Handwerksmesse 2024 in München vorstellen.

Das Handwerk steht auch für eine Grundversorgung mit Dienstleistungen in allen Regionen. Daseinsvorsorge vom Friseur bis zur Werkstatt oder dem Sanitärbetrieb ist entscheidend für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Hier setzen wir beispielsweise mit der Reform der GRW an. Ich war so froh, dass wir diese unsinnige 50-Kilometer-Regel, also dass Betriebe einen Großteil ihres Umsatzes 50 Kilometer oder weiter entfernt machen müssen, um gefördert werden zu können, abgeschafft haben. Dies war eine echte Stärkung für das Handwerk durch unsere GRW-reform.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das Handwerk war schon immer Innovationstreiber. Ohne probierfreudige Handwerker, ohne Austausch von Handwerkstechniken auf der Walz hätte sich handwerkliches Wissen nicht verbreitet. Diese Tradition und diese Neugier haben sich bis heute immer wieder erneuert. So gehen Handwerksbetriebe die Herausforderungen der Transformation an: Autowerkstätten wachsen mit der Digitalisierung der Fahrzeuge mit; Zimmerleute über Dachdecker bis zu Installateuren sind firm im Bereich der Erneuerbaren.

Handwerk steht für hohe Qualität, Reparierbarkeit und damit für eine nachhaltige Wirtschaft. Deswegen unterstützen wir das Handwerk bei dem Ziel, Reparierfähigkeit zu stärken, weil es auch eine Wertschätzung für das Handwerk bedeutet und nicht einfach das Prinzip „Massenfertigung, und wenn es kaputt ist, weg damit“ bedient.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Daniel Föst [FDP])

Was mir als Mittelstandsbeauftragtem der Bundesregierung besonders am Herzen liegt, ist die Stärkung von Frauen im Handwerk. Eine meiner Mitarbeiterinnen wäre nach ihrem Schulabschluss gerne ins Tischlerhandwerk gegangen, wurde aber abgelehnt, weil damals Frauen im Betrieb nicht gewollt waren. Heute bin ich froh, dass sie in meinem Team ist; aber es ist ein Talent fürs Handwerk verloren gegangen.

Wir haben deswegen den Aktionsplan „Mehr Unternehmerinnen für den Mittelstand“ für mehr Frauen in Mittelstand, Handwerk, Gründungen und Start-ups aufgesetzt. Damit unterstützt das BMWK angehende Unternehmerinnen mit vielfältigen Maßnahmen und Angeboten – von einer Gründungsplattform über Angebote zu Finanzierungs- und Existenzgründerfragen – für eine neue Gründungsdynamik im Handwerk.

Doch wir haben derzeit noch eine schlechte Absicherung von Frauen im Handwerk; die Petition von Tischlermeisterin Johanna Röh mit inzwischen über 80 000 Unterschriften hat das noch einmal gezeigt. Selbstständige Frauen haben, wenn es um Mutterschutz geht oder wenn sie während der Schwangerschaft nicht arbeiten dürfen, eine ungenügende Absicherung. In den letzten Jahren ist bei Mutterschutz sowie Elterngeld viel passiert, um Arbeitnehmerinnen besser abzusichern. Wir sind bei Soloselbstständigen und Handwerkerinnen aber nicht so weit gekommen, wie es notwendig ist. Wenn wir Gründungen und Selbstständigkeit stärken wollen, müssen wir Frauen auch für diese Phase des Lebens besser absichern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich bin dazu mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und den Kolleginnen und Kollegen aus dem Familienministerium in intensiven Gesprächen. Die Frauen brauchen auch die Unterstützung aus dem Gesundheits- und aus dem Finanzministerium; denn wir brauchen eine bessere Absicherung von Handwerkerinnen im Mutterschutz.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Robert Farle [fraktionslos])

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion hat das Wort Michael Grosse-Brömer.

(Beifall bei der CDU/CSU)