Rede von Andreas Audretsch Aktuelle Stunde „Handwerk“

Andreas Audretsch MdB
27.09.2023

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Den besten Eindruck davon, was in der Realität passiert, gewinnt man, wenn man hingeht, und deswegen war ich vor einigen Wochen in Dresden bei der dortigen Handwerkskammer und habe mir das vor Ort angeschaut. Ein ganzer Raum ist dort aufgebaut als Energieeffizienzzentrum für Gebäude. Da geht es um Solar, da geht es um Wasser, da geht es um Heizung und Lüftungstechnik, da geht es um Wärmeschutz, da geht es um Baumaterialien – um all diese Fragen.

Und was hat mir der Präsident der Handwerkskammer dort gesagt? Er hat mich zunächst gefragt: Glauben Sie, Herr Audretsch, dass wir ein ganz besonderes Berufsbild „Klimahandwerker“ brauchen? Und dann hat er direkt weitergemacht und hat gesagt: Nein, Herr Audretsch, das brauchen wir nicht, weil fast jedes einzelne Gewerk in irgendeiner Form zum Klimahandwerk wird. – Dass es jetzt um Klimaschutz geht, dass es um Solarpaneele geht, dass es um Wärmepumpen geht, dass es um Dämmung geht, um diese ganzen Fragen, das ist ein Jobmotor im Handwerk. Das ist gut für die Zukunft im Handwerk. Und wer einmal erleben will, wie Menschen sich mit guter Arbeit und mit ehrlichem Stolz für Klimaschutz einsetzen, der muss bei der Handwerkskammer in Dresden vorbeischauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ehrlich jetzt, Herr Audretsch?)

Das größte Problem – der Kollege Westphal hat es gesagt –, das das Handwerk hat, ist der Mangel an Arbeits- und an Fachkräften. Deswegen möchte ich mich jetzt darauf konzentrieren. Und wissen Sie, was das Schlimmste ist? Das Schlimmste ist, wenn Sie einen Mitarbeiter haben, wenn Sie einen Mitarbeiter ausbilden und ihn dann nicht behalten dürfen. Ich habe jüngst die Geschichte eines jungen geflüchteten Mannes gelesen,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Jetzt kommt das wieder!)

der in der Familienbäckerei Hilsenbeck im Schwarzwald-Baar-Kreis gearbeitet hat, Lehrling im zweiten Ausbildungsjahr. Und nachdem der Bäckermeister zehn Jahre lang keinen Lehrling gefunden hat – wie absurd wäre es, diesem Bäckermeister dann den Lehrling wegzunehmen? Das versteht kein Mensch mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Deswegen haben wir in einem ersten Schritt dafür gesorgt, dass das in Zukunft nicht mehr so sein muss. Das löst noch nicht alle Probleme, aber künftig kann die Ausbildungsduldung für viele zur Aufenthaltserlaubnis werden, weil das langfristige Perspektiven bringt und weil es schlicht und ergreifend Sinn macht, Menschen in Arbeit zu bringen und sie auszubilden.

(Zuruf des Abg. Bernd Schattner [AfD])

Es macht vor allem Sinn für das Handwerk hier in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und noch mehr: Wir haben den Spurwechsel eingeführt, weil uns die Arbeitgeber sagen, dass sie Leute brauchen, und weil es einfach Sinn macht, Menschen in Arbeit zu bringen, die ohnehin hier sind. Es macht Sinn, dass sie sich einbringen, dass sie arbeiten, dass sie Teil dieser Gesellschaft werden. Das alles sind Dinge, die Sie – jetzt kriegen Sie es – in den letzten Jahren nicht vorangebracht haben, und wir machen das jetzt. Wir tun das jetzt, und das macht einen Unterschied für die Menschen in den Betrieben, weil sie Menschen finden, die bei ihnen arbeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

400 000 Arbeitskräfte brauchen wir, 400 000 Zuwanderungen netto; das sagt die Bundesagentur für Arbeit. Da gab es eine ganz interessante Meldung: In Lüneburg in der Lüneburger Heide bieten Unternehmer 11 000 Euro Startprämie – das ist eine Notmaßnahme –, wenn Leute dort als Koch anfangen, weil sie niemanden mehr finden.

(Zuruf der Abg. Mechthild Heil [CDU/CSU])

In Bayern warnt der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt, vor Arbeitskräftemangel im ganzen Land. Wer jetzt nicht versteht, dass das ein zentrales Problem ist, der versteht einfach überhaupt nichts mehr. Und da kann es nur einen Schluss geben: Die Arbeitsverbote müssen fallen! Das ist das Problem, das wir in Deutschland haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Es macht einfach keinen Sinn, dass Menschen hier sind und nicht arbeiten dürfen, während gleichzeitig im Handwerk Menschen fehlen, die wir brauchen. Das ist ein absurder Zustand, und deshalb haben wir wichtige Schritte getan. Wir müssen diesen Weg weitergehen. Die Arbeitsverbote in Deutschland müssen weg!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf der Abg. Mechthild Heil [CDU/CSU])

So, und jetzt komme ich tatsächlich noch mal zu Ihnen. Sie warten ja darauf, ich merke das.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, wir langweilen uns!)

Jahrzehntelang haben CDU und CSU in Deutschland durchgesetzt, dass es Arbeitsverbote gibt. Und heute sind Sie nicht in der Lage, das zu korrigieren, weil Sie ideologisch auf diesem Pfad sind und sich da keinen Schritt wegbewegen können.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Sie schaffen es nicht. Sie verschenken Potenziale. Sie verhindern Integration und, nicht zuletzt, Sie fügen dem Handwerk in Deutschland damit massiven Schaden zu.

(Zuruf der Abg. Nina Warken [CDU/CSU])

Und das müssen Sie sich vorwerfen lassen, weil Sie es nicht schaffen, aus dieser Ideologie rauszukommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Und es wird immer absurder, wenn man dem mal ein bisschen nachgeht. Ich bin letztens fast vom Stuhl gefallen, als ich in der „Bild“-Zeitung lesen musste,

(Nina Warken [CDU/CSU]: Hoffentlich hören viele Handwerker Ihre Rede!)

dass die CSU zwar weiter Arbeitsverbote durchsetzen möchte, dass Markus Söder aber gleichzeitig eine Arbeitspflicht fordert, natürlich ohne Lohn. Das ist das, was Sie letztlich wollen, stand kürzlich in der „Bild“-Zeitung. Es hört überhaupt nicht auf mit den Absurditäten, wenn man weiterliest. Wissen Sie, was diese Leute machen sollen? Markus Söder hat die Idee, dass diese Menschen ohne jeglichen Lohn dafür zuständig sein sollen, Bäume zu pflanzen. Ich sage Ihnen mal was: Es gibt Menschen, die das professionell machen. Es gibt Gartenbaubetriebe, es gibt einen Markt dafür. Bayerische Planwirtschaft ist nicht das, was wir brauchen. Wir haben Handwerker, wir haben Menschen, die sinnvolle Arbeit tun können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist das, was wir als Koalition vorantreiben, und das ist das, was Sie 16 Jahre nicht getan haben und was Sie offensichtlich nicht bereit sind jetzt zu ändern.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Hoffentlich haben viele Handwerker diese Rede gehört!)

Sie sind nicht bereit, Ihre Ideologie hinter sich zu lassen, um substanziell etwas für die Wirtschaft in Deutschland zu tun. Gut, dass wir das jetzt machen!

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Daniel Föst für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)