Rede von Andreas Audretsch Aktuelle Stunde „Inflationsbekämpfung und Energiesicherheit“

06.07.2022

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Merz, was für ein absurdes Theater, das Sie hier spielen!

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Im Auswärtigen Ausschuss und im Verteidigungsausschuss geht es im Moment um den Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO. Dort machen wir ernsthafte Politik. Und was machen Sie? Sie machen nichts anderes als Klamauk im Hohen Haus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wir machen vernünftige, ernsthafte Politik!)

Ehrlich gesagt: Das ist einem Vorsitzenden der größten Oppositionsfraktion nicht angemessen.

Und ich will Sie noch etwas fragen: Warum sollte der Bundeskanzler anwesend sein, wenn Sie hier am Rednerpult – und damit bin ich bei den Inhalten, die Sie vorhin vorgetragen haben – einen völligen Realitätsverlust erleiden? Kein Wort zum Krieg, nichts zur aktuellen Situation,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist nicht Thema der Aktuellen Stunde!)

kein Wort zu den Lieferketten, kein Wort zu den Gaspreisen, die mit Putin zusammenhängen! Nichts zu alledem haben Sie gesagt. Das Einzige, was Sie hier getan haben, ist, Ihre Mottenkiste aus den 90er-Jahren wieder rauszuholen und die alten, verstaubten Instrumente durch den Raum zu schmeißen, statt etwas zu den aktuellen Fragen zu sagen. Das ist zu wenig, Herr Merz. Das ist viel zu wenig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir haben einen Angebotsschock bei fossilen Energien. Unsere Abhängigkeit von Putin bei fossilen Energien treibt im Moment die Preise nach oben. Da ist es schon unfassbar dreist, Herr Merz – das muss ich noch einmal aus anderer Sicht sagen –, dass Sie es überhaupt wagen, dieses Thema hier aufzusetzen.

(Lachen der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

Im März dieses Jahres haben Sie gefordert, Nord Stream 1 sofort dichtzumachen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Richtig, ja!)

Dann hätten wir seit vier Monaten keinerlei Gaslieferungen. Wissen Sie, was die Folge gewesen wäre? Dann wären wir jetzt in einer ganz anderen Situation. Dann wären die Preise ganz anders, und dann wäre der Angebotsschock noch viel größer. Dieses Thema hier aufzusetzen, zeigt, dass Sie keine Ahnung von der Realität haben, dass Sie sich nicht mit der Realität auseinandersetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich bin sehr froh, dass Robert Habeck im Wirtschaftsministerium sitzt und nicht Sie, weil Sie sich offensichtlich der Realität verweigern, während Robert Habeck weiß, was er tut.

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist der Unterschied.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben nicht nur den Blick für die Realität in der Breite verloren. Sie haben offensichtlich auch den Kontakt zur Wirtschaft verloren.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bei der Konzertierten Aktion Inflation war die Analyse eindeutig. Der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat wörtlich gesagt – das möchte ich für Sie zitieren –:

Dieses Land steht vor der härtesten wirtschafts- und sozialpolitischen Krise seit der Wiedervereinigung.

Und zur Analyse hat er gesagt – ich zitiere –:

Aktuell sehen wir die Inflationstreiber auf der Angebotsseite: Energiekosten, Rohstoffknappheit, fehlende Vorprodukte durch unterbrochene Lieferketten.

Das sagt der Arbeitgeberpräsident. Aber zu alledem nicht ein einziges Wort von Ihnen, nichts, gar nichts! Was Sie hier gerade abgeliefert haben, zeigt einen kompletten Realitätsverlust. Das ist es, was Sie getan haben, und das ist peinlich, Herr Merz, nichts anderes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)

Ich will Herrn Dulger an der Stelle expliziert recht geben. Ich teile diese Analyse; ich stimme der Analyse voll und ganz zu. Deswegen müssen wir Antworten finden. Er sagt auch: Das wird langfristig gehen. – Deswegen müssen unsere Antworten grundsätzlich sein. Wir brauchen Antworten in der Wirtschaftspolitik, in der Energiepolitik und in der Sozialpolitik.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Sie haben halt keine!)

Und ich sage Ihnen noch etwas: Das sind die Antworten, die Sie 16 Jahre lang verschlafen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nichts haben Sie 16 Jahre gemacht. Der Realitätsverlust läuft schon länger, und bei Ihnen kulminiert das jetzt. Das ist ein Problem für Sie; das tut mir leid. Es ist wichtig, dass wir das jetzt angehen.

Ich sage Ihnen jetzt mal, was wir tun,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Es kommt keine Substanz mehr rüber!)

weil wir ja an diesen ganzen Fragen arbeiten. Robert Habeck ist unterwegs und sorgt dafür, dass wir billige Energie bekommen,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo denn?)

was wir jetzt brauchen, um den Angebotsschock runterzukriegen. Wir tun das ohne Scheuklappen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Wann? Wie?)

Selbstverständlich sind wir auf der Welt unterwegs und gucken, woher wir Gas bekommen, weil wir Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Selbstverständlich sagen wir, dass die Kohlekraftwerke ein Stück weit länger laufen müssen. Wissen Sie, wie das meiner Partei wehtut? Aber wir tun es, weil es um Verantwortung geht, die wir im Unterschied zu Ihnen übernehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Du lieber Himmel!)

Der zweite große Punkt – auch das möchte ich sagen; denn auch daran haben Sie sich in den letzten 16 Jahren nicht gemacht – betrifft die oligopolen Strukturen im Energiemarkt.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Man kann auch in jungen Jahren einen Herzinfarkt kriegen! Seien Sie vorsichtig!)

Das ist doch das Problem; da geht das Geld weg. Wir gehen das jetzt an. Robert Habeck arbeitet am Kartellrecht.

(Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])

Wir legen Ihnen dazu was vor. Auch da geben wir Antworten. Wir gehen die Fragen an, die Sie 16 Jahre lang in den Wind geschossen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP] – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Mann, ist das peinlich!)

Ich nenne Ihnen einen weiteren Punkt: Sie haben 16 Jahre lang den Ausbau der erneuerbaren Energien geblockt.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Hören Sie auf, so einen Unsinn zu erzählen! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Das war Ihre Politik, und das führte zur Abhängigkeit und jetzt zur Inflation.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Da waren Sie doch noch gar nicht auf der Welt!)

Das genau führte in die Krise, in der wir sind. Wir als Ampel bringen in dieser Woche ein riesiges Energiepaket auf den Weg,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Peinlich! Peinlich! Peinlich!)

weil wir sagen: Jetzt muss gehandelt werden!

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Audretsch.

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

All das haben Sie in den letzten 16 Jahren vermasselt. Gut, dass wir das jetzt gemeinsam angehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Mann, ist das peinlich!)

Dieses Theater sollten Sie nicht hier, sondern irgendwo anders aufführen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ein Sommertheater! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Witzbold!)

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Der nächste Redner in der Debatte ist Dr. Dietmar Bartsch, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)