Rede von Ricarda Lang Aktuelle Stunde „Kindertagesstätten“

Ricarda Lang MdB
09.02.2023

Ricarda Lang (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es manche Redner/-innen vom rechten Rand noch nicht verstanden haben: Wir stehen hier heute nicht, weil am Sonntag in Berlin Wahlen sind,

(Beatrix von Storch [AfD]: Doch!)

sondern weil wir ein reales Problem in diesem Land haben:

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

einen Fachkräftemangel in der frühkindlichen Bildung, der uns als ganze Gesellschaft trifft. Die Zahlen wurden von meinen Vorrednerinnen und ‑rednern schon genannt. Es wurde auch immer wieder darauf hingewiesen, dass dieses Problem kein neues ist, sondern dass uns dieses Problem schon seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten begleitet und dass in der Vergangenheit zu wenig passiert ist,

(Beatrix von Storch [AfD]: Überall da, wo Sie regieren, besonders!)

um dem gerecht zu werden, da es am Ende doch immer wieder als privates Problem angesehen wurde. Aber eins ist klar – ich glaube, das zeigt auch diese Debatte heute –: „Mama macht das schon“ ist keine politische Lösung, wenn es um frühkindliche Bildung geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es geht vielmehr um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die am Ende uns alle betrifft.

Es geht erstens um Vereinbarkeit, um die Frage, ob sich Paare die Kinderbetreuung und vor allem auch die Lohnarbeit gleichberechtigt aufteilen können. Viele wollen das, viele wollen heute schon weiter sein. Aber dafür brauchen sie die richtigen Rahmenbedingungen.

Es geht aber zweitens – und das ist der wichtigste Punkt – nicht in erster Linie um die Eltern, sondern natürlich geht es um die Kinder.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kitas sind kein Ort der Aufbewahrung, sondern sie sind ein Ort der frühkindlichen Bildung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Damit sind sie vor allem auch der Ort, wo über Chancen in unserem Land und über Gerechtigkeit entschieden wird; denn der Grundstein dafür wird nicht erst in der Grundschule geschweige in der weiterführenden Schule gelegt, sondern schon in den Kitas, in der frühkindlichen Bildung.

Drittens ist es natürlich eine Frage von Wertschätzung und Respekt für die vielen Menschen, vor allem die vielen Frauen, die in diesen Berufen trotz der Rahmenbedingungen Unglaubliches leisten, unsere Kinder begleiten, Bildungschancen schaffen und die dafür Respekt, Wertschätzung, aber vor allem gute Arbeitsbedingungen verdient haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Arbeitsbedingungen sind am Ende der Dreh- und Angelpunkt. Es ist doch klar: Da, wo es schlechte Arbeitsbedingungen gibt, wo es schlechte Betreuungsschlüssel gibt, gehen die Leute aus diesem Job raus, da fehlen die Menschen. Das führt zu einem eingeschränkten Angebot. Das führt wiederum zu weniger Vereinbarkeit. Das führt wiederum zu weniger Fachkräften, weil mehr Menschen zu Hause bleiben müssen. Das heißt, wir sehen, dass sich bei diesem Problem immer wieder der Hund selbst in den Schwanz beißt. Gerade deshalb ist es die politische Aufgabe, diesen Teufelskreislauf zu durchbrechen, indem wir auf der einen Seite die Fachkräfte, die da sind, durch gute Arbeitsbedingungen halten und auf der anderen Seite mehr Fachkräfte anwerben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Wer regiert denn eigentlich?)

– Es wurde gerade gefragt: Wer regiert? Zum Glück die Ampel; denn wir machen hier schon ganz schön viel und haben vieles auf den Weg gebracht.

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Ja, was denn? – Dr. Götz Frömming [AfD]: Alles nur Ankündigungen!)

Das machen wir, indem wir erstens kurzfristig auf mehr Weiterbildung und auf das Potenzial von fachnahen Gruppen setzen und auch Geringqualifizierte anwerben – nicht als Ersatz für Fachkräfte, sondern zur Entlastung von Fachkräften, damit diese mehr Zeit für pädagogische Tätigkeiten haben –, vor allem aber durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, durch bessere Betreuungsschlüssel und vor allem durch mehr Qualität durch das KiTa-Qualitätsgesetz. Das ist für mich neben der Kindergrundsicherung eines der zentralen Vorhaben dieser Bundesregierung für mehr Gerechtigkeit und für die Kinder in diesem Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das tun wir, indem wir zweitens mittelfristig gemeinsam mit den Ländern die Ausbildungskapazitäten und vor allem die Rahmenbedingungen und die Arbeitsbedingungen für die Auszubildenden in diesem Land verbessern und indem wir die Abschlüsse von ausländischen Fachkräften endlich schneller anerkennen und auch dieses Potenzial besser nutzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich muss sagen: Ich bin verdammt froh, dass wir endlich eine Bundesregierung haben, die auch an dieser Stelle auf Willkommenheißen setzt, auf schnelle Integration und darauf, dass wir die Menschen, die in diesem Land sind und die hier arbeiten wollen, nutzen. Wer hier auf Ausgrenzung setzt, wer hier auf populistische Sprüche setzt, der schadet am Ende den Familien in diesem Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – René Bochmann [AfD]: Sie fangen doch hier im Bundestag schon an mit Ausgrenzen!)

Drittens tun wir das, indem wir vor allem mit Ländern und Kommunen da, wo wir die Möglichkeiten haben, daran arbeiten, die Tarifbindung in diesen Bereichen zu stärken, und indem wir langfristig mehr Männer für diesen Beruf gewinnen, und zwar nicht, weil das die Voraussetzung für gute Arbeitsbedingungen ist bzw. weil nur dann Jobs gute Arbeitsbedingungen haben sollten, sondern weil Berufe kein Geschlecht haben und jeder Mensch in einem Beruf gut sein kann. Es sind ja verdammt schöne Berufe. Wir sollten endlich davon wegkommen, manche Berufe als typische Männerberufe und manche als typische Frauenberufe zu sehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir sehen immer wieder – das zeigen Studien in der Pflege, aber gerade auch in der Erziehung –: Viele Menschen wären bereit, länger zu arbeiten und vor allem auch in die Arbeit zurückzukehren, wenn es bessere Arbeitsbedingungen gäbe. Um das zu schaffen – da sind wir mit Lisa Paus, mit dieser Regierung vorangegangen –, da brauchen wir die Länder, da brauchen wir die Kommunen, da brauchen wir einen gemeinsamen Kraftakt.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin.

Ricarda Lang (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist eine Frage von sozialer Gerechtigkeit.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kommen Sie zum Schluss, bitte.

Ricarda Lang (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist eine Frage der Unterstützung von Familien, aber am Ende auch von ökonomischer Vernunft.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte jetzt zum Schluss. Wir haben eine Aktuelle Stunde.

Ricarda Lang (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Denn mehr Fachkräfte gibt es nur mit mehr Vereinbarkeit, und ein funktionierendes Wirtschaftssystem gibt es nur mit guter Sorgearbeit und guter Betreuungsqualität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Gyde Jensen, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)