Rede von Dr. Julia Verlinden Aktuelle Stunde "Klimaproteste"

Foto von Julia Verlinden MdB
02.12.2022

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner Carsten Müller hat gerade gesagt, Sie von der Union wollen kein Gesinnungsstrafrecht. Ich glaube, Sie müssen da ein paar Dinge noch intern klären.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Glaube ich nicht! Sie müssen einfach mal sorgfältiger zuhören!)

Denn wenn ich höre, dass Stimmen aus der Union fordern, „Klimakriminelle“ wegzusperren, dann läuft es mir echt kalt den Rücken runter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

„Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens“, das stand nicht etwa auf dem T‑Shirt einer Klimaaktivistin, sondern das formulierte António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, zu Beginn der Klimakonferenz vor drei Wochen.

(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau! Die „Klimahölle“! So ein falscher Prophet! „Klimahölle“!)

Wenn ein hochrangiger UN-Diplomat solche Worte wählt,

(Karsten Hilse [AfD]: So einen Superlativ!)

dann sollte uns das zum Nachdenken bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es mag Ihnen nicht gefallen,

(Karsten Hilse [AfD]: Mir gefällt nicht, was Sie tun, stimmt! Sie richten Deutschland zugrunde!)

aber radikal, das ist die Klimakrise selbst. Die Radikalität der Klimakrise steckt in der Konsequenz der Naturgesetze.

(Lachen bei der AfD)

Der Meeresspiegel steigt; das ist Physik. Extremwetterlagen nehmen zu, Ernten fallen aus. Die Klimakrise ist das größte Sicherheitsrisiko unserer Zeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen müssen wir handeln. Ich weiß, darüber möchten Sie heute hier nicht so gerne reden; aber genau darum geht es. Deswegen empfehle ich Ihnen: Nehmen Sie sich mal 90 Minuten Zeit!

(Beatrix von Storch [AfD]: Haben wir doch!)

Sprechen Sie mal mit Klimawissenschaftlerinnen und Klimawissenschaftlern, mit denjenigen, die erklären, was wirklich passiert, wenn die Temperatur auf unserem Planeten um 3 Grad steigt! Unsere Welt wird eine komplett andere sein.

Ich kann die Verzweiflung und auch die Wut der Menschen verstehen, die sich sorgen, dass ihre Zukunft, dass unsere Zukunft von Dürren, Überschwemmungen, Waldbränden und Hunger für Millionen Menschen bedroht wird.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Und es ist nicht ganz überraschend, dass die jahrelange Verweigerung echter Klimapolitik, die Verweigerung der Union, Menschen auf die Straße treibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grüne sind uns der Dringlichkeit der Klimakrise bewusst.

(Zuruf von der CDU/CSU: Merkt man nicht!)

Es ist verdammt viel nachzuholen nach 16 Jahren Regierung unter der Führung der Union. Seit einem Jahr haben wir als Ampel mit raschem Tempo vieles angeschoben und vieles beschleunigt: für den Klimaschutz, für den Ausbau der Erneuerbaren, für die effiziente und sparsame Nutzung von Energie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Sie machen doch das Gegenteil von Klimapolitik! – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Um dieser Klimakrise Einhalt zu gebieten, arbeiten wir an der Mobilitätswende, an der Wärmewende, für nachhaltige Landwirtschaft und den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Veränderungen, die Transformation, sind die Voraussetzung für Klimagerechtigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und ja, es ist auch noch viel zu tun. Insbesondere im Verkehrssektor sind noch zahlreiche Maßnahmen umzusetzen, um saubere und sichere Mobilität zu ermöglichen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja!)

um das Überleben auf diesem Planeten zu sichern und Treibhausgase in ausreichenden Mengen zu reduzieren.

Dabei sind wir uns in der Ampel nicht immer auf Anhieb einig.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir brauchen ein bisschen mehr Planungsbeschleunigung!)

Auch das ist Demokratie.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau!)

Oft ringen wir miteinander in der Ampel.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gott sei Dank!)

Wir ringen um das Tempo. Wir ringen um Ambitionen, und das ist anstrengend.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Sie ringen vor allem um Posten!)

Aber es ist nötig; denn wir tragen Verantwortung, und wir nehmen diese Verantwortung in der Ampel an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Und ja, die Zivilgesellschaft mischt sich ein. Die Zivilgesellschaft fordert uns. Menschen messen uns, die Politik, an unseren eigenen Ankündigungen, messen uns an geltenden Gesetzen und Versprechen, an internationalen Zusagen, fordern Klimagerechtigkeit. Sie fordern, dass die Politik den Rahmen schafft, damit die globale Temperatur auf nicht mehr als 1,5 Grad Celsius steigt.

(Karsten Hilse [AfD]: „Die globale Temperatur auf nicht mehr als 1,5 Grad steigt?“)

Sie fordern uns auf, um jedes Zehntel Grad zu kämpfen. Ich bin überzeugt: Auch so manch kleine klimapolitische Entscheidung der Vorgängerregierung brauchte zum Beispiel den Druck von über 1 Million Schülerinnen und Schülern auf der Straße.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielfach wird diskutiert, welche Protestform der Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten der Sache dient oder nicht. Auch mein Vorredner hat sich daran versucht.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie sind eine Antwort schuldig geblieben!)

Aber ich muss sagen: Wer nicht über Klimaschutz sprechen will, wer ablenken will, dem gelingt das sehr lautstark – und egal bei welcher Gelegenheit.

(Zurufe von der AfD)

Sie sind gerade wieder das beste Beispiel dafür. Das haben Sie als Antragsteller dieser Aktuellen Stunde auch wieder sehr deutlich gezeigt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Rechtspolitischer Offenbarungseid! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie verharmlosen Straftaten!)

Wer sich wünscht, dass die Klimabewegung Ruhe gibt oder wer Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten erst mal ins Gefängnis schicken will – präventiv –,

(Ingmar Jung [CDU/CSU]: Was halten Sie von Straftätern?)

der löst das Problem der Klimakrise nicht; denn die Klimakrise wird uns keine Ruhe lassen. Also hören Sie auf, sich der Realität zu verweigern.

(Zuruf von der AfD)

Hören Sie auf, Klimaschutzpolitik zu diskreditieren.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Hören Sie auf, Straftäter zu rechtfertigen!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Konsequente Klimaschutzpolitik ist die notwendige Antwort auf die eskalierende Klimakrise.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Nächster Redner ist Wolfgang Kubicki für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Reinhard Houben [FDP]: Genau auf die Zeit achten!)