Rede von Leon Eckert Aktuelle Stunde „Lage der Geflüchteten aus der Ukraine“

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17.03.2022

Leon Eckert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir sehen die Bilder der Menschen, die gerade zu uns kommen. Die Frau Kollegin hat es gerade eindrucksvoll beschrieben: erschöpft, desorientiert, sie haben Verwandte und Freunde zurückgelassen, mussten aus ihrem Zuhause fliehen. Das sind Bilder, bei denen auch mir die Luft wegbleibt, Verzweiflung sich auf uns, auf mich überträgt, Unsicherheit vor dem, was kommt, aber auch Wut auf den Verursacher all dieses Leids.

Diese Emotion wird durchbrochen, wenn ich sehe, dass die Helfer/-innen in ihrer Einsatzkleidung, in Warnwesten, die Feuerwehrleute, das THW, die anderen Hilfsorganisationen kommen, und dann wächst meine Entschlossenheit, dass wir alles tun, diesen Menschen zu helfen, und alles zu tun, der Ukraine beiseitezustehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Jeden Tag sind jetzt Helfer im Land unterwegs, im Einsatz, packen an. Da wird nicht gefragt: „Wer kommt da?“, sondern: „Wann geht’s los?“ Bei uns im Ort wurde direkt am nächsten Tag schon überlegt: Welchen Ort wandeln wir in eine Unterkunft um? Welche Turnhallen haben wir? Wie bauen wir die Verpflegung auf?

Wie schnell das geht, habe ich bei meiner eigenen Feuerwehr erlebt. Da kam der Einsatzbefehl, und – plopp, plopp, plopp – sofort waren die Zusagen da, wer alles kommt und wer mit aufbaut. Da finden Infoabende von Freiwilligen für Freiwillige statt; denn die Helferkreise sind ja immer noch aktiv. Da sagen jetzt die, die seit vielen Jahren Geflüchtete betreuen, wie es geht. In Zolling zum Beispiel gibt es eine super Anleitung des Helferkreises zur Aufnahme von Geflüchteten zu Hause – empathisch, so aus der Anwendersicht, dass man weiß: Die Leute wissen, wovon sie reden: Wie mache ich die Meldung? Der Vordruck für die E-Mail – alles ist da. Unglaubliches Engagement. Und ich weiß, dass es überall in unserer Republik Menschen gibt, die gerade mit aller Kraft dieses Engagement auf die Straße bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Dieses ehrenamtliche Engagement von unten, in den Städten und Gemeinden, das macht unser Land stark. Und diese Ehrenamtlichen stehen an der ersten Stelle, um Schutz zu bieten und die Menschen aufzunehmen. Eine große Aufgabe steht vor uns. Diesen Elan dieser Menschen, die jetzt gerade agieren, brauchen wir auch hier.

Wir müssen einfach merken: Dazu gehört auch, aus der Vergangenheit – 2015/2016 – zu lernen. Das ist leider unter dem vorherigen Bundesinnenminister nicht passiert. Es gab eine verkrampfte Debatte: Worauf können wir jetzt stolz sein und worauf nicht, was haben wir geschafft und was nicht? Aber wir haben nicht aus den Fehlern gelernt und uns nicht verbessert. Haben wir wirklich die Hürden abgebaut, die uns mitgeteilt worden sind? Sind wir auf die Helferinnen und Helfer eingegangen, die ja vor Ort selber ihre Abläufe optimiert haben? Feldbettenknappheit gibt es schon wieder, weil wir nichts eingelagert haben.

Ich bin der Meinung: Wir haben zu wenig getan, um uns zu verbessern. Drei kleine Beispiele: Vor dem Hintergrund der Erfahrungen von 2015/2016 gibt es nun das „Labor Betreuung 5 000“, eine Einheit, schnell aufbaubar, verlegbar an viele Stellen, jetzt im Einsatz am Flughafen Tegel, um 5 000 Personen unterzubringen. Eine Einheit haben wir, eine wird gerade beschafft. Wir bräuchten viel mehr. In der aktuellen Situation könnten wir damit so viel besser helfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Zweites Beispiel: Spontanhelfer. Hochwasser, Geflüchtete unterbringen, wieder Hochwasser, die Ahrtal-Katastrophe. Jedes Mal heißt das Resümee: Es gibt Spontanhelfer, und wir haben nicht die Struktur, um zu verknüpfen, zu verbinden, sie richtig einzusetzen, sie abzulösen. – Und es kann ja nicht unser Anspruch sein, dass, wenn die staatliche Struktur kommt, wir dann schlechter sind als das, was ehrenamtlich aufgebaut worden ist.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja, das kann nicht sein, richtig!)

Das heißt, es ist notwendig, jetzt endlich zu den Spontanhelfern zu gehen, Lehren aus 2015 zu ziehen und sie auch mitzunehmen und umzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dann das Thema Anerkennung: In jeder Rede wurde den Helferinnen und Helfern gedankt. Ich weiß, dass sich viele darüber freuen. Ich weiß aber, dass viele mehr als warme Worte brauchen. Wir haben in unseren Koalitionsvertrag endlich die Helfergleichstellung aufgenommen, dass der Feuerwehrmann genauso behandelt wird wie die Helferin vom DRK. Wenn sie eine Nacht helfen und der eine den nächsten Tag zu Hause bleiben darf und die andere nicht, dann geht es so nicht. Wir brauchen die Helfergleichstellung jetzt demnächst.

(Beifall der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ehrenzeichen: Für 2015 und 2016 gibt es immer noch kein Ehrenzeichen. Das sind kleine Sachen, wo wir sagen müssen: Das ist Anerkennung und Wertschätzung. – Ich weiß, dass in den letzten Jahren gerade in meinem Wahlkreis viele Helferkreise gesagt haben: Wir wurden eher als Klotz am Bein wahrgenommen denn als Bereicherung. Das ändert sich jetzt hoffentlich, und das sollten wir dann auch so in Zukunft durchhalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürger und Bürgerinnen, lassen Sie uns das Ehrenamt und unseren Bevölkerungsschutz jetzt gemeinsam stärken und aus diesen Krisen lernen und da Geld investieren: für die Unterbringung, für die Wertschätzung, für die Helfergleichstellung.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für den Bundesrat gebe ich das Wort an den Kollegen Dr. Joachim Stamp.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)