Lukas Benner MdB
20.01.2023

Lukas Benner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bin in der Voreifel aufgewachsen, und aus meinem Kinderzimmer konnte man hinterm Wald in der Ferne die Kühltürme des Kraftwerks Weisweiler sehen. Unsere ganze Region ist geprägt durch die Tagebaue Inden, Hambach und Garzweiler.

Als ich klein war, haben meine Eltern immer gesagt: Das sind die Wolkenmaschinen, die machen das Wetter. – Aber wir müssen anerkennen, dass sich die Realität gewandelt hat. Heute erzählen Eltern ihren Kindern nicht mehr die romantische Geschichte von der Wolkenmaschine, sondern heute ist allen klar: Braunkohle ist ein absoluter Klimakiller.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Plobner [SPD] – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Haben die Märchen noch nicht aufgehört? Sie sind zu alt dafür! – Gegenruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mal ruhig sein da rechtsaußen?)

Vor diesem Hintergrund ist klar, dass ich es als Erfolg sehe, dass wir den Braunkohleausstieg im Rheinischen Revier auf 2030 vorgezogen haben. Man kann das kritisch sehen, man kann auch diskutieren, und vor allen Dingen kann man mehr einfordern und sagen, dass das nicht ausreicht. Aber für unsere Region ist das eins: ein Schlussstrich unter die Verstromung von Braunkohle im Rheinischen Revier.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])

Wenn wir einmal auf den März 2022 zurückschauen: Gerade da hat RWE das Urteil vor dem OVG Münster erhalten, dass die letzten Grundstücke in Lützerath Eigentum von RWE sind. Von dieser Ausgangslage her haben wir es gemeinsam mit NRW hinbekommen, den Braunkohleausstieg um acht Jahre vorzuziehen,

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das wisst ihr doch noch gar nicht! Das habt ihr beim Atomausstieg ja auch geglaubt!)

fünf Dörfer und drei Höfe zu retten. Das muss man als Erfolg deklarieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber – und das möchte ich an dieser Stelle so deutlich sagen – das reicht nicht für das 1,5‑Grad-Ziel. Das reicht nicht an Klimabemühungen für all unsere Ziele. Das reicht auch nicht, um sich hinzustellen und zu sagen: Wir haben es geschafft.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Ja, weil ihr lieber Kohle wollt statt Atom!)

Die Aufgabe, die vor uns steht, ist die Planungsbeschleunigung, ist, mit dem Ausbau der Erneuerbaren voranzukommen; denn das Ziel muss doch sein, dass die Kohle unter Lützerath nicht verfeuert wird, weil jedes Windrad, jede Wasserstoffanlage einen Beitrag dazu leistet, dass es sich nicht mehr lohnt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sie erzeugen Wasserstoff aus Kohlestrom derzeit! Sehr sinnvoll!)

Bei all dem Protest in und um Lützerath möchte ich noch einmal sagen, dass ein Großteil der Menschen vor Ort absolut friedlich gegen Braunkohle demonstriert hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Den Inhalt und das Ziel dieser Demonstrationen, dass wir mehr gegen die Klimakrise tun, teile ich, teilen wir und, ich glaube, teilt der Großteil von Ihnen auch.

(Beatrix von Storch [AfD]: Wir nicht! – Gegenruf des Abg. Sebastian Fiedler [SPD]: Ja, das ist klar!)

Aber wenn wir uns anschauen, was in Lützerath passiert ist, dann muss man auf der einen Seite sagen, dass ich sehr froh bin, dass der Innenausschuss des Landtags NRW sich die schrecklichen Bilder vom Samstag angeguckt hat, dass der Landtag von NRW da eine Aufarbeitung vornimmt

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Die ist schon abgeschlossen! – Beatrix von Storch [AfD]: Nix festgestellt!)

– danke, Herr Krings –; denn das, was wir gesehen haben, war im ersten Moment schockierend.

(Beatrix von Storch [AfD]: Da war nix schockierend! Außer die Gewalt von den Leuten! – Weiterer Zuruf von der AfD)

Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen, dass das, was von Aktivistinnen und Aktivisten rund um Lützerath passiert ist, angesprochen werden muss. In der Nacht zum Donnerstag voriger Woche wurden die Scheiben meines Wahlkreisbüros in Aachen eingeschmissen. Dort, wo wir sonst gemeinsam für Ziele kämpfen, wo wir gegen die Klimakrise angehen, wo wir für demokratische Mehrheiten kämpfen und wo wir immer für den Diskurs offen waren, lagen Scherben.

(Beatrix von Storch [AfD]: „Die Geister, die ich rief“! – Da können Sie mal sehen, wie uns das ständig geht!)

Die Ehrenamtlichen, die sich engagieren, sind eingeschüchtert und beängstigt von der neuen Art der Aggression.

Die Worte, die auch von Teilen der Aktivistinnen und Aktivisten zu hören waren, waren „Verrat“ und „Widerstand“. Ich möchte hier einmal aus der „Süddeutschen“ zitieren:

Widerstand leistet man gegen Unrechtsregime. Wenn Widerstand geboten ist, dann ist jedes Mittel recht. Im Streit um die Umsetzung politischer Ziele ist das die falsche Kategorie, auch, weil sie den Keim der Eskalation in sich trägt.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Richtig!)

Ich möchte sagen: Wer zum Widerstand aufruft, der benutzt ein Mittel, das die Demokratie zur Verteidigung von sich selbst in unser Grundgesetz geschrieben hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Wer die Grenze zu tätlicher Gewalt überschreitet, der verliert unser aller Solidarität. Man kann Gerichtsurteile kritisieren. Man kann sie für falsch halten. Und ja, unser Rechtsstaat hält es auch aus, wenn man sich der Polizei in den Weg setzt und friedlich weggetragen wird. Aber wer Gewalt anwendet, der verlässt den politischen Diskurs. Und uns alle, zumindest diese Hälfte dieses Hauses, macht doch aus, dass wir für die bessere Idee streiten, für den Diskurs und für ein Miteinander.

(Karsten Hilse [AfD]: Diese Hälfte? Also, in Mathe haben Sie auch versagt! Herrlich! – Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD – Gegenruf der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD]: Sie haben ja mal ein bestes Beispiel dafür gegeben!)

Ich bin in der Voreifel groß geworden. Aus meinem Fenster sehe ich immer noch die Kühltürme des Kraftwerks Weisweiler. Wenn ich mir vorstelle, was 2040 jemand sieht, der aus diesem Fenster guckt, dann wünsche ich mir, dass man Windenergieanlagen sieht, dass man sieht, wie wir Strom aus Wasserstoff gewinnen, wie wir Strom aus Sonne gewinnen, und wie wir es hinbekommen haben, dass NRW die erste klimaneutrale Industrieregion Europas geworden ist. – Machen wir uns auf den Weg!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Janine Wissler für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)