Rede von Dr. Ingrid Nestle Aktuelle Stunde „Möglicher Blackout im Winter“

Foto von Ingrid Nestle MdB
28.09.2022

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regierung nimmt die Situation auf den Energiemärkten und bei der Energieversorgung sehr ernst. Auch deshalb ist es so schändlich, dass Sie von der AfD dieses Thema, das für die Menschen im Land, für die Versorgungssicherheit, aber auch für die Preise so wichtig ist, gezielt für Desinformation nutzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es grenzt tatsächlich schon ein bisschen an Hohn, dass Sie dieses Thema jetzt heute hier in einer Aktuellen Stunde hochziehen.

(Stephan Brandner [AfD]: Wir waren flott! Sie haben gepennt! So geht das hier!)

Denn es gibt drei Krisen im Energiebereich, die gerade gleichzeitig Europa erschüttern.

(Stephan Brandner [AfD]: Die grüne Krise!)

Bei allen drei Krisen haben Sie gefordert, sie noch schlimmer zu machen. Ich gehe sie im Einzelnen durch: Es ist die große Energiekrise, die Europa derzeit erschüttert. Es ist der Angriffskrieg Putins, und es ist der Energiekrieg, den er gegen Europa führt.

(Zuruf von der AfD: Den führen wir!)

Es sind die Energiepreise, die er mit Absicht nach oben treibt. Es ist unsere Abhängigkeit von Putin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie von der AfD haben all die Jahre gefordert, die Abhängigkeit von Putin noch zu verstärken.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist doch totaler Stuss, und das wissen Sie!)

Wir säßen viel tiefer in der Krise, hätten wir auf Sie gehört.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Wir wollten Kernkraftwerke bauen und Kohlekraftwerke! Die Abhängigkeit haben Sie verursacht! Sie und Ihre Mischpoke! – Gegenruf des Abg. Timon Gremmels [SPD]: Hey, hey, hey! – Weiterer Gegenruf des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ruhig, Brauner!)

– Danke für das Stichwort. Ja, genau das ist das richtige Stichwort, das Sie nennen.

Die zweite große Krise,

(Stephan Brandner [AfD]: … steht am Rednerpult!)

in der die Energieversorgung Europas gerade ist, ist die miserable Verfügbarkeit der Atomkraftwerke in Frankreich. Die Atomenergie ist die zweite große Krise, die wir gerade haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Und da ist auch die AfD schuld, oder was?)

– Sie lachen und höhnen, weil Sie sich offensichtlich mit den Fakten nicht auseinandergesetzt haben. Sie haben ja noch nicht mal mitbekommen – so wie Sie sich gerade benehmen –, dass die Atomkraftwerke nur zur Hälfte laufen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Sie machen sich doch zum Vollidioten hier! Das ist ja nicht zu fassen! – Gegenruf des Abg. Timon Gremmels [SPD]: Hey! Das kann doch wohl nicht wahr sein! – Weiterer Gegenruf von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Frau von Storch, mit Beleidigungen ist man nicht überzeugender.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Das ist eine Tatsache! Entschuldigung!)

Sie können Zwischenrufe machen – das ist ja auch normal –, aber nicht mit Beleidigungen.

(Stephan Brandner [AfD]: Ihr liegt Deutschland sehr am Herzen! – Beatrix von Storch [AfD]: Sie können das gerne anzeigen!)

– Frau Kollegin Storch, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Timon Gremmels [SPD]: Der zweite heute! Zwei an einem Tag! Toll!)

Dr. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Mehr als Beleidigungen ist da nicht zu holen. – Die dritte große Krise, die die Stromversorgung Europas derzeit in Atem hält,

(Stephan Brandner [AfD]: … die sitzt im Wirtschaftsministerium! Heißt Habeck!)

ist die Klimakrise. Noch nie hatten wir so eine schlechte Verfügbarkeit der Wasserkraft in Europa. Noch nie hatten wir eine solche Dürre. Die Dürre ist extremer, als sie in den extremsten Szenarien bisher angenommen worden ist, weil die Klimakrise da ist, weil eben die Welt nicht mehr ist wie vorher, weil die Klimakrise auch die Stromversorgung im Wasser-Strom-Bereich reduziert hat.

(Stephan Brandner [AfD]: Frau Scheer hat gerade erklärt, man könnte nicht in die Zukunft gucken!)

Und Sie? Sie haben uns all die Jahre immer gepredigt, dass wir nicht auf die Klimakrise achten sollten, dass es sie entweder nicht gibt oder sie nicht menschengemacht ist, dass wir jedenfalls blind reinlaufen sollen. Hätten wir auf Sie gehört, wir säßen noch viel tiefer in der Patsche.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Zu dieser Kampagne der Desinformation passt, was Sie gerade abgezogen haben. Sie verweisen auf das Papier des DIHK, das gerade eben verteilt worden ist, und tun so, als würde das Ihre Position treffen. Sie versuchen, eine ernste, eine ehrliche, eine gute, eine wichtige Organisation für Ihre Ziele zu vereinnahmen.

(Stephan Brandner [AfD]: Machen Sie ja nie!)

Ich will nur einen Punkt herausgreifen: Hier steht, der Ausbau der erneuerbaren Energien muss viel schneller kommen! Hier steht, die Windkraftanlagen werden viel zu oft abgeschaltet! Erst heute im Ausschuss haben Sie sich beklagt, weil wir genau das ändern,

(Stephan Brandner [AfD]: Jetzt regen Sie sich erst mal ein bisschen ab hier!)

weil wir genau die Forderungen des DIHK umsetzen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU])

Sie haben dagegen gesprochen! Sie haben uns dafür kritisiert, weil Sie eben nicht hinter diesen Forderungen stehen!

(Stephan Brandner [AfD]: Kommen Sie mal wieder runter!)

– Kommen Sie mal wieder runter!

(Stephan Brandner [AfD]: Sie sind ja schlimmer als Frau von Storch!)

– Ich habe so den Eindruck, Sie haben hier auch schon manchmal ganz schön rumgebrüllt.

Ja, es gilt, Flagge zu zeigen. Es gilt, Flagge zu zeigen, wenn Sie dieses Land mit Desinformation überziehen, weil wir in einer wirklich ernsten Lage sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen haben wir diese Regierung. Und ja, wir ziehen alle Register. Wir haben das größte Paket mit erneuerbaren Energien aller Zeiten aufgelegt. Auch diese Woche kommt noch mehr Windstrom dazu. Es kommt noch mehr Biomassestrom dazu, es kommt mehr Solarstrom dazu, alles im Energiesicherungsgesetz. Wir haben die Kohlekraftwerke wieder an den Markt gebracht. Wir haben die LNG-Terminals reingebracht. Wir haben nochmals nachgeschärft bei den Kohlekraftwerken, selbst bei den Atomkraftwerken.

(Stephan Brandner [AfD]: Das heißt „Kernkraftwerke“!)

Sie haben die Versorgungssicherheit beim Strom angesprochen. Sie können sich vorstellen, wie schwer uns das fällt. Selbst da haben wir gesagt: In einer Notreserve ist es denkbar, um die Versorgungssicherheit beim Strom aufrechtzuerhalten. Wir haben den Ausbau der Netze vorangebracht. Wir haben auf den Weg gebracht, dass die Bestandsnetze in diesem Winter noch stärker ausgenutzt werden können.

(Tino Chrupalla [AfD]: Ihr seid die Besten!)

Wir haben Putin ausgebremst, als er mit Gazprom Germania unsere Stromkunden ins Minus drücken wollte.

(Tino Chrupalla [AfD]: Ihr seid spitze!)

Ja, wir haben gehandelt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein ums andere Mal haben wir gehandelt. Was Sie bringen, ist Desinformation.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Tino Chrupalla [AfD]: Sie sind die Besten!)

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Die hatten Sie!)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte aber trotzdem nicht versäumen, Sie an diesem Nachmittag zu begrüßen.

(Stephan Brandner [AfD]: Hallo, Frau Präsidentin!)

Jetzt erhält das Wort der Kollege der FDP-Fraktion, Konrad Stockmeier.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)