Rede von Boris Mijatović Aktuelle Stunde „Naturkatastrophen in Marokko und Libyen“
Boris Mijatović (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Punkte zur katastrophalen Lage in der Flutregion in Libyen und der Erdbebenregion in Marokko sind bereits benannt worden. Ich möchte zu Beginn ganz nach vorne stellen, dass ich mich den Bildern, die Sie, Herr Dr. Diaby, genannt haben, die Grausames demonstrieren und zeigen, mit Anteilnahme im Namen meiner Fraktion und im Namen des ganzen Hauses anschließe.
Was ich besonders wichtig finde: Es sind eben nicht nur internationale Kräfte, es sind vor allen Dingen auch nationale Kräfte, die sich in Solidarität mit Libyen aufmachen. Das finde ich besonders bemerkenswert. Frau Dr. Kofler, Sie hatten es benannt; ich gehe darauf gleich noch näher ein. Der Dank gilt allen Einsatzkräften. Bei Katastrophen zusammenzustehen, ist ein urmenschliches Bedürfnis, und das dürfen wir nicht unterschätzen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Entscheidend ist aber im Augenblick, dass die Hilfe in diesen Regionen auch wirklich ankommt, dass humanitär gearbeitet werden kann. Die Einsatzkräfte leisten da herausragende Arbeit. Und das Budget im Bereich der humanitären Hilfe – wir werden es in den Haushaltsberatungen sicher noch thematisieren – ist per se nie falsch angelegtes Geld. Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Budget zum Gegenstand von Reduktionen wird. Gerade bei dieser Flutkatastrophe sehen wir, wie wichtig es ist. Und – das ist eben von der Kollegin Sthamer schon genannt worden – weitere Katastrophen im Gesundheitsbereich liegen vor uns. Wir müssen mittelfristig an der Trinkwasserversorgung arbeiten. Daher ist es wichtig, das zu betonen, was Frau Staatsministerin Keul gesagt hat. Diese Erkenntnis liegt im Auswärtigen Amt vor, und wir sind dort mit den Abteilungen ebenfalls im Einsatz.
Die EU hat das Katastrophenschutzverfahren aktiviert. In Libyen zeichnet sich, eben genannt, die nächste Katastrophe ab. Es ist wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass in Derna tatsächlich wichtige Maßnahmen an den Staudämmen nicht ergriffen wurden, nicht weil das Geld fehlte, sondern weil die Strukturen fehlen. Hier ist es, glaube ich, unerlässlich, zu betonen, dass wir mit humanitärer Hilfe neue Strategien verfolgen.
Ich würde gerne vorausschauend auf die künftige Arbeit hinweisen. Bereits 2012 wurde die Integrität beider Staudämme angemahnt und gefordert, dass daran gearbeitet werden müsse. Wir haben es nicht geschafft, lokal zu handeln. Lokalisierungsstrategie ist eine Strategie in der humanitären Hilfe, und die bedeutet, vor Ort zu sein. Wenn Sie eben Frau Kofler zugehört haben, dann werden Sie bemerkt haben: Sie hat genau das im Bereich des Gesundheitswesens, der Infrastruktur, des Stroms beschrieben. Wir sind vor Ort und helfen lokal den Einrichtungen, sich selbst fit zu machen, nicht einer korrumpierten staatlichen Führung, sondern vor Ort Strukturen und Menschen. Wir haben es bei den Staudämmen eben nicht geschafft; das gehört zur Wahrheit dazu. Dass die Menschen in der Form leiden, hat was mit einem generelleren Versagen zu tun, und da greift mir der Begriff „Failed State“ viel zu kurz.
Ich würde gerne zwei Themen aufgreifen, die für uns in den Diskussionen um humanitäre Hilfe sehr, sehr wichtig sind:
Erstens. Wenn Katastrophen eingetreten sind, dann gilt es, umfassend zu helfen. Wenn wir dann schauen, was in Libyen notwendig ist, dann stellen wir fest, dass die Ausstattung unseres THWs und unserer Krisenkräfte sehr, sehr wichtig ist, weil vor Ort wenig Infrastruktur vorhanden ist. Das heißt, wir können manche Dinge gar nicht kurzfristig machen, sondern wir müssen dort mittel- und langfristig planen.
Zweitens. Der Bedarf an Katastrophenhilfe wird zunehmen. Frau Keul hat es benannt: Wetterextreme, also Ereignisse wie Starkregen und der Sturm „Daniel“, der auf 600 Kilometern Küstenlinie niederregnete und sich durch ein extrem warmes Mittelmeer nochmals aufgeladen hatte, nehmen zu. Hier müssen wir uns langfristig aufmachen, genau diese Ereignisse zu antizipieren. Deswegen brauchen wir in der humanitären Hilfe die Mittel für eine vorausschauende Arbeit, sodass wir dann, wenn es gebraucht wird, auch reagieren können.
Fazit aus Punkt eins: Wir müssen uns auf den Zuwachs von Aufgaben einstellen, Stichwort „globale Erwärmung“. Wir müssen unsere Rettungskräfte entsprechend ausstatten. Und wir müssen auch in der internationalen Zusammenarbeit für Kooperation werben. Völkerrecht ist an der Stelle keine Ideologie, wenn ich das mal so platt formulieren darf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Fazit Nummer zwei – und das ist mir ganz wichtig –: Wir müssen vorausschauend handeln, und zwar bevor Katastrophen eintreten. Prävention in der humanitären Hilfe ist entscheidend. Ich sagte es eben: Eine starke lokale Zivilgesellschaft kann erreicht werden, und wir müssen sie erreichen. Es gibt verschiedene Ansätze in der Zusammenarbeit mit UN OCHA, mit anderen internationalen Organisationen. Wir dürfen nicht erst dann überplanmäßig reagieren, wenn die Katastrophe passiert ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns deswegen gemeinsam dafür streiten, dass wir als zweitgrößter Geber der Welt in der humanitären Hilfe unsere Arbeit hier gut fortsetzen können.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Für die SPD-Fraktion hat das Wort Sanae Abdi.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)