Rede von Markus Kurth Aktuelle Stunde „Rentenanpassung Ost/West“

Foto von Markus Kurth MdB
21.06.2023

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen! Lieber Max Straubinger, es stimmt, dass ich 2017, was die Rentenfinanzen anbelangt, von diesem Pult aus düsterere Prognosen aufgezeigt habe, als es nachher eingetreten ist.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da warst du aber nicht der Einzige! Viele andere auch!)

Ich habe für mich aber auch nicht in Anspruch genommen, Wahrsager zu sein. Man kann Prognosen für und Projektionen in die Zukunft natürlich nur auf Basis der gegenwärtigen Annahmen machen. Insofern freue ich mich jetzt, dass das nicht so eingetreten ist, sondern wir sowohl eine gut gefüllte Rücklage als auch einen hohen Beschäftigungsstand haben. Und da wir in den letzten Jahren bessere Lohnabschlüsse im Osten hatten als im Westen, ist es jetzt möglich, nicht nur eine positive Rentenerhöhung, sondern auch eine vorzeitige Angleichung der beiden Rentenwerte zu vollziehen. Der Kollege Peter Weiß, rentenpolitischer Sprecher in den letzten Legislaturperioden, hätte gesagt: Das ist ein guter Tag für die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ingmar Jung [CDU/CSU]: Ja! Genau! Sehr gut! Immer die großen Namen nennen!)

Und er hätte recht gehabt.

Die Tatsache, dass ich mich geirrt habe und meine Prognosen zu schwarzmalerisch gewesen sind, sollte Ihnen, Max Straubinger, jetzt allerdings zu denken geben, von hier aus selbst solche Negativszenarien zu entwerfen.

(Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Die Tatsache, dass man in der Opposition ist, scheint einen an diesem Pult in eine bestimmte Richtung zu drängen. Sie sollten, wenn Sie Prognosen treffen, gucken, welche Grundsteine wir legen, um einen guten Beschäftigungsstand auch in Zukunft zu sichern. Kerstin Griese hat schon einiges genannt: Fachkräfteeinwanderungsgesetz, Weiterbildungsgesetz. Ich will mit Blick auf das Lohnniveau im Osten besonders das Tariftreuegesetz betonen; denn Tariflöhne sind gute Löhne, und das bedeutet später auch solide Rentenfinanzen und gute Renten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Wenn wir den Disruptionsprozess, den Strukturbruch betrachten, den die Jahre nach 1990 für die neuen Bundesländer bedeutet haben und der für viele eine existenzielle Erfahrung von Verlust, sozialer Unsicherheit und dergleichen war, müssen wir rückblickend konstatieren, dass sich das Umlagesystem in dieser so extremen Phase hervorragend bewährt hat. Ich glaube, das kann man gar nicht hoch genug einschätzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])

Im „Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung“ schreibt Gerhard Ritter:

Bei der Vereinigung hat sich das Umlageverfahren in der GRV bewährt. Die Übernahme der Rentner in die Solidargemeinschaft der bundesdeutschen Rentenversicherung wäre nicht möglich gewesen, wenn statt diesem Verfahren, in dem die Renten aus den laufenden Beitragseinnahmen der Versicherten bezahlt werden, ein Kapitaldeckungsverfahren – wie in jeder Privatversicherung – bestanden hätte.

Richtig ist es; recht hat er. Er schreibt weiter:

Für eine lange Übergangszeit hätten …

– bei einem Kapitaldeckungsverfahren –

bis zum Aufbau eines eigenen Kapitalstocks durch die Rentner des Ostens diese Renten allein vom Staat gezahlt werden müssen. Das hätte zwangsläufig zu sehr viel niedrigeren Renten geführt …

Wenn wir uns angucken, worauf wir uns systemisch in der großen Breite verlassen, dann dürfen wir nicht vergessen, dass das Umlageverfahren gerade bei einem so großen Risikokollektiv, wie es die Deutsche Rentenversicherung darstellt, absolut überlegen ist. Es hat sich, historisch betrachtet, gerade in der Umbruchzeit der 90er-Jahre, die für die ostdeutschen Bundesländer hart genug waren, sehr bewährt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Manfred Todtenhausen [FDP] und Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wo er recht hat, hat er recht!)

In diesem Sinne macht es, glaube ich, nicht viel Sinn, wie Max Straubinger zu unken, auch wenn man die Risiken natürlich nicht vernachlässigen darf. Wir werden über die Arbeitsmarktstärkung weiterhin dafür sorgen, dass es in diesem Land eine sichere Altersversorgung gibt. Dazu gehört natürlich auch Zuwanderung; auch das muss ich noch mal klarmachen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist nicht der einzige Punkt; es geht beispielsweise auch darum, Geflüchteten eine berufliche Perspektive zu geben. Da möchte ich zum Abschluss meiner Rede Dänemark als mahnendes Beispiel nennen. Die wollen das Renteneintrittsalter bis 2075 auf 75 Jahre erhöhen.

(Zuruf von der SPD: Wie die CDU!)

Dänemark schottet sich nach außen ab; die wollen gar keine Zuwanderung. Das ist der Preis, den die Dänen dafür zahlen. Wir werden dafür sorgen, dass es in Deutschland gerechter zugeht.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Max Straubinger [CDU/CSU]: Herr Kurth, ist das euer Vorbild? Dänemark?)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Ulrike Schielke-Ziesing ist die nächste Rednerin für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)