Rede von Michael Kellner Aktuelle Stunde „Solarindustrie“

Michael Kellner
12.04.2024

Michael Kellner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Free to go green“ stand auf den Spaten, mit denen Ministerpräsident Haseloff und ich an diesem Montag die ersten Schippen Sand auf dem Gelände der zukünftigen Gigafactory von Tesvolt ausgruben. In Wittenberg werden bereits Energiespeicher – übrigens kombiniert mit Solaranlagen – hergestellt. Die neue Gigafactory wird weitere 400 zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.

Ins Leben gerufen wurde das Unternehmen vor zehn Jahren von zwei Visionären aus Wittenberg, die die Energiewende nicht nur in ihrer Region, sondern auf der ganzen Welt vorantreiben. Durch den Vorsprung bei den erneuerbaren Energien und die verfügbare Fläche besitzt Ostdeutschland dabei besonders gute Standortfaktoren, was nicht nur die Expansion von Tesvolt belegt, sondern auch die Ansiedlung von Tesla in Grünheide, Intel in Magdeburg oder TSMC in Dresden zeigen.

Doch es gibt neben den Erfolgen auch schwierige Entwicklungen. Wir sind uns der ernsten Lage der Solarbranche sehr bewusst. Wir stehen dazu in einem intensiven Austausch mit der Branche, insbesondere mit den in Ostdeutschland produzierenden Unternehmen. Mein Ziel bleibt, die Solarindustrie in unserem Land zu erhalten. In Sachsen und Bayern haben wir mit Wacker einen Hersteller von hochreinem Polysilizium. Also am Anfang der Wertschöpfungskette sind wir stark.

Es fehlen dann aber die Zwischenprodukte – jetzt wird es vielleicht ein bisschen technisch – von Ingots und Wafern bis zu Zellen und Modulen. Doch es geht in der Debatte eben nicht nur um die Modulherstellung, sondern es geht auch darum, dass wir eine Unabhängigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette haben, zumindest unabhängiger von China sind. Die Produktion von Photovoltaikanlagen muss in Europa und Deutschland genauso möglich sein wie die Herstellung von Wärmepumpen und Windrädern. Erst durch eigene Produktionskapazitäten stärken wir unsere Widerstandsfähigkeit und unseren industriellen Kern.

Aber bevor wir noch mal über die Produktion reden, lassen Sie uns auf die Zahlen zum Solarausbau schauen. Im Jahr 2023 wurden knapp 15 Gigawatt installiert, geplant waren 9. Wir haben die Planung also deutlich übertroffen. Im Vergleich zu den Jahren davor haben wir sie verdreifacht. Das ist ein großer Erfolg. Darauf können wir gemeinsam stolz sein. Aber wir werden uns darauf nicht ausruhen. Ab dem Jahre 2026 brauchen wir einen Ausbau um 22 Gigawatt Photovoltaik im Jahr, um das Ziel von 80 Prozent Erneuerbaren im Strom bis 2030 zu schaffen. Dafür brauchen wir eine starke Solarbranche in diesem Land. Ich sage Ihnen: Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ein wichtiger Baustein für die Erreichung der Ausbauziele ist das Solarpaket. Im Dezember letzten Jahres haben sich die Koalitionsfraktionen auf einen ersten Teilbeschluss verständigt und ihn durch den Deutschen Bundestag gebracht. Jetzt brauchen wir den zweiten Teilbeschluss, um das Solarpaket in seiner vollständigen Kraft für mehr Entbürokratisierung auf den Weg zu bringen, zum Beispiel bei Balkon-PV, Erleichterung bei Mieterstrom und großen Solaranlagen auf Gewerbeimmobilien. Wir brauchen die Beschleunigungsmaßnahmen dringend. Deshalb meine Bitte an die Fraktionen, hier schnell zu einem Beschluss zu kommen.

Ich komme zurück zu der Frage der industriellen Produktion von Solar in Deutschland und damit zum schwierigeren Teil der Rede. Die Branche ist in einer sehr angespannten Lage. Ich sehe das bei Meyer Burger oder der Glasmanufaktur in Brandenburg. Es ist bitter, dass Meyer Burger Ende Februar die Schließung des Werkes in Freiberg bekannt geben musste. Ende März wurden 400 Mitarbeitende gekündigt. Das bedauere ich sehr. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung die grundsätzliche Übernahme einer Exportgarantie zugesagt hat. So bleiben Arbeitsplätze und Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in Sachsen und Sachsen-Anhalt erhalten. Ich möchte aber deutlich sagen, dass ich mir mehr gewünscht hätte: einen Resilienzbonus im Solarpaket. Dass es den braucht, ist für mich sonnenklar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Konrad Stockmeier [FDP]: Für uns nicht!)

– Ich weiß, dass wir da eine Diskussion haben; aber ich möchte damit einfach aus meiner Sicht argumentieren.

Ja, das wird Geld kosten; das ist richtig.

(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Verbrannt!)

Aber Resilienz gibt es nicht umsonst, Herr Dr. Wiener.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist gut investiertes Geld, damit wir die Zukunft der Energieversorgung in den eigenen Händen halten und selbstbestimmt entscheiden können. Das hat uns doch die Pandemie mit Blick auf unsere Gesundheitspolitik deutlich gemacht. Das hat der Angriffskrieg Russlands mit Blick auf unsere Energieversorgung gezeigt. Damit Sie mich nicht missverstehen: Wir müssen nicht autark werden; aber wir müssen jederzeit in der Lage sein, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen, wir müssen die entsprechenden Technologien haben und Produktionsstätten skalieren können. Wir in Deutschland und Europa sollten unseres eigenen Glückes Schmied sein. Wir sollten nicht den Fehler der 2010er-Jahre wiederholen, als uns schon mal die Industrie weggebrochen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb setzen wir auf eine Vielzahl von Instrumenten, national und auf EU-Ebene.

Lassen Sie mich einige nennen. Es bestehen neue Spielräume im europäischen Beihilferecht. Die nutzen wir so, dass nun neue gewerbliche Investitionen in die Solarindustrie in Ostdeutschland gefördert werden können. In der Kreditfinanzierung gibt es für Unternehmen erweiterte Möglichkeiten. Die KfW hat die Finanzierungsbedingungen für Projekte in der Photovoltaikindustrie noch mal verbessert, speziell im Rahmen des KfW-Programms „Klimaschutzoffensive für Unternehmen“; es startet nächste Woche. Außerdem hat das BMWK letztes Jahr ein Interessenbekundungsverfahren zur Förderung von PV-Leuchtturmprojekten gestartet. Dabei handelt es sich um eine Investitionsförderung, zum Beispiel für die Herstellung von Modulen, Ingots und Wafern. Wir wollen dieses Programm trotz aller Haushaltsrestriktionen zügig umsetzen, benötigen hier aber die hälftige Kofinanzierung der Länder.

Der vielleicht wichtigste Punkt ist der europäische Net-Zero Industry Act. Auch wenn wir uns national bisher nicht auf Resilienzmaßnahmen einigen konnten: Die EU sieht vor, dass bis 2030 40 Prozent der Nettonulltechnologien in der EU produziert werden sollen, also auch Solar. Dazu sind Resilienzausschreibungen bei erneuerbaren Energien, also auch bei Solar, vorgesehen. Das wird die deutsche und europäische Solarindustrie stärken. In Kürze treten diese Regeln auf europäischer Ebene in Kraft. Wir haben dann 18 Monate Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Ich würde vorschlagen, dass wir nicht diese 18 Monate nutzen, sondern dass wir bei der Umsetzung schneller sind, weil die Situation dringlich ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir werden also weiter daran arbeiten, die Solarindustrie im Land zu halten, sie zu stärken, um Resilienz und Arbeitsplätze zu sichern; denn dann wird es noch viel mehr von diesen guten Nachrichten geben. Kommenden Montag wird in Sachsen in der Nähe von Dresden die weltweit größte Produktionsstätte für sogenannte PVT-Module eröffnet; das ist eine Kombination aus Solartechnologie und Thermomanagement. Sachsen wird als Technologiestandort gestärkt, neue Arbeitsplätze entstehen. Ich freue mich sehr auf diesen Termin.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam weiter an der technologischen und energiepolitischen Souveränität Deutschlands und Europas arbeiten, indem wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen! Ich hoffe dabei auf die Unterstützung verschiedener Akteure auch hier im Hohen Haus.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Gerald Ullrich für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)