Rede von Sascha Müller Aktuelle Stunde „Steuerskandal Warburg"

Sascha Müller MdB
13.10.2022

Sascha

Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Er gehört sicher zu den größten Fällen von Steuerskandalen in der Geschichte der

Bundesrepublik Deutschland: der Steuerraub, der mit den Schlagworten Cum-ex und Cum-cum bekannt wurde. Vermutlich geht es allein im Fall Cum-ex um über

10 Milliarden Euro. Der Gesamtschaden für die öffentliche Hand kann bis heute nur geschätzt werden. Es handelt sich also direkt um einen Griff in die Kasse der

Steuerzahler/-innen.

Eine Reihe von Menschen hat Mut und Hartnäckigkeit bewiesen, damit dieser Fall am Ende aufgeklärt werden konnte. Ihnen gilt unser besonderer Dank. Ich

möchte in meiner Rede die Zeit nutzen, einigen zu danken.

Da wären zuallererst die Whistleblower, die trotz des Risikos beruflicher Nachteile die Behörden und die Öffentlichkeit mit Informationen versorgt

haben und die so vieles in Gang gesetzt haben, was ansonsten vermutlich unter der Decke geblieben wäre. Sie konnten zeigen, wie umfassend das Problem Steuerraub

ist und welche Lücken gestopft werden müssen. Genau deshalb arbeitet diese Koalition auch an einem Gesetz zum besseren Schutz von Whistleblowern. Es wurde

Zeit.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Es waren weiterhin die Betriebsprüferinnen und ‑prüfer in der Finanzverwaltung, die bei diesen kapitalertragsteuergetriebenen Geschäften drangeblieben

sind, sich in die komplizierte Materie reingefuchst haben und am Ende nach jahrelanger Kleinstarbeit genug Material zusammengestellt haben, um die

Anschuldigungen gerichtsfest machen zu können. In einigen Fällen benötigte es sage und schreibe sieben Jahre Betriebsprüfung, bis ein Strafverfahren eröffnet

werden und so der Plünderung der Staatskasse Einhalt geboten werden konnte. Danke, dass Sie drangeblieben sind.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein großer Dank gilt auch den Parlamentariern, die sich in diesem Haus in einem Untersuchungsausschuss intensiv um die Aufklärung der Vorgänge

gekümmert haben. Für uns Grüne möchte ich besonders unseren ehemaligen Kollegen Dr. Gerhard Schick nennen, der heute an anderer Stelle wichtige Arbeit für ein

transparentes Finanzsystem und einen großen Einsatz gegen Steuerbetrug leistet. Danke auch an den Untersuchungsausschuss in der Hamburger Bürgerschaft, der sich

ohne Rücksicht auf Personen ebenfalls intensiv um Aufklärung bemüht.

Ein großes Dankeschön geht an Correctiv

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

und, ja, natürlich auch an Oliver Schröm. Es ist für mich – ich war selbst sehr lange journalistisch tätig – schwer erträglich, dass gegen Herrn

Schröm wegen seiner damaligen Recherche juristisch vorgegangen wurde. Eine weitere juristische Strafverfolgung ist – ich muss ja fast sagen: glücklicherweise –

im Sand verlaufen, als Jahre später Ermittlungen gegen die Redakteurinnen und Redakteure der „Financial Times“ aufgenommen wurden, die im Fall Wirecard

Ungereimtheiten aufdeckten.

Um es klar zu sagen: Eine aufmerksame, mitunter unbequeme und kritische Berichterstattung ist für eine funktionierende Demokratie sehr wichtig, etwa

bei der mühsamen Aufarbeitung von Cum-ex, auch wenn zuweilen, wie in einem gerade zitierten, neu erschienenen Buch, Bilder von uns Politikerinnen und Politikern

gezeichnet werden, die wir nicht teilen müssen, aber die wir aushalten müssen. Ich bin mir sicher: Die Beteiligten bzw. der Beteiligte wird das aushalten.

Wir als Ampelkoalition haben ein gemeinsames Interesse. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Aufklärung aller noch offenen Fragen, und wir

unterstützen das. Kollege Schrodi hat schon darauf hingewiesen: Gerade treiben wir, auch wir als Ampelfraktionen, im Finanzausschuss gemeinsam voran, dass ein

Protokoll aus dem Finanzausschuss vom Ende der letzten Legislaturperiode entstuft wird.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Das war der Antrag der Unionsfraktion!)

Wir wollen das, und wir wirken auch gemeinsam darauf hin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ihr seid herzlich eingeladen, zuzustimmen!)

Es geht unter anderem auch um die Warburg Bank. Ich möchte einmal kurz in Erinnerung rufen: Die Warburg Gruppe betrieb Cum-ex-Deals in Eigenhandel.

Sie ließ sich so Steuern erstatten. Schließlich erklärte der Bundesgerichtshof im Juli letzten Jahres, dass die Warburg Bank dem Bund 176 Millionen Euro für

Cum-ex-Geschäfte zurückzahlen muss.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein solcher Fall darf sich in Deutschland nie wieder ereignen. Cum-ex-Geschäfte sind in

Deutschland strafbar. Steuerraub kann gestoppt werden, und er wird gestoppt werden. Es geht schließlich um das Geld der Menschen hier; es geht um unser

Gemeinwohl. Wir brauchen dazu Schutz für Whistleblower, bestmöglich ausgestattete Finanzverwaltungen und Ermittlungsbehörden und natürlich auch gute Gesetze,

damit die Behörden ihrer Arbeit nachgehen können. Es geht um das Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Christian Görke, Fraktion Die Linke.