Rede von Beate Müller-Gemmeke Aktuelle Stunde „Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst“

Foto von Beate Müller-Gemmeke MdB
02.03.2023

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier schon öfter über Tarifverhandlungen geredet, und jedes Mal habe ich darauf hingewiesen, dass Tarifverhandlungen eigentlich kein Thema für den Bundestag sind. Tarifverhandlungen sind Sache der Tarifpartner. Und doch ist diese Debatte heute gut; denn nach den Streiks von Verdi gab es gleich wieder Stimmen aus der Union, der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, etwa von Kollegin Connemann, die wieder ganz tief in die Mottenkiste gegriffen haben und das Streikrecht einschränken wollen. Das geht gar nicht. Das ist in keiner Weise akzeptabel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

In Artikel 9 unseres Grundgesetzes steht aus gutem Grund und sehr eindeutig, dass sich alle Menschen in Gewerkschaften organisieren und für gute Arbeitsbedingungen einsetzen können. Das Streikrecht ist genau dort, im Grundgesetz, verankert, auch wenn es nicht wortwörtlich erwähnt wird. Es ist ein wichtiges Instrument, damit die Gewerkschaften auf Augenhöhe Tarifverhandlungen führen können. Oder wie es das Bundesarbeitsgericht einmal formuliert hat: Tarifverhandlungen ohne Streikrecht wären nichts anderes als kollektives Betteln. Das gilt auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Das sollten Sie, die Union, endlich mal akzeptieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Außerdem gibt es beim Arbeitskampf ausreichend gerichtliche Kontrollinstanzen, die unverhältnismäßige Streiks beenden bzw. unterbinden können. Abgesehen davon ist Deutschland immer noch ein vergleichsweise streikarmes Land. Daran ändern auch die Streiks im öffentlichen Dienst, bei der Post oder an Flughäfen nichts. Für die Hysterie und den wiederholten reflexartigen Ruf nach Einschränkungen beim Streikrecht gibt es überhaupt keinen Grund. Hören Sie also endlich damit auf!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber jetzt zu den Tarifverhandlungen. Ich hoffe, es kommt zu einem wirklich guten Tarifabschluss; denn die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind wichtig: in der Pflege, in der Familienhilfe, in kommunalen Kitas, im Krankenhaus, auf dem Bauhof, bei der Müllabfuhr, in der Verwaltung. Sie alle halten das gesellschaftliche Leben am Laufen, auch während einer Pandemie. Deshalb haben die Beschäftigten Wertschätzung und Anerkennung verdient. Das bedeutet: Sie müssen angemessen, fair und gerecht entlohnt werden.

Das gilt natürlich ganz besonders in Zeiten von Inflation und hohen Energiepreisen. Ich werde mich hier nicht für eine bestimmte Prozentzahl starkmachen. Aber ich hoffe, dass sich die Tarifpartner auf einen relevanten Mindestbetrag einigen; denn im öffentlichen Dienst gibt es schon viele Menschen, die nicht wirklich üppig verdienen, und gerade sie müssen von diesen Tarifverhandlungen profitieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bei den Tarifverhandlungen geht es um Wertschätzung – das habe ich schon gesagt –, aber auch grundsätzlich darum, dass der öffentliche Dienst als Arbeitgeber attraktiv ist. Das ist eine Antwort auf den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel. Deshalb bin ich auch sicher, dass die Tarifpartner am Ende eine gute Lösung, einen guten Abschluss verhandeln werden.

Zum Schluss komme ich noch mal zum Thema Streik, und zwar im doppelten Sinne. Morgen, am 3. März, gibt es einen gemeinsamen Aktionstag von Verdi und Fridays for Future. Sie kombinieren den globalen Klimastreik mit Warnstreiks im öffentlichen Personennahverkehr. Gemeinsam kritisieren sie die Arbeitsbedingungen im ÖPNV. Dabei geht es um niedrige Löhne, Arbeitszeiten, Stress und vor allem um den eklatanten Personalmangel, der sich in Zukunft weiter verschärfen wird, aber das Personal schon heute stark belastet. Genau hier muss sich unbedingt etwas verändern.

(Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)

Gleichzeitig fordern sie mit einer gemeinsamen Erklärung, dass die Emissionen im Verkehrssektor endlich gesenkt werden und dass Gelder für neue Autobahnen in emissionsärmere Mobilität umgeleitet werden. Sie fordern gemeinsam eine echte Mobilitätswende als Antwort auf den Klimawandel, verbunden mit Investitionen in die Beschäftigten, also Investitionen in gute Arbeit. Genau so muss es sein. Klimaschutz geht nur ökologisch und sozial. Deshalb sind wir von diesem Aktionstag begeistert. Ich hoffe, dass sich morgen viele daran beteiligen werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der nächste Redner ist Kay Gottschalk für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)