Rede von Stephanie Aeffner Aktuelle Stunde „Tarifverträge bei Vestas“
Stephanie Aeffner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Ende der Flaute in Sicht“ – so titelte die „taz“ im April dieses Jahres. Wir haben endlich einen deutlichen Zuwachs beim Ausbau der Windenergie. Eine wachsende Branche mit guten Zukunftsaussichten ist die beste Voraussetzung für gute Arbeitsbedingungen. Doch ein Ende der Flaute ist auch beim Kampf der Beschäftigten des dänischen Windkraftanlagenherstellers Vestas dringend nötig; denn sie kämpfen für einen Haustarifvertrag. Doch von Anfang an.
Klimaschutz und Energiewende sind ein Jobmotor. Joe Biden sagt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „When I hear the words climate change, I hear the word jobs.“ Energiewende und gute Arbeit gehören zusammen. Für uns ist es wichtig, dass Beschäftigte tariflich bezahlt werden und im Unternehmen mitbestimmen können. Das gilt für alle Branchen, natürlich auch für die grünen Zukunftsbranchen.
Bei den Windenergieanlagenbauern gibt es einige Beispiele für eine funktionierende Sozialpartnerschaft; viele Zulieferer sind tarifgebunden. Anders sieht es bei der deutschen Tochterfirma des dänischen Windkraftanlagenherstellers Vestas aus. Dort streiken die Beschäftigten jetzt seit über 100 Tagen. 100 Tage Streik – das bedeutet Überzeugung, Kraft und viel Engagement. Dafür haben die Vestas-Beschäftigten Anerkennung und Respekt verdient.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Muhanad Al-Halak [FDP])
Sie kämpfen mit Recht für einen Haustarifvertrag. Wir sind solidarisch und wünschen ihnen einen langen Atem und viel Erfolg.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Muhanad Al-Halak [FDP])
In Zeiten des Fachkräftemangels konkurrieren Unternehmen um ein knappes Gut. Langfristige Perspektiven in einer gesunden Branche sind wichtig, damit Menschen hier ihre berufliche Zukunft sehen. Genau dafür haben wir als Ampelregierung gesorgt, obwohl wir ein schweres Erbe angetreten haben. Mindestens 60 000 Jobs sind in der Windkraftbranche von der Vorgängerregierung zerstört worden. Bis 2021 ging die Klimaleugnerlobby Vernunftkraft im Bundesministerium für Wirtschaft ein und aus.
Heute ist die Lage zum Glück eine völlig andere. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat den gesetzlichen Rahmen massiv verbessert, damit die Windkraftbranche in Deutschland wieder auf die Beine kommt. Die Stichworte in diesem Zusammenhang sind bekannt: Bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, es gab eine große Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, es wird mehr Windkraft an Land und auf See geben, und die Zeit für Planungs- und Genehmigungsverfahren konnten wir mehr als halbieren. Kurzum: Bei der Windkraft wird der Turbo eingelegt.
Natürlich bleiben noch Hausaufgaben. Wie könnte das nach knapp anderthalb Jahren Regierungszeit auch anders sein? Von diesem Ausbau profitieren vor allem die Unternehmen. Deshalb sollten auch die Beschäftigten profitieren, und zwar im Rahmen eines Tarifvertrages.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Bengt Bergt [SPD])
Die Aufträge in der Branche boomen, es werden neue Fachkräfte eingestellt. Das ist eine gute Ausgangslage für gute tarifliche Beschäftigungsverhältnisse. Zudem bringen wir ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg.
Es ist gut und wichtig, dass die Gewerkschaften jetzt versuchen, Tarifverträge durchzusetzen. Es ist gut, wenn die Beschäftigten aufstehen, um für ihre Rechte und für gute tarifliche Löhne zu kämpfen. Natürlich sind Tarifverhandlungen Sache der Sozialpartner. Aber wir unterstützen die Forderungen nach tariflichen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen; denn wir Grüne wollen, dass Industrie und Arbeitswelt der Zukunft gleichermaßen ökologisch und sozial sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dafür setzen wir dort, wo es möglich ist, den richtigen gesetzlichen Rahmen. Beispielsweise haben wir heute das Qualifizierungsgeld auf den Weg gebracht. Die Unternehmen bekommen so Zeit, um sich klimaneutral aufzustellen, und die Beschäftigten können sich in dieser Zeit für die Jobs der Zukunft neu oder weiter qualifizieren. Genau so muss es sein: ökologisch und sozial.
Von Tarifverträgen profitieren nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Unternehmen. Die Beschäftigten sind zufriedener und motivierter und damit produktiver, das Betriebsklima ist besser. Tarifverträge garantieren gleiche Bedingungen und fairen Wettbewerb unter den Unternehmen – fairen Wettbewerb eben auch um die besten Köpfe. Tarifliche Bezahlung und gute Bedingungen sind also ein Wettbewerbsvorteil, gerade für die Unternehmen.
Es gibt viele gute Gründe für einen Tarifvertrag. Für die Beschäftigten geht es vor allem aber um Anerkennung und Wertschätzung. Und das bedeutet, dass die Vestas-Beschäftigten angemessen, fair, gerecht, und zwar tariflich, entlohnt werden müssen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)