Rede von Dieter Janecek Aktuelle Stunde „Verhinderung von Insolvenzen“

Foto von Dieter Janecek MdB
21.09.2022

Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Zum Anfang dieser Debatte darf ich feststellen, dass die Union den heiligen Gral der Schuldenbremse heute endgültig geopfert hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Christian Dürr [FDP]: Das habe ich auch festgestellt! Das hat Markus Söder sogar auch gesagt!)

Das ist die absolute Konsequenz Ihrer politischen Forderungen: Industriestrompreis 4 Cent haben wir heute schon gehört, die Gasumlage aus Steuermitteln. Ich kann mich auch noch an Anträge von Ihnen erinnern, in denen Sie die Energiesteuern auf ein Mindestmaß senken wollten. Ich will das gar nicht alles zusammenrechnen. Da ist die Linkspartei solider als Sie in den Forderungen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Bernd Riexinger [DIE LINKE])

Aber ich will auch ein Lob damit verbinden. Ich halte es nämlich für verantwortungsvoll, in dieser Krise zu sagen: Wir müssen jetzt den finanziellen Spielraum des Staates erweitern, um Unternehmen und betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu helfen; das müssen wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Jetzt darf man Sie aber auch nicht aus der Verantwortung nehmen für das, was Sie in der Vergangenheit geleistet haben.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: 16 Jahre!)

– Ich schaue gar nicht auf 16 Jahre.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Doch, doch! Denken Sie dran! Nicht vergessen!)

Ich schaue auf einen Zeitraum, den Sie in dem Recherchemagazin „Correctiv“ nachlesen können. Die Verflechtungen von Unionspolitikern,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Und SPD-Politikern! Vergessen Sie mal den Gerhard Schröder und die Frau Schwesig nicht!)

auch von Markus Söder, mit den großen russischhörigen Gasimporteuren, mit dieser Politik, die Sie zu verantworten haben, die uns in diese Krise hineingetrieben hat; diese große Abhängigkeit von russischem Gas ist auch eine Abhängigkeit, die die Union erzeugt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Das ist verbunden mit einem historischen Versagen beim Ausbau der erneuerbaren Energien über Jahrzehnte. Hätten wir heute schon einen großen Ausbau auf den Weg gebracht, hätten wir Energieeinspeicherung, hätten wir Speichermöglichkeiten geschaffen, hätten wir diese Krisensituation heute nicht. Auch das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, und wir werden Sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Gleichzeitig gibt es kein Ministerium, seit ich mich im Bundestag erinnern kann, das jemals so viele Gesetze auf den Weg gebracht hat, so viel Handeln geschafft hat wie dieses Bundeswirtschaftsministerium.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Korrekturen mitgerechnet!)

Allein in dieser Woche: die Verstaatlichung von Uniper, übrigens für einen Preis, der für den Staat – günstig ist das falsche Wort – auf jeden Fall nicht teurer ist, als er hätte sein können, die Treuhandlösung jetzt auch für Rosneft, die Fragen auch, die wir jetzt im Strommarkt klären müssen, dass wir auf der Energieministerkonferenz eine schwierige Aufgabe zu lösen haben, nämlich einen Eingriff in den Markt zu tätigen, um die Preise runterzukriegen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie treiben die Preise hoch!)

Die Hauptaufgabe der Politik ist es nämlich, die Preise runterzukriegen. Daran arbeiten wir sehr intensiv durch den Ausbau der LNG-Terminals, beispielsweise durch Maßnahmen im Marktdesign, und ich hoffe, auch durch einen gemeinsamen europäischen Einkauf bei Gas in der Zukunft; denn auch das würde uns helfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ganz wesentlich ist jetzt aber auch, dass wir ganz genau auf die Betroffenen in den Betrieben schauen. Das sind nicht nur die Bäckereien; das sind Gießereien, das sind Lackierereien, das sind auch Metzgereien; das sind viele kleine, auch mittlere, manchmal auch größere Betriebe, die sehr stark unter den horrenden Energiekosten zu leiden haben. Deswegen ist es notwendig und richtig, dass Bundesminister Habeck jetzt auch einen Vorschlag für eine Ausweitung des Energiekostendämpfungsprogramms auf alle energieintensiven Betriebe unterbreitet, auch eine Extrastufe für kleine und mittlere Unternehmen einführt, damit wir hier gezielt Hilfe schaffen.

Aber ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Das Versprechen, das Sie hier abzugeben versuchen, kann man nicht abgeben. In Bayern ist es ja besonders explizit ausgelegt: Es gibt ja kein Land, das so stark von russischem Gas und Öl abhängig ist wie Bayern und das so viel Verantwortung abschiebt, wie das der bayerische Ministerpräsident tut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Folgerung muss aber jetzt sein, dass wir auch nicht versprechen können: Wir können alle Kosten abfedern. – Das können wir nicht. Es wird Verluste geben. Wir werden mit großer Wahrscheinlichkeit in eine rezessive Phase kommen.

Es gibt dann aber auch das Licht am Ende des Tunnels, und das heißt: Wir investieren jetzt in Energieeffizienz; wir investieren jetzt in die Carbon Contracts for Difference; wir geben jetzt die Sparanreize. Wir sind der Industrie auch dankbar, dass sie bereits über 20 bis 30 Prozent an Gas eingespart hat; das muss jetzt auch für die Haushalte gelten. Also, wir haben eine schwierige Zeit, wir haben eine Krise, und so sollten wir auch mit ihr umgehen.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch kurz etwas berichten. Ich hatte vor drei Wochen die Gelegenheit, ein ganzes Wochenende mit sieben Abgeordneten aus der Ukraine zu verbringen. Und die Herausforderungen jenseits des Krieges, der schrecklich ist und uns jeden Tag beschäftigt, sind ja dort auch ökonomisch: minus 30 bis 50 Prozent „Wirtschaftswachstum“ – in Anführungszeichen. Die Heiztemperatur in Kiew ist garantiert bei 12 Grad, wenn überhaupt Gas da ist; in Charkiw ist gar nichts garantiert. Auch das sind Verhältnismäßigkeiten, die wir uns immer wieder angucken müssen.

Wir tun hier im Land alles, was wir können. Aber die Sanktionen gegen Russland bleiben richtig. Es bleibt richtig, Waffen an die Ukraine zu liefern. Es bleibt richtig, gemeinsam europäisch zu handeln. Darauf kommt es jetzt in dieser Krise an. Deswegen bitte ich Sie auch, dass wir in dieser Krise gemeinsam handeln und uns nicht spalten lassen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Reinhard Houben das Wort.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)