Rede von Maik Außendorf Aktuelle Stunde „Verhinderung von Insolvenzen“

Mail Außendorf MdB
21.09.2022

Maik Außendorf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Union hat das Thema der Aktuellen Stunde reduziert auf die Frage der Öl- und Gasimporte und die Gasumlage. Da aber diese Fragen alle schon umfänglich von Minister Habeck beantwortet wurden, möchte ich die Gelegenheit nutzen, den Blick mal wieder ein bisschen zu weiten auf die Folgen der Inflation und auf die Maßnahmen, die wir ergreifen müssen und werden, um Unternehmen in diesem Land über den Winter zu helfen.

Zunächst mal sind wir uns einig: Der Auslöser für diese Krise ist der russische Angriffskrieg. Daraus resultiert Öl- und Gasknappheit. Wir hatten schon vorher das Problem des Fachkräftemangels und abgebrochener Lieferketten, und das alles zusammen hat zu einem nie dagewesenen Angebotsschock geführt. Wenn wir die fossile Inflation in Zahlen fassen, kommen wir geschätzt auf eine mindestens dreistellige Milliardensumme, die pro Jahr ins Ausland abfließt für die Beschaffung fossiler Energien. Das Geld fehlt hier, und das wollen wir langfristig reinholen durch den Umstieg auf die Erneuerbaren. Das heißt gleichzeitig: 100 Milliarden Euro oder mehr an Wertschöpfung hier im Land und für uns in der Politik.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auch noch mal auf das oft beschworene Gespenst einer Lohn-Preis-Spirale zu sprechen kommen. Das ist nicht das eigentliche Problem, das uns droht – im Gegenteil: Wir haben die importierte Inflation. Wenn wir dem mit klugen Lohnsteigerungen im unteren Sektor entgegenwirken, dann können wir es schaffen, einen möglicherweise drohenden Nachfrageschock abzuwenden. Ein solcher wäre eine weitere Verschärfung der Inflation und der Krise. Beides zusammen, Nachfrage- und Angebotsschock, das wäre nur schwer auszuhalten. Deswegen muss man beides zusammen betrachten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wie begegnen wir der Krise? Wenn ich an die Situation vor einigen Monaten zurückdenke: Da haben wir die ernsthafte Sorge gehabt, ob wir mit dem vorhandenen Gas und Strom überhaupt durch den Winter kommen. Diese Sorge haben wir jetzt überwunden. Dank Minister Habeck und seines ganzen Hauses haben wir jetzt Sicherheit, was die Versorgung mit Energie anbelangt. Dafür zunächst mal herzlichen Dank.

Wie geht es jetzt weiter? Nachdem wir die Versorgungssicherheit geklärt haben, muss als Nächstes die Senkung der Energiepreise die höchste Priorität haben. Fangen wir an beim Strom. Hier haben wir die gigantische Aufgabe, die Versäumnisse vor allem der CSU aufzuräumen, die insbesondere in Bayern den Ausbau der Stromtrassen boykottiert und die Windenergie blockiert hat. Dann haben wir noch Sicherheitsprobleme in den von Ihnen so favorisierten Atomkraftwerken. Da kann man sich einfach nicht auf das verlassen, was uns die CSU da präsentiert; da müssen wir andere Wege beschreiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn wir jetzt über Preise reden: Die Europäische Kommission arbeitet schon an einem Preisdeckel für Strom, der aber blöderweise größtenteils aus Gas erzeugt wird. Und da haben wir die Kombination aus Gaspreis und Strompreis. Diese Kombination müssen wir aufheben. Daran arbeitet die Kommission, und das muss möglichst schnell gehen.

Zum Thema Gas. Wir haben das Angebot verbessert. Das wird auch im Laufe des Winters noch weiter noch besser werden durch LNG-Terminals. Wir stellen fest, dass sowohl Verbraucher/-innen als auch die Industrie nennenswerte Einsparungen vornehmen. Auch das hilft uns, über den Winter zu kommen, und es hilft auch, den Preis zu senken. Schwieriger ist es beim Öl. Hier sind wir vom Weltmarkt abhängig, und da hilft im Grunde nur, den Verbrauch zu senken, und zwar ohne Ideologie. Wenn wir mal auf das Umweltbundesamt hören: Dies sieht allein durch eine systematische Geschwindigkeitsreduktion ein Einsparpotenzial von mehr als 2 Milliarden Liter Kraftstoff jährlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das waren die Preissenkungen.

Kommen wir zur zweiten Priorität, nämlich zu einer möglichst zielgerichteten Entlastung. Nichtstun ist keine Option; das würde die Rezession verstärken. Da müssen wir gegensteuern. Wir müssen aber auch ehrlich sein und dürfen keine falschen Erwartungen wecken. Denn egal was wir tun, es wird am Ende nie reichen. Kein Entlastungspaket, das wir auf den Weg bringen können, wird am Ende dazu führen, dass alle Verluste ausgeglichen werden. Das müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen, und das müssen wir den Menschen auch offen sagen. Es geht darum, die existenzielle Versorgung zu sichern und möglichst vielen Unternehmen das Überleben zu ermöglichen. So oder so wird es Wohlstandseinbußen und Verluste geben. Das sei einmal vorweggenommen.

Die Bundesregierung und ihre Ministerien werden zusammen mit dem Parlament verschiedene Wege beraten. Die Ausweitung des Energiekostendämpfungsprogramms auf alle Branchen ist bereits im Gespräch. Auch da werden natürlich immer nur Spitzen weggenommen werden können. Es wird nicht eine komplette Entlastung geben können. Es ist auch klar, dass möglicherweise zweistellige Milliardenbeträge nicht aus dem normalen Haushalt kommen. Da ist natürlich auch der Bundesfinanzminister gefragt, Einnahmequellen aufzuzeigen, über die wir das machen können.

Insgesamt sind die Hilfen nämlich eine gesamtstaatliche Aufgabe. Nicht nur der Bundesminister für Wirtschaft hat dafür zu sorgen, dass wir Entlastungen schaffen; wenn wir uns die Krankenhäuser anschauen, sehen wir: Es ist vielmehr auch das Bundesgesundheitsministerium gefragt. Wir alle hören in unseren Wahlkreisen alarmierende Stimmen von Kommunen, von Sportvereinen, die ihre Sporthallen nicht mehr betreiben können. Das können wir nur im Schulterschluss mit den Ländern lösen.

Dann komme ich zum Schluss auf die Union zurück. Sie regieren ja in einigen Bundesländern mit, das heißt, Sie stehen in einer gesamtstaatlichen Verantwortung. Sie können sich jetzt entscheiden:

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Der grüne Finanzminister von Baden-Württemberg ist auch gegen das Paket!)

Sie können weitermachen wie bisher – Fundamentalopposition –; das ist einfach. Sie können immer mehr fordern – denn kein Paket wäre groß genug – und die Gegenfinanzierungsfrage offenlassen. Das können Sie machen.

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Die Grünen in Baden-Württemberg sind dagegen! Die Grünen sind dagegen! Kretschmann fragen!)

Aber ich fordere Sie auf: Lassen Sie uns zusammen, in gemeinsamer Verantwortung mit den Ländern und allen demokratischen Fraktionen hier im Haus, an zielgenauen Lösungen arbeiten. Das ist es nämlich, was die Menschen von uns in diesem Land erwarten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)