Rede von Sven-Christian Kindler Allgemeine Finanzdebatte

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21.11.2022

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es liegen fast drei Monate Haushaltsberatungen im Ausschuss und im Plenum hinter uns. Ich möchte mehrere Punkte ansprechen, die mir aufgefallen sind:

Erster Punkt. Wir zeigen als Koalitionsfraktionen mit diesem Bundeshaushalt 2023, wer der Haushaltsgesetzgeber ist, auch gegenüber der von uns getragenen Regierung. Wir haben als Koalition an entscheidenden Stellen Maßgabebeschlüsse verabschiedet, da, wo es notwendig war, auch Sperren eingeführt und mit 526 Änderungsanträgen den Entwurf des Bundeshaushaltsplans für 2023 an entscheidenden Stellen verbessert und auch korrigiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Manche in der Opposition oder in den Medien deuten das falsch; aber das ist die ureigene Rolle des Parlaments gegenüber der Exekutive in der Gewaltenteilung unserer Demokratie. Dieser Aufgabe sind wir als Koalitionsfraktionen nachgekommen, und deswegen trägt dieser Haushalt auch die klare Handschrift des Parlaments.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zweiter Punkt. Wir stehen als Koalition zu unserem Wort. Wir haben als Koalition in dieser Krise immer gesagt: Wir lassen die Menschen mit ihren Sorgen, mit ihren Ängsten in diesen schweren Krisenzeiten nicht alleine, sondern wir unterstützen sie, wir unterstützen die vielen Unternehmen, die vielen Vereine. Wir unterstützen die Einrichtungen jetzt angesichts der fossilen Energiekrise, angesichts des brutalen Angriffskriegs Putins. Wir halten unser Wort. Das setzen wir konkret in diesem Haushalt um.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir haben – Achim Post hat es angesprochen – drei Entlastungspakete in Höhe von 95 Milliarden Euro, die wir mit diesem Bundeshaushalt umsetzen, und einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds in Höhe von 200 Milliarden Euro. Zusammen macht das rund 300 Milliarden Euro. Damit finanzieren wir die Gaspreisbremse, damit finanzieren wir die Strompreisbremse, den Härtefallfonds, das Bürgergeld, die Wohngeldreform, Hilfen für Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Azubis, das höhere Kindergeld, das 49‑Euro-Ticket und vieles, vieles mehr.

(Zuruf von der AfD)

Wir lassen die Menschen in der schweren Krise nicht alleine. Wir sorgen für Stabilität und Sicherheit in diesen Krisenzeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ja, das ist ein großes Entlastungspaket. Aber das Paket ist eben auch so groß, weil die Krisen leider so groß sind. Ich will daran erinnern, in welch schwerer Lage wir uns befinden: Wir haben einen brutalen Angriffskrieg mitten in Europa, wir haben eine schwere fossile Energiekrise, und die Klimakatastrophe eskaliert immer mehr. – In der Situation wäre es natürlich eine Möglichkeit angesichts dieser Überforderungen, im Stillstand zu verharren oder die Probleme zu ignorieren. Aber das haben wir nicht gemacht. Wir gehen diese Krisen entschlossen an.

Ich will daran erinnern, wo wir gestartet sind. Als diese Regierung angefangen hat, waren die Gasspeicher von Peter Altmaier leer. Jetzt sind sie bei 100 Prozent. Eine gefährliche Gasmangellage wird diesen Winter höchstwahrscheinlich vermieden werden. Wir haben vor dem Sommer das seit 20 Jahren größte Gesetzespaket für erneuerbaren Energien durch den Deutschen Bundestag gebracht, und die Wirtschaftsdaten bessern sich jetzt auch. Es gibt wieder mehr Zuversicht in diesem Land. All das haben wir als Koalition gemacht. Das zeigt: Wir gehen diese Krisen entschlossen an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir zeigen mit diesem Haushalt auch, dass wir angesichts des russischen Imperialismus die Ukraine weiter unterstützen. Wir unterstützen sie humanitär. Wir unterstützen sie diplomatisch. Wir unterstützen sie durch die Aufnahme der Geflüchteten in Deutschland. Wir unterstützen sie mit Wirtschaftshilfen. Wir unterstützen sie auch militärisch, und wir werden das weiterhin tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir gucken – anders als manche Nationalisten hier im Haus – nicht nur auf das Nationale, sondern wir wissen, dass wir in einer vernetzten Welt gemeinsam leben und als große Industrienation, als reiche Industrienation auch eine globale Solidarität zeigen und Verantwortung tragen müssen. Denn der Angriffskrieg Putins löst nicht nur schrecklich unfassbares Leid in der Ukraine aus, sondern er verschärft auch weltweit massiv die Krisen. Deswegen haben wir 2022 noch mal 1 Milliarde Euro für den Kampf gegen Hunger in der Bereinigungssitzung freigegeben. Deswegen werden wir für das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium jetzt insgesamt 2 Milliarden Euro für den Haushalt 2023 zur Verfügung stellen: für humanitäre Hilfe, für Krisenprävention, für das Menschenrecht auf Nahrung. Wir sagen als Parlament sehr klar, dass wir einen Schwerpunkt auf internationale Gerechtigkeit legen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dritter Punkt. Normalerweise gelten die Haushaltsberatungen auch als Stunde der Opposition, wo man die Regierung mit konkreten Alternativen vor sich hertreibt und in Krisenzeiten staatstragend Verantwortung übernimmt in der Gemeinschaft der Demokratinnen und Demokraten. Ich hätte mir das in diesem Haushaltsverfahren auch von der Union gewünscht. Ich hoffe, dass das beim nächsten Haushaltsverfahren anders läuft. Wir haben es leider nicht gesehen.

Ich will meine Kritik konkret machen. Am 21. Oktober dieses Jahres haben wir hier im Deutschen Bundestag die Finanzierung in Höhe von 200 Milliarden Euro für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds beschlossen, und die Union hat dagegengestimmt. Sie haben gesagt, Sie wollen keine Finanzierung über das Sondervermögen. Ich hatte erwartet, dass Sie dann im Haushaltsverfahren alternative Finanzierungsvorschläge vorlegen,

(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

zum Beispiel gerechte Steuererhöhungen, Einsparungen oder eben auch eine Finanzierung über die Notfallregel der Schuldenbremse 2023. Das hatte Herr Middelberg in der Debatte am 21. Oktober angedeutet,

(Zuruf des Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU])

aber es kam nichts; es kam kein Antrag in der Bereinigungssitzung, gar nichts.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zurufe der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU] und Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU])

Herr Middelberg, vielleicht wissen Sie es nicht – Sie waren ja im gesamten Verfahren nie im Haushaltsausschuss –, aber die Union hat keine Änderungsanträge bezüglich der Finanzierung vorgelegt.

Ich will die Union als Opposition ernst nehmen.

(Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])

Wenn ich die Union ernst nehmen will, dann muss ich Ihr Verhalten verstehen. Sie haben die Finanzierung für die Strom- und Gaspreisbremse abgelehnt. Sie haben keine Vorschläge für eine alternative Finanzierung im Haushaltsverfahren vorgelegt. Ich kann Ihnen sagen: Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit gelten auch für die Opposition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wenn Sie keine konkrete Finanzierung vorlegen, heißt das am Ende: Sie lehnen diese Hilfen ab. Sie wollen keine Energiehilfen für die Menschen und Unternehmen.

(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Sie lassen den Bäcker im Regen stehen. Sie lassen mit Ihrer Politik die Menschen in der Kälte allein. Aber das werden wir konkret nicht zulassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Ich würde sagen, der Treffer hat gesessen.

Sie haben im Ausschuss nichts Konkretes vorgelegt, was die Finanzierung gerechtfertigt hätte. Immer nur populistisch zu kritisieren und zu sagen, was wir als Regierung anders machen sollen, aber als Union keine konkreten Änderungsanträge vorzulegen, das geht so nicht. Sie müssen sich schon mal entscheiden, welche Art von Opposition Sie sein wollen: konstruktiv, staatstragend oder nur populistisch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])

Vierter Punkt. Wir stabilisieren nicht nur in den Krisen, sondern denken jetzt auch an morgen. Die Klimakatastrophe eskaliert immer mehr. Deswegen haben wir auch noch mal sehr konkret Energieeffizienz, internationalen und nationalen Klimaschutz in dem Haushaltsentwurf gestärkt. Wir haben zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für die Schiene bereitgestellt. Wir haben 700 Millionen Euro für kommunale Investitionen bereitgestellt. Wir haben Rekordinvestitionen in diesem Haushalt. Das zeigt: Wir gehen die Krisen entschlossen an. Wir bauen jetzt sozial-ökologisch für die Zukunft um. Deswegen kann ich nur empfehlen, dem Bundeshaushalt zuzustimmen.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Christian Haase.

(Beifall bei der CDU/CSU)