Rede von Britta Haßelmann Altersversorgung von Bundestagsabgeordneten
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke fordert in ihrem Antrag die Einsetzung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe im Bundestag, um ab Beginn der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages die zukünftige Altersversorgung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen. So weit, so gut. Wäre der Antrag damit zu Ende, würden wir sagen: Wir stimmen sofort zu. Denn in der Sache ist es, glaube ich, richtig und notwendig, sich dieser Frage wirklich zu widmen.
Wir haben im Jahr 2011, als die damalige Unabhängige Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechtes eingesetzt wurde, um die Frage der Höhe der Abgeordnetenentschädigung usw. festzulegen und uns Empfehlungen zu geben für die Festlegungsentscheidung im Parlament, leider die Chance vertan, uns vertieft der Frage der Altersversorgung der Abgeordneten und deren strukturellen Änderung zu widmen.
Das ist aus meiner Sicht, im Jahr 2020 betrachtet, eigentlich eine vertane Chance gewesen, die wir damals haben liegen lassen. Ich fände es sehr gut – deshalb habe ich den ersten Teil Ihres Antrags zitiert –, wenn wir in aller Ernsthaftigkeit die Komplexität der Fragen und auch die Überführung eines lange zementierten Systems in ein neues System mit all seinen Fragen grundsätzlich diskutieren würden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist wichtig und notwendig, das zu tun.
Vorschläge der Unabhängigen Kommission sind seinerzeit in Form eines Bausteinmodells gemacht worden. Es wurde zum Beispiel vorgeschlagen, dass als ersten Teil die Abgeordneten ihre bisherigen Versorgungsansprüche und Anwartschaften mitbringen. Als zweite Komponente könnten diese in die gesetzliche Rentenversicherung und eine Zusatzversorgungskasse eingegliedert werden. Als dritter Baustein käme eine gewisse Eigenvorsorge hinzu. Das waren alles interessante und wichtige Fragen, denen wir uns hätten widmen können. Ich fände es gut, wenn wir aus der Mitte des Hauses heraus in einer interfraktionellen Zusammenkunft dies auch wirklich tun würden.
Aber warum sind Sie eigentlich nicht bei diesem Beitrag geblieben, sondern schwenken dann noch um auf das Mittel: „Wir stellen erst mal eine klare Forderung in den Raum, unterlegen die aber keinesfalls“? Sie suggerieren mit dem zweiten Teil Ihres Antrags doch: Das wäre alles ganz einfach, und die von mir angesprochenen Fragen ließen sich mal gerade so eben lösen. – Das ist doch nicht der Fall, meine Damen und Herren, und das wissen wir alle.
Das führt am Ende dazu, dass es wieder uns alle trifft, indem sich dann natürlich jede und jeder daran abarbeitet. Ich sage Ihnen: Gerade die Abgeordnetenentschädigung und auch die Altersversorgung von Abgeordneten gehören auf andere Füße gestellt, aber nicht durch die Methode: Wir fordern mal was politisch – und das ist ein bisschen populistisch –; aber wir haben es nicht zu Ende gedacht.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir dürfen ja wohl einen Vorschlag machen, Frau Kollegin! Ja wo sind wir denn!)
– Herr Birkwald, Sie wissen es doch ganz genau: Das, was Sie da in Ihrem Antrag andeuten, ist nicht bis zu Ende gedacht. Sie machen am Ende keinen Vorschlag. Davor drücken Sie sich, und das wissen Sie auch ganz genau. Alle, die mit dem Thema zu tun haben, wissen das und sehen das.
Deshalb sage ich: Das greift zu kurz, und es greift nicht nur zu kurz, sondern es hat die Methode „Populismus“: Ich fordere mal was, das nach außen gut klingt; ich löse aber kein einziges Problem,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
und schon gar nicht interfraktionell mit dem gesamten Haus. Sie wissen, dass das so ist.
Deshalb frage ich: Warum sind wir nicht beim ersten Teil Ihres Antrags geblieben und sagen: „Wir widmen uns einfach der Idee des Bausteinmodells, das die Unabhängige Kommission seinerzeit entwickelt hat, setzen darauf auf und überlegen in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe, wie wir denn dem Ziel näher kommen, die Abgeordnetenentschädigung anders aufzustellen, und zwar im Sinne einer Einbeziehung aller in die gesetzliche Rentenversicherung“?
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist nichts, was man mal so holzschnittartig wie in Ihrem Antrag vorlegt, sondern da muss man sich gründlich Gedanken machen: über die Frage, wie Überführung aussehen kann, wie Zusatzansprüche, wie all die Sachen dann geregelt werden können, und das liefern Sie nicht ansatzweise.
Deshalb kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie an der Stelle gerne eine schöne Überschrift wollen, aber leider in der Substanz mit uns nicht daran arbeiten wollen. Das ist, finde ich, eine vertane Chance. Ich fände es wirklich gut, wenn aus der Debatte hervorgeht: Wir kümmern uns jetzt mal um dieses Thema, und wir sagen nicht, es ist einfach alles gut. – Denn es ist nicht alles gut.
Wir haben hier die Pflicht, bei vielen Fragen darüber nachzudenken, was wir grundsätzlich in der Rentenversicherung ändern wollen. Wir brauchen eine Garantierente. Wir wollen den Einstieg in die Bürgerversicherung für Angestellte, Selbstständige, Minijobberinnen, Minijobber und auch für Abgeordnete. Wir wollen als Grüne auch eine Reform anstreben für ausgeschiedene Bundespräsidenten und für die Kanzlerin und die Kanzler. Denn auch hier hat uns der Bundesrechnungshof ganz klare Hausaufgaben gegeben im Hinblick auf das Ruhegehalt und die Anrechnung privater Einkünfte.
Auch die Einbeziehung von Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung – mit allen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind – sollten wir angehen. Das ist die Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen. Aber das darf dann bitte nicht geschehen mit so einem kleinen Vorschlag en passant, der das Problem am Ende eigentlich nicht löst, sondern befassen wir uns damit wirklich in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe. Wir sind bereit und fänden es toll, wenn wir da was zusammen hinkriegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir sind auch dazu bereit!)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Frau Kollegin Haßelmann. – Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)