Lamya Kaddor
17.11.2023

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Gäste auf den Tribünen! Wir und unsere Demokratie müssen derzeit sehr viel aushalten. Wir hier im Hohen Haus sind uns der bitteren Relevanz des Problems „Antisemitismus in Deutschland“ allesamt bewusst. Das galt bereits für die Zeit vor dem 7. Oktober, es gilt aber ganz besonders für die jetzige Zeit danach.

Liebe Union, lieber Herr Throm, in der Sache haben Sie in manchen Punkten durchaus recht. Ja, wir müssen über den Antisemitismus sprechen, auch über den der Menschen mit Migrationsgeschichte, die vor Generationen und auch vor Kurzem eingewandert sind. Ja, es gibt in der muslimischen Community Antisemitismus. Und ja, wir dürfen diesen nicht einfach achselzuckend hinnehmen. Und das tun wir mitnichten. Wir schauen uns das Demonstrationsgeschehen genau an. Nicht jede Demonstration und nicht jede gezeigte palästinensische Flagge ist automatisch Ausdruck von Antisemitismus. Gleichzeitig gilt: Unsere Sicherheitsbehörden greifen durch, wenn die Grenzen der Solidarität hin zu Hass und Hetze überschritten werden, treffen frühzeitig Absprachen mit den Anmeldern dieser Demo, sichern das Geschehen und führen zahlreiche Gespräche vor Ort. Ich war ein paarmal auf diesen Demos und habe sie mir angeguckt. Man kann der Polizei also nicht genug danken, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Ampel handelt hier konsequent. Wir haben Vereinsverbote erlassen. Wir haben den Schutz jüdischer Einrichtungen verstärkt. Wir haben Beratungsstellen für Opfer von Antisemitismus finanziell besser ausgestattet. Unsere Strafbehörden führen zahlreiche Verfahren gegen Antisemiten. Und die Bundesländer wenden bereits gültiges Versammlungsrecht entschieden an.

Zur Erinnerung: Das Aufenthaltsgesetz bietet bereits jetzt die Möglichkeit, Menschen auszuweisen, die antisemitische Straftaten begehen.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Sehr hohe Hürden!)

Wir brauchen hier keine Verschärfung, sondern eine konsequente Anwendung des bestehenden Rechts.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Das reicht nicht!)

Auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen wie Abschiebungen sind bereits jetzt möglich. Und zur Einbürgerung: Wer Antisemit ist, kann nicht eingebürgert werden.

(Stephan Brandner [AfD]: Klatscht keiner von Ihnen! Komisch!)

Der Fragenkatalog des Einbürgerungstests soll im Hinblick auf Antisemitismus und jüdisches Leben zügig evaluiert und bei Bedarf nachgebessert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Integrationskurse räumen dem Thema Antisemitismus auch jetzt schon einen hohen Stellenwert ein. Gemeinsam mit den Ländern wird die Bundesregierung das Straf- und Versammlungsrecht nach Lücken überprüfen, um Straftaten mit Bezug zu Antisemitismus wirksam zu bekämpfen.

Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein, schilderte uns im Innenausschuss am Mittwoch, dass viele Maßnahmen bereits greifen und effektiv sind. Aber eines sagte Dr. Felix Klein auch: Eine weitere Spaltung der Gesellschaft durch einen immer wiederkehrenden Generalverdacht gegen Musliminnen und Muslime in diesem Land darf es nicht geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Den gibt es überhaupt nicht, den Generalverdacht! – Alexander Throm [CDU/CSU]: Wer hat den ausgesprochen? – Gegenruf der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie doch auf zu leugnen, Herr Throm!)

Liebe Union, es wäre für unser Land eine gute Sache, wenn Sie, wenn wir alle dem Rat des Antisemitismusbeauftragten folgen könnten. Allein mir fehlt der Glaube. Antisemitismus bekämpfen wir durch das Zusammenstehen der Demokratinnen und Demokraten. Und da verläuft die Trennlinie: Demokratinnen und Demokraten auf der einen und Demokratiefeinde auf der anderen Seite, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Lassen Sie uns einen gemeinsamen Antrag auf den Weg bringen! Das wäre ein starkes Zeichen des Parlamentarismus angesichts des grassierenden Antisemitismus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wer den Einsatz gegen Antisemitismus alleine auf Menschen mit Einwanderungsgeschichte fokussieren will, begeht einen folgenschweren Fehler.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das tut doch gar niemand!)

Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das durch historische Kontinuitäten in Europa verankert ist. Es wurde von hier aus in die Welt exportiert und nun zum Teil reimportiert. Es gibt also einen alten und neuen Antisemitismus.

Ich komme zum Schluss. Wir müssen deshalb auch gesamtgesellschaftlich im Zusammenspiel vieler wirklich wirksamer Strategien unterschiedliche Gruppen gleichermaßen adressieren. Lassen Sie uns das zusammen tun!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächste hat das Wort für Fraktion Die Linke Petra Pau.

(Beifall bei der LINKEN)