Foto von Canan Bayram MdB
17.11.2023

Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte meinen, dass das Eis, auf dem unsere Werte ruhen, sehr dünn ist. Kommt es zu einem ernsthaften Konflikt wie jetzt nach dem barbarischen Terrorangriff der Hamas auf Israel, werden schnell grundlegende Menschenrechte infrage gestellt. Dass die CDU/CSU mit zwei Gesetzentwürfen zur Verschärfung der Strafmaßnahmen um die Ecke kommt, war erwartbar.

Dass aber auch eine Liberale wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit der Forderung nach einem Demonstrationsverbot für Ausländer Grundrechte infrage gestellt hat, hat dann doch überrascht. Gut, sie hat ihren Fehler bemerkt, und sie ist zurückgerudert. Das Demonstrationsrecht, meine Damen und Herren, gilt für alle Menschen in diesem Land.

(Stephan Brandner [AfD]: Dann schauen Sie mal ins Grundgesetz! Da steht was anderes! Die Deutschen haben das Recht!)

Und es war schon immer verboten, das Sterben von Menschen zu verherrlichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche gilt für den Gesetzentwurf der CDU/CSU. Auf Grundlage der bestehenden Gesetze können die zuständigen Behörden schon jetzt einschreiten, wenn die Sicherheit von Jüdinnen in Gefahr ist,

(Stephan Brandner [AfD]: Von Juden nicht?)

und zwar gegen jeden in diesem Land, meine Damen und Herren. Dazu braucht es keine neuen Gesetze, mit denen man angeblich nur gegen Ausländer/-innen vorgehen will. Man muss die Gesetze aber auch anwenden wollen, meine Damen und Herren.

(Abg. Tobias Matthias Peterka [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, der brüllt eh die ganze Zeit dazwischen und sollte das lieber unterlassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tobias Matthias Peterka [AfD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Das Existenzrecht Israels unzweifelhaft anzuerkennen, ist bereits Teil der deutschen Staatsräson, meine Damen und Herren. Es gilt daher für alle heutigen und zukünftigen Bürger/-innen dieses Landes.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, schwierig ist, dass wir die gleichen Probleme sehen, aber ganz andere, zum Teil gegenteilige Antworten darauf haben. Warum greift bei so vielen, sobald sie unter Druck geraten, die Sehnsucht danach, in kollektiven Subjekten zu denken – „wir“ und „die anderen“, –, unsere Probleme mit unserem Antisemitismus auf Ausländer zu projizieren und auf staatliche Allmachtsfantasien zu setzen? Auch und besonders im nahöstlichen Raum gibt es ein Problem mit Antisemitismus – unbestritten. Aber: Rund 84 Prozent der antisemitischen Straftaten in Deutschland sind bisher der politisch rechts motivierten Kriminalität zugeordnet worden, meine Damen und Herren. Das ist ein Fakt, mit dem wir uns beschäftigen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte unser Zusammenleben in Deutschland, in Berlin, in Kreuzberg, in Neukölln friedlich gestalten, meine Damen und Herren – mit gegenseitigem Respekt vor jedem einzelnen Individuum. Das heißt auch, dass wir es hier besser machen als in der Region, in der gerade der Krieg tobt. Ich will den Krieg nicht auf die öffentlichen Plätze, in die Schulen hineintragen.

(Stephan Brandner [AfD]: Nee? Sondern?)

Wir kennen es aus der Erziehung unserer Kinder.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nicht was wir sagen, ist das Vorbild, sondern wie wir real leben, meine Damen und Herren.

(Stephan Brandner [AfD]: Frau Bayram, Ihre Zeit ist rum! Halten Sie am besten den Mund!)

Um offensiv von allen die Respektierung der Menschenrechte einklagen zu können, müssen wir sie selbst vorleben. Dann hält auch das Eis, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Wer spricht, werden immer noch wir von hier vorne feststellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt erhält das Wort für eine Kurzintervention der Abgeordnete Peterka.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hatte noch nicht genug Redezeit!)