Rede von Corinna Rüffer Arbeit und Soziales

Foto von Corinna Rüffer MdB
01.02.2024

Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Hochverehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten! So ein Haushalt ist ja nicht dazu da, dass man irgendwie Milliarden hin- und herschiebt. So ein Haushalt ist dafür gedacht, dass wir unsere Gesellschaft zusammenhalten, dass unser Gemeinwesen weiterhin gut funktioniert. Auch wenn das diesmal noch mit hohem Aufwand und großem Einsatz unserer Haushälter/-innen gelingt, stehen wir mit Blick auf das, was uns in der Zukunft bevorsteht, natürlich vor ganz großen Problemen. Das ist uns allen, glaube ich, klar.

Unsere Demokratie steht unter Druck wie nie. Wir haben das gerade in dieser Woche wieder schmerzlich gemerkt. Ich will mal sagen: Wer das Narrativ vom faulen Arbeitslosen bedient und die Bürgergeldempfänger/-innen gegen den Niedriglohnarbeiter oder Geflüchteten ausspielt, nur um kurzfristig die eigene Klientel zu bedienen, der spaltet die Gesellschaft und fügt unserer Demokratie schweren Schaden zu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wer davon redet, dass wir kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem hätten, und damit meint, wir sollten bei denen sparen, die zu schwach sind, sich zu wehren, und die über keine finanzkräftige Lobby verfügen,

(Zurufe von der CDU/CSU)

der sorgt dafür, dass immer mehr Menschen das Vertrauen in die Politik und in die Demokratie verlieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)

Soziale Investitionen – da hat Herr Heil vollkommen recht – sind kein Nice-to-have, sind keine Variable. Soziale Investitionen sind Investitionen in die Zukunft dieses Landes. Wer meint, dass der Sozialstaat überfrachtet sei, den lade ich gerne mal ein ins Paul-Löbe-Haus in den „Lampenladen“, in dem wir alle gerne lecker essen gehen, um da aus dem Fenster zu schauen in Richtung Spree. Da übernachten jeden Tag Menschen in ihren Zelten,

(Jörn König [AfD]: Opfer Ihrer Politik!)

waschen sich morgens in der Spree. So sieht das Leben eines Teils unserer Gesellschaft hier in Deutschland heutzutage aus.

(Jörn König [AfD]: Und Sie regieren! – Zurufe von der CDU/CSU)

Wer die U-Bahn nutzt und wer die S-Bahn in Berlin nutzt – das sollten Sie vielleicht häufiger mal tun –,

(Zurufe von der CDU/CSU)

der trifft oftmals auf Menschen, die nicht von A nach B wollen, sondern die sich wenigstens für einen Moment vor der Kälte schützen müssen und deswegen Zuflucht in der S- oder U-Bahn suchen. Das ist die Realität eines Teils der Menschen in diesem Land.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Das Publikum in der S-Bahn ist in der Tat lehrreich!)

– Und wer dagegen brüllt, den lade ich ein, das gleich im Anschluss mit mir zu tun.

(Jörn König [AfD]: Also ich fahre viel S-Bahn, Frau Rüffer!)

Und dann schauen wir uns an, wie die Situation in diesem Land für viele Menschen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Pascal Kober [FDP] und Matthias W. Birkwald [fraktionslos] – Zuruf von der AfD)

Die Not dieser Menschen ist und bleibt eine Schande für ein Land, das eigentlich so reich ist wie das unsere.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörn König [AfD]: Dann schaffen Sie doch die Schande ab! Sie regieren! Schaffen Sie die Schande ab!)

Die Antwort kann keine Scheindebatte über Totalverweigerer oder Ähnliches sein, sondern die Antwort muss sein, dass wir diesen Menschen unter die Arme greifen, ihnen die Unterstützung geben, die es akut braucht,

(Zuruf des Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU])

aber die es vor allen Dingen braucht, um diese Menschen aus dieser Lage wieder herauszuholen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und bei fraktionslosen Abgeordneten)

Von wem sprechen wir denn eigentlich? Es geht um Menschen mit Behinderungen, mit chronischen Erkrankungen, Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen, die weit überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit, von Armut und von Obdachlosigkeit betroffen sind, um Leute, über die jemand wie Aiwanger sagt, es seien „Taugenichtse“. Aber die Würde des Menschen ist unantastbar, und sie ist keine Verhandlungsmasse.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dass sie für uns keine Verhandlungsmasse ist, das hat unser Sprecher für Haushaltspolitik hier am Dienstag gesagt, und genau das meinen wir, wenn wir über die inklusive Gesellschaft sprechen. Demokratie braucht eine Haushaltspolitik, die Diskriminierung abbaut, Armut beseitigt und eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht.

(Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])

Strukturen, die nicht funktionieren, erschüttern allerdings das Vertrauen der Menschen in uns als Politiker und in diese Demokratie insgesamt. Wenn wir es noch länger versäumen, in die Zukunft unseres Landes zu investieren, aufgrund irgendeiner diffusen Angst vor Schuldenbergen, mit kurzfristigen Sparmaßnahmen im Blick und einem dogmatischen Festhalten an der Schuldenbremse, dann wird es richtig teuer. Unsere Demokratie wird irgendwann zur Verliererin; denn sie erträgt kein Mehr an Ungleichheit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Pascal Kober für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)