Merle Spellerberg
11.04.2024

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir hier in Deutschland über die Arktis sprechen, dann sind die ersten Bilder im Kopf bei einigen vielleicht abenteuerliche Expeditionen durchs Eis oder Eisbären, die auf einer Scholle durchs Wasser treiben. Aber die Arktis hat sich in den letzten 40 Jahren fast viermal so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt und beeinflusst das globale Klimasystem massiv. Die dramatischen Auswirkungen sind schon heute zu spüren und werden in der Zukunft noch katastrophaler. Ich bin im Übrigen der Ampel dankbar für die Sicherstellung der Finanzierung des Forschungsschiffes „Polarstern II“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Durch das Schmelzen des Eises beginnt auch der Wettbewerb um neue Handelsrouten, Tourismusmöglichkeiten und die Ausbeutung von Öl-, Gas- und Mineralvorkommen in der Tiefsee. In Zeiten von Frieden ist das etwas, was die Anrainerstaaten und die internationale Gemeinschaft gemeinsam regulieren können. Aber in diesen Zeiten leben wir nicht. Woran wir also neben Eisbären denken müssen, ist, dass sich in der Arktis gerade ein neues Spielfeld der Geopolitik eröffnet. Die größte Herausforderung ist hierbei der Umgang mit Russland und China als Akteure in der Arktis.

Die Zusammenarbeit mit Russland im Arktischen Rat ist aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine richtigerweise ausgesetzt. Nach Jahren der Kooperation müssen wir nun also russische Alleingänge verhindern. Wir müssen die zunehmende Militarisierung, die Ausnutzung von Ressourcen und weitere Klimaschäden in der Arktis stoppen – und das alles ohne ein Gegenüber, das zu einem friedlichen Miteinander bereit ist.

Und auch China hat seine ganz eigenen Ambitionen in der Region. Neben wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen werden vor allem auch die eigenen militärischen Fähigkeiten in der Arktis ausgebaut. Schon in der China-Strategie haben wir uns dafür ausgesprochen, dass die Arktis ein konfliktfreier Raum bleiben muss, und das muss sich auch in unseren neuen Leitlinien deutscher Arktis-Politik wiederfinden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ulrich Lechte [FDP])

Insofern stimme ich mit Ihnen überein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union: Wir müssen unsere Politik der Arktis erneuern. Und ich freue mich, dass die Bundesregierung bereits daran arbeitet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Leitlinien deutscher Arktis-Politik müssen ganzheitlich gedacht werden. Frieden, Umwelt- und Klimaschutz müssen an erster Stelle stehen. Wir brauchen beispielsweise schon heute ein Moratorium für den Tiefseebergbau, um bleibende Umweltschäden in der Arktis zu verhindern und Lebensräume zu schützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Arktis darf kein Schauplatz für weitere geopolitische Machtkämpfe werden. Wir müssen mit unseren Partnerinnen und Partnern gemeinsam Lösungen für die Sicherheit in der Region finden.

(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deutschland hat als Teil der EU und als Teil der NATO eine Verantwortung für Frieden und für Stabilität. Wir müssen jegliche Chance nutzen, um dies zu erreichen und um eine weitere Militarisierung des Raumes zu verhindern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Zum Schluss möchte ich noch einen sehr wichtigen Punkt machen. Jegliche Arktis-Politik steht nicht im luftleeren Raum. Denn die Bevölkerung der arktischen Gebiete, besonders indigene Gruppen, ist einerseits von den Auswirkungen der Klimakrise, aber eben auch von der zunehmenden Relevanz der Region als geostrategischer Raum besonders stark betroffen. Gerade deshalb müssen die Leitlinien klarmachen, dass insbesondere die indigene Bevölkerung ein Recht auf Selbstbestimmung hat und bei allen Entscheidungen, die die Arktis betreffen, miteinbezogen werden muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich freue mich in diesem Rahmen auf den weiteren Austausch zu diesem wichtigen Thema.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Vielen Dank, Frau Spellerberg. – Wie angekündigt, werden die Reden von Ulrich Lechte, Andrej Hunko und Dr. Holger Becker für FDP, BSW und SPD zu Protokoll gegeben.

Jetzt gebe ich das Wort dem Kollegen Thomas Silberhorn für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)