Rede von Dr. Julia Verlinden Ausbau des Schienennetzes

Foto von Julia Verlinden MdB
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion / Kaminski
21.09.2023

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bahn kann mehr. Wir wollen eine neue Bahn; eine Bahn, mit der die Menschen gerne fahren, mit der sie zufrieden sind, auf die die Menschen stolz sein können; eine Bahn, die verlässlich und komfortabel ist und das Rückgrat von moderner und klimafreundlicher Mobilität in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Machen Sie das doch einfach! Sie regieren doch!)

Wir wollen eine Bahn, die pünktlich und regelmäßig fährt, in die wir entspannt einsteigen können, ob mit Rollstuhl oder Fahrrad, wo wir einen leckeren Snack essen können und wo die Zeit wie im Fluge vergeht,

(Stephan Brandner [AfD]: In der wir nicht erstochen werden!)

in der wir mit schnellem Internet die Zeit gut nutzen können zum E-Mail-Schreiben oder dazu, einfach mal die Serie in Ruhe zu Ende zu schauen; eine Bahn, von der wir wissen, dass sie uns schnell, sicher, bequem bei Wind und Wetter zu unserem Ziel bringt.

Es gibt viel zu tun. Über Jahrzehnte wurden die Bahn und die Schiene in Deutschland kaputtgespart. Es wurde zu wenig investiert, mehrere Bundesregierungen der Vergangenheit schauten einfach planlos zu, ohne Ziel, ohne Vision.

Der Gipfel dieser Entwicklung war ein CSU-Verkehrsminister Andi Scheuer, der sich, anstatt sich um die Bahn zu kümmern, eine rechtswidrige Ausländer-Maut ausdachte. Und weil er das so verbockt hat, kostete es die Steuerzahler/-innen sage und schreibe 243 Millionen Euro. Hätte er das Geld mal lieber in die Bahn investiert!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Ergebnis der Politik der letzten Jahrzehnte ist: Die Menschen in Deutschland sind unzufrieden mit der Bahn. Das müsste so nicht sein; denn die Bahn könnte so viel mehr!

Eines möchte ich ganz deutlich sagen: Wenn ich diese aktuellen Missstände bei der Bahn beschreibe, dann sind dafür nicht die Beschäftigten verantwortlich. Ganz im Gegenteil: Die hart arbeitenden Eisenbahnerinnen und Eisenbahner leiden am meisten darunter, auch unter dem Frust der Bahnfahrenden, der bei ihnen ankommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Mittelpunkt sollte wieder der Fahrgast stehen. Die Ampelkoalition hat sich hier ambitionierte Ziele gesetzt, die wir nur mit einer neuen starken Bahn erreichen. Wir wollen die Zahl der Fahrgäste bis 2030 verdoppeln und den Marktanteil der Schiene beim Güterverkehr auf 25 Prozent erhöhen. Das ist eine riesige Aufgabe, und deshalb werden wir erheblich mehr Geld in die Schiene investieren als in die Straße. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der AfD: Warum macht ihr es nicht?)

Aber diese Investitionen müssen jetzt auch im wahrsten Sinne des Wortes auf die Schiene gebracht werden. Die angekündigten Generalsanierungen der Bestandsstrecken dürfen wirklich nicht auf die lange Bank geschoben werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Sehr gute Idee!)

Überall in Deutschland, auch in meiner Region, staut sich der Frust bei vielen Pendlerinnen und Pendlern tagtäglich auf, wenn Züge beispielsweise bei mir zwischen Hamburg, Lüneburg und Hannover ausfallen oder sich verspäten.

Um gleich bei dem Thema Schieneninfrastruktur Nord-Ost-Niedersachsen zu bleiben, das in den letzten Tagen wieder für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat: Ob die Kapazitäten auf einer ausgebauten Bestandsstrecke ausreichen, um die Verkehrswende wirkungsvoll voranzubringen, ist wirklich mehr als fraglich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Vergleiche der verschiedenen Trassenvarianten, die die Deutsche Bahn erstellt hat, liegen dem Verkehrsministerium seit Monaten vor. Wir Parlamentarier/-innen wollen diese endlich prüfen und mit der Öffentlichkeit diskutieren; denn wir Abgeordneten sind doch auch diejenigen, die am Ende die Entscheidung treffen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Ampelkoalition hat sich auf eine Verbesserung der Schieneninfrastruktur, eine Beschleunigung des Bahnverkehrs und einen Taktfahrplan und das deutlich bessere Angebot verständigt. Das ist auch für die Menschen in den Regionen dringend notwendig, für diejenigen, die eine Anbindung an ein gutes Fernverkehrs- und insbesondere auch an ein besseres Regionalverkehrsangebot brauchen. Deswegen sind diese Beratungen zu diesem Thema Hamburg–Hannover im Bundestag für uns noch lange nicht abgeschlossen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU] – Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Ach du liebe Güte!)

Ich sage klipp und klar: Wir haben im Verkehrssektor eine klaffende Klimaschutzlücke von circa 200 Millionen Tonnen CO, und die Schiene ist eine zentrale Antwort darauf. Vor diesem Hintergrund werden wir uns auch die vielen, vielen Straßenprojekte im Bundesverkehrswegeplan noch einmal sehr genau anschauen und priorisieren müssen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um die Bahn wieder verlässlich und pünktlich zu machen, werden wir über den Deutschlandtakt nicht nur reden, sondern für seine Umsetzung sorgen.

(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Bis 2070!)

Wenn alle Züge an Knotenbahnhöfen zur selben Zeit halten, wird Umsteigen viel einfacher und kostet weniger Zeit. Dazu sollen auf den wichtigsten Routen alle 30 Minuten Züge fahren. So steht jederzeit ein Zug bereit. Bahnfahren wird so einfach und schnell wie nie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Damit das gelingt, werden wir die Gewinne aus der Schiene künftig vollständig für die Schiene verwenden.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Was soll denn das?)

Mit unserer neuen Infrastrukturgesellschaft InfraGO werden wir Gemeinwohl statt Rendite in den Mittelpunkt stellen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit der heute vorliegenden Novelle des Bundesschienenwegeausbaugesetzes ermöglichen wir, dass der Bund künftig auch Instandsetzung und Unterhaltung finanzieren und aktiven Einfluss auf die Umsetzung nehmen kann. Das ist sehr wichtig.

Es ist kein Geheimnis, dass meine Fraktion sich von der Bundesregierung noch mehr Tempo beim Voranbringen der Bahn wünscht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU])

Die Klimakrise wartet nicht. Die Menschen im Land wollen endlich wirklich spürbare Verbesserungen bei der Bahn sehen. Der große Erfolg des 49-Euro-Tickets hat gezeigt: Wenn es ein ansprechendes Angebot gibt, lassen die Menschen das Auto stehen

(Michael Donth [CDU/CSU]: Das ist kein ansprechendes, das ist ein billiges Angebot!)

und fahren mit der Bahn. Rund 5 Prozent aller Fahrten mit dem Deutschlandticket wären im Juli laut VDV sonst mit dem Auto unternommen worden. Diese Entwicklung müssen wir nun mit dem kraftvollen Ausbau der Schiene konsequent weiterverfolgen.

Wenn wir dies alles mit voller Energie tun, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann werden wir bald nach einer Bahnfahrt nicht mehr über verspätete Züge meckern, sondern allenfalls über das Wetter am Zielort.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bernd Riexinger hat das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)