Rede von Swantje Henrike Michaelsen Autoführerschein

Swantje Michaelsen
14.03.2024

Swantje Henrike Michaelsen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Okay, wow!

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Kommen wir zurück zum Thema.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es stimmt, dass es momentan Probleme gibt, die den Erwerb des Führerscheins zu einer Herausforderung machen. Wartezeiten und Kosten sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, und das liegt nicht zuletzt an den Strukturen, die über Jahrzehnte nicht weiterentwickelt wurden.

Gleichzeitig ist es problematisch, dass die Union hier wieder suggeriert, der Führerschein sei die Garantie dafür, dass alle Menschen mobil sein können, und wenn es nur gelänge, die Kosten zu senken, sei alles gut und gerecht. Das Auto war nie inklusiv, und das ist es auch heute nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU])

Selbst wenn es Menschen mit wenig Geld gelingt, den Führerschein zu finanzieren, so zeigen Statistiken doch eindeutig, dass mit sinkendem Einkommen auch der Autobesitz sinkt. In der Folge bedeutet das: Je weniger Geld, desto weniger Automobilität.

Auch andere Gruppen können eben nicht teilhaben, wenn die Mobilität einseitig aufs Auto ausgerichtet ist: Kinder und Jugendliche sind per se vom Autofahren ausgeschlossen. Sie sind stattdessen mit dem Rad oder zu Fuß, mit Bus oder Bahn unterwegs. Und es ist traurig und ein sehr geringer Anspruch an ein inklusives Mobilitätssystem, wenn der Führerscheinerwerb in Zukunft die einzige Hoffnung sein soll.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch ältere Menschen sind allzu oft von der Automobilität ausgeschlossen. Letzte Woche war ich auf einer Veranstaltung, und da erzählte ein Teilnehmer von seiner alten Mutter, die im ländlichen Raum lebt, nicht mehr Auto fahren kann und auch nicht mehr will und keine vernünftige Alternative hat. Als Sackgasse bezeichnete jener Teilnehmer unser Mobilitätssystem, weil es Menschen, die nicht Autofahren können oder wollen, in Teilen des Landes systematisch von Mobilität ausschließt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Mathias Stein [SPD])

Ein anderer Punkt: Sie schreiben in Ihrem Antrag zwar, dass die Verkehrssicherheit gewahrt werden muss, in Ihren Forderungen und auch in Ihrer Rede kam davon dann aber nicht mehr viel. Dabei müssen wir doch gerade in den Fahrschulen die Anstrengungen für Verkehrssicherheit dringend erhöhen.

Noch immer sterben in Deutschland an jedem einzelnen Tag fast zehn Personen im Straßenverkehr. Jede und jeder von uns kennt im näheren Umfeld mindestens eine Person, die im Straßenverkehr getötet wurde. Tagtäglich erleben wir auf den Straßen, dass Regeln nicht eingehalten werden, dass gerade verletzlichste Verkehrsteilnehmer/-innen aggressivem Verhalten ausgesetzt sind, dass Überholabstände nicht eingehalten werden und dass viele Menschen kein Bewusstsein dafür haben, welche Gefahr faktisch von ihnen ausgeht, weil das Verkehrsmittel Auto, das sie benutzen, sehr schnell und sehr schwer ist.

Und ja, es gibt Rücksichtslose, Unvorsichtige oder Dumme auf und in allen Verkehrsmitteln. Aber die einen wiegen 80 Kilo, und die anderen wiegen 1 bis 2 Tonnen. Die einen gefährden im Wesentlichen sich selbst und die anderen ihr gesamtes Umfeld. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in der Fahrschulausbildung die Verkehrssicherheit viel höher priorisieren. Es reicht eben nicht, wenn wir einmal sagen, dass uns die Verkehrssicherheit so wichtig ist, sondern wir müssen dann auch alle Änderungen im Fahrschulrecht darauf überprüfen und daran ausrichten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Gerade vor diesem Hintergrund sind einige Ihrer Forderungen nicht sinnvoll oder müssten zumindest sehr bedacht angegangen werden. So kann der Einsatz von Fahrsimulatoren als Ergänzung dienen; er darf aber keinesfalls das sorgfältige Üben im realen Verkehr ersetzen. Die Öffnung für weitere Prüforganisationen kann bei den Prüfkapazitäten Entlastung bringen; sie darf aber keinesfalls dazu führen, dass ein Wettbewerb um geringere Durchfallquoten zulasten der Verkehrssicherheit entsteht.

Ich komme zum Fazit. Ein inklusives Mobilitätssystem ist eben viel mehr als ein kostengünstiger Führerschein. Es ist aber sinnvoll, dass wir uns die Strukturen angucken, die momentan zu Problemen beim Führerscheinerwerb führen. Für einige Punkte, wie die Aufhebung des Monopols für Führerscheinprüfungen, gibt es sogar Vereinbarungen im Koalitionsvertrag.

(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Machen!)

Hier ist also das Ministerium gefordert, zeitnah in die Umsetzung zu kommen. Dabei muss aber die Verkehrssicherheit oberste Priorität haben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Florian Müller [CDU/CSU]: Also, die Grünen stimmen zu?)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Der nächste Redner spricht für die Bundesregierung, und das ist Oliver Luksic, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)