Rede von Dr. Julia Verlinden Balkonkraftwerke

Foto von Julia Verlinden MdB
25.05.2023

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor sechs Jahren hat mein Stromnetzbetreiber mir gedroht, mich vom Netz abzuklemmen. Ich hatte diesen Stromnetzbetreiber darüber informiert, dass ich mir eine kleine 150-Watt-Steckersolaranlage gekauft hatte und diese zu Hause nutzen wollte. Das waren noch Zeiten, sage ich Ihnen! Damals galt ich als sogenannte Solarrebellin,

(Timon Gremmels [SPD]: Den hast du doch gern getragen, den Titel!)

weil manche deutsche Netzbetreiber das verhindern wollten, was in verschiedenen Ländern in Europa längst üblich war, nämlich dass auch Menschen, die kein eigenes Dach haben, auf dem Balkon oder ihrer Terrasse selbst Strom produzieren. Und wissen Sie was? Inzwischen ist meine Anlage größer, und es gibt Hunderttausende von Menschen in Deutschland, die sich genau solch eine Anlage besorgt haben. Ich freue mich darüber sehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Denn natürlich wollen sich auch Mieter/-innen an der Energiewende beteiligen oder Menschen, die nicht gleich das Geld für eine große Anlage auf dem Dach haben.

Liebe Unionskolleginnen und ‑kollegen, ich habe in meiner Rede hier im Bundestag vor fünf Wochen zum Atomausstieg gesprochen; vielleicht erinnern Sie sich.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nee! )

Damals habe ich Ihnen den Tipp gegeben: Wenn Sie Ihre Phantomschmerzen wegen des Atomausstiegs behandeln wollen, die sie verspüren, weil die Atomkraftwerke in Deutschland vor wenigen Tagen für immer vom Netz gegangen sind,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

empfehle ich Ihnen, eine Bürgerenergiegenossenschaft im Wahlkreis zu besuchen. Denn der Wunsch seit den 80er-Jahren, losgelöst von den Interessen großer Energiekonzerne die Energieerzeugung mehr und mehr in die Hände von Bürgerinnen und Bürgern zu legen und saubere Technologien weiterzuentwickeln, das war der Start der Energiewende in Deutschland mit einer beeindruckenden Akteursvielfalt.

Und ich erzählte Ihnen von der Union, dass es ein großartiges Gefühl sei, seinen Strom selbst zu erzeugen. Ja, das ist es in der Tat.

(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Genau!)

Ein Kollege der Union widersprach damals, vor fünf Wochen, heftig; Sie können das alles im Protokoll vom 19. April nachlesen. Interessanterweise scheinen Sie sich als Union ja nicht ganz entscheiden zu können, ob Sie es jetzt gut finden, dass Menschen bei der Energiewende mitmachen, oder nicht. Ich glaube, Sie sollten sich mal entscheiden, was Ihr Weg bei der Energiewende sein soll.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Warum weichen Sie so aus? Warum lenken Sie so ab? Warum lenken Sie vom Antrag ab?)

Ich freue mich jedenfalls, dass die Petition zum Thema Balkonsolar so viel Unterstützung gefunden hat. Über 100 000 Menschen finden die Regeln aus Ihrer Regierungszeit zu bürokratisch. Darum kümmern wir uns jetzt als Ampel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen freue ich mich sehr, dass das Klimaministerium so engagiert an einer Solarstrategie arbeitet, zahlreiche konkrete Punkte in einem breiten Dialogprozess vorgelegt hat und auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung bereits vorliegt, sodass künftig alle das Recht auf die Installation und Nutzung von kleinen Solaranlagen haben.

Bestimmt kennen Sie alle jemanden, der stolz sein Smartphone zückt, um zu zeigen, wie viel Strom die eigene Anlage heute wieder produziert hat. Das fasst sehr gut zusammen, wie sich die Stimmung zu den Erneuerbaren seit der Zeit der Ampel gedreht hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])

Es werden Investitionen getätigt. Die installierte Leistung wächst mit jedem Tag. Wir schaffen die Ziele des Solarausbaus für dieses Jahr. Und vor allem: Es gibt Zuversicht, dass es jetzt in großen Schritten mit dem Ausbau der Erneuerbaren und der Transformation vorangeht.

(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Meine Anlage ist vier Jahre alt!)

– Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie dazu noch Rückfragen haben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt ja sehr viel Unruhe in der Unionsfraktion. Ich kann nicht jedes Wort verstehen, was Sie gerade rufen; aber melden Sie sich gerne für eine Zwischenfrage, dann können wir das sehr gerne diskutieren.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wir machen es lieber in Zwischenrufen! Ist das verboten? Will die Ampel jetzt auch Zwischenrufe verbieten?)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Die Sonne scheint für alle.

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, jetzt gerade aber nicht!)

Und dank dieser Regierung, dieser Ampel, wird sehr bald auch Strom für alle daraus werden können: auf dem Balkon, im Garten und auf dem Dach.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Verlinden. Ich wollte Sie nicht enttäuschen, aber ich hätte die Zwischenfrage nicht zugelassen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Ich habe es doch gewusst!)

Nächster Redner ist der Kollege Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)