Rede von Dieter Janecek Bekämpfung von Inflation und Insolvenzen

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23.09.2022

Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Czaja, die wirtschaftliche Situation ist für viele Betriebe in Deutschland besorgniserregend. Für manche geht es an die Existenz. Wir haben steigende Energiekosten durch den russischen Angriffskrieg. Allein die Ersatzbeschaffung für russisches Gas in diesem Jahr kostet uns um die 60 Milliarden Euro, im nächsten Jahr 100 Milliarden Euro. Volkswirtschaftlich sind das gigantische Verluste.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Fehlentscheidungen! Unfähigkeit!)

Wir erleben die Unterbrechung der internationalen Lieferketten, auch durch Entscheidungen in China, etwa durch die Null-Covid-Politik dort. Die Zinswende der Zentralbanken belastet natürlich auch Unternehmen, zum Beispiel im Bausektor, in der Immobilienwirtschaft. Dort haben wir jetzt einen deutlichen Downturn zu erwarten. Und auch die in der Sache berechtigten höheren Lohnforderungen sind natürlich aufgrund von Inflation für viele Unternehmen erst mal eine Belastung.

Diese Probleme betreffen aber zurzeit nicht uns singulär; sie betreffen alle europäischen Länder: Glashersteller in Frankreich, Stahlwerke in Spanien, Düngemittelfabriken in Polen. Viele Branchen stehen vor großen Herausforderungen, und daher brauchen wir auch europäische Lösungen. Der Unionsantrag nennt nicht mit einem Wort Europa. Das zeigt, wie beschränkt Sie hier wieder agieren. Das war doch schon in der Vergangenheit das Problem.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir brauchen eine europäisch abgestimmte, koordinierte Energiepolitik. Frankreich zum Beispiel leidet zurzeit unter den extrem hohen Strompreisen, weil sich dieses Land von der Atomkraft völlig abhängig gemacht hat. Deswegen mussten wir diesen Sommer und diesen Herbst aushelfen, um Frankreich zu stabilisieren.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Deutschland hat sich in der Vergangenheit durch Vorgängerregierungen in einer Art und Weise von russischem Gas abhängig gemacht, was uns heute in diese Bredouille, in diese schwierige Situation, gebracht hat. Das heißt, die undurchdachte Energiepolitik der Vergangenheit ist ein Grund für das Desaster heute, und wir müssen damit umgehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das gehört auch zur Ehrlichkeit: Hätten Sie uns nicht in die Abhängigkeit von solchen Autokraten geführt, würden wir heute anders dastehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Die Grünen waren schon immer für LNG! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ich glaube, Herr Trittin war derjenige, der LNG nicht wollte!)

Wenn Sie sagen wollen, dass wir mit zu wenig Dynamik handeln würden, ist das wirklich eine Feststellung, die lachhaft ist. Es gab kein Wirtschaftsministerium in den letzten Jahrzehnten, das so dynamisch auf eine Krise reagiert hat wie dieses Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben bei Regierungsübernahme leere Gasspeicher übernommen. Jetzt, in schwierigster Lage, haben wir volle Gasspeicher.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Seitdem können wir übrigens auch Preise wieder drücken, weil wir in der Lage sind, dass wir nicht mehr zu jedem Preis einkaufen müssen. Wir müssen die Einkaufspolitik der Europäischen Union beim Thema Gas bündeln.

(Zuruf von der CDU/CSU: Klappt ja wunderbar!)

Natürlich müssen wir auch den Unternehmen helfen. Deswegen steht jetzt in den Verhandlungen im Kabinett, im Parlament ganz konkret an, dass wir ein Energiekostendämpfungsproramm für alle energieintensiven Betriebe auf den Weg bringen und insbesondere auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen stützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir können aber auch die dysfunktionalen Energiemärkte, die wir vorfinden, nicht so im Bestand lassen. In einer solchen Krisensituation geht es auch darum, Zufallsgewinne abzuschöpfen. Deswegen setze ich sehr auf die Verhandlungen im EU-Ministerrat kommende Woche. Diese werden alles andere als einfach; denn man kann natürlich auf den Märkten auch schon Ausweichbewegungen sehen. Sie versuchen, sich vor solchen Zufallsgewinnabschöpfungen sozusagen zu verstecken. Aber aufgrund der Tatsache, dass es bei der Produktion von Strom ganz andere Renditen als beim Verkauf gibt, ist es notwendig, das anzugehen und zu sagen: Das geben wir zurück an die Kunden, an die Unternehmen, damit wir den Strompreis senken können.

Größte Aufgabe der Politik ist jetzt, die Preise nach unten zu bringen.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wann denn?)

Das leisten wir mit einer Ausweitung des Angebots bei LNG, beim Eingriff in den Strommarkt, beim Hochfahren der Kohlekraftwerke:

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Zwei Kohlekraftwerke? Eins!)

All das bringen wir auf den Weg, und wir haben in den letzten Wochen entschlossen gehandelt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir entlasten auch die energieintensiven Unternehmen bereits jetzt mit über 1,7 Milliarden Euro bei der Energie- und Stromsteuer durch die Verlängerung des Spitzenausgleichs um ein Jahr. Die Anpassung der Insolvenzregelung ist in Planung, Unternehmen sollen nicht mehr ihr Fortbestehen über die nächsten zwölf, sondern nur noch über vier Monate nachweisen. Dass wir das tun, auch das ist krisenrelevant.

Ganz zum Schluss möchte ich auf das Relevanteste eingehen. Wir können jetzt abfedern; wir können helfen. Das tun wir mit der finanziellen Stärke unseres Staates. Ich bin der Meinung: Wir sollten in einer solchen Krisensituation eher mehr finanzielle Stärke nutzen als weniger.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es geht jetzt auch um das Thema „Energieeffizienz und Zukunftsinvestitionen“. Im „Handelsblatt“ gab es heute ein gutes Editorial dazu. Es ist in einer solchen Krise auch die Chance verborgen, dass wir uns jetzt wettbewerbsfähig aufstellen. Deswegen ist der Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung, der auf 35 Milliarden Euro erhöht worden ist, ein relevantes Instrument, um nach vorne zu schauen. Wir müssen uns unabhängig machen von russischer Energie. Aber wir müssen jetzt auch die Maßnahmen ergreifen, damit wir wettbewerbsfähig mit erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, neuen Geschäftsmodellen in eine bessere Zukunft schauen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Janine Wissler.

(Beifall bei der LINKEN)