Rede von Misbah Khan Datenschutz und Informationsfreiheit

21.04.2023

Misbah Khan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Professor Kelber! Wann immer es heißt, irgendetwas Sinnvolles gehe nicht wegen Datenschutz, liegt es nicht am Datenschutz – das ist Kelber’s Law, also Kelbers Gesetz; so hatte der Netzaktivist „padeluun“ diese Weisheit benannt, Herr Kelber.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Wo ist er denn?)

Heute, zwei Jahre später, konnten wir es hier vor wenigen Minuten wieder sehen: Wann immer die Rede von einem vermurksten Digitalprojekt ist, wird die Schuld den Datenschützenden in die Schuhe geschoben.

Schaut man sich die lange Liste der gescheiterten IT-Großprojekte in der Vergangenheit an – DE-Mail, der digitale Führerschein oder die verschlafene Digitalisierung der Verwaltung –, kann man sagen: Selbstverständlich lag das nicht an bockigen Datenschützern. Bei genauer Betrachtung wird klar, dass sogar das Gegenteil der Fall ist: Datenschützende sind keine Blockierer; sie sind vielmehr die Ermöglicher einer vertrauensvollen und gelungenen Digitalisierung und tragen viel dazu bei, dass IT-Projekte trotz aller Herausforderungen erfolgreich umgesetzt werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manuel Höferlin [FDP])

Ein von vornherein mitgedachter und bestenfalls schon in der Technik verarbeiteter Datenschutz by Design ist die Grundlage für eine gelungene Digitalisierung. Daher möchte ich Ihnen, dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, und Ihrem gesamten Haus für Ihren unermüdlichen Einsatz zum Schutz unserer Grundrechte sehr herzlich danken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der 31. Tätigkeitsbericht zeigt die enorme Bedeutung der beharrlichen Arbeit des BfDI und auch die bestehenden Missstände, die wir als Gesetzgebende natürlich dringend angehen müssen und werden. Dass wir heute im Plenum zum allerersten Mal überhaupt über einen Tätigkeitsbericht sprechen, zeigt die gewachsene Anerkennung, die wir als Parlament dem Thema „Datenschutz und Informationsfreiheit“ zuschreiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Starke Datenschutzbehörden im Bund und in den Ländern sind elementar für die Grundrechte. Wir freuen uns deshalb, dass wir darüber sprechen können.

In der Öffentlichkeit kommt – das hat die Kollegin vorhin schon gesagt – das zweite Aufgabenfeld noch zu kurz, die Informationsfreiheit. In einem modernen Staat sollte es selbstverständlich sein, dass Daten öffentlich zugänglich sind. Es sollte selbstverständlich sein, dass eine bessere demokratische Kontrolle möglich ist, und natürlich auch, dass wirtschaftliche Mehrwerte geschaffen werden.

Es kann deshalb nicht sein, dass der Staat, etwa in Form der Bayerischen Vermessungsverwaltung, Bürger/-innen auf Unsummen verklagt, wenn diese mit Steuergeld erhobene Daten weiterverwenden und zur Verfügung stellen. Es braucht also ein Transparenzgesetz. Wir brauchen das auch, um die Verwaltung zu entlasten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Tätigkeitsbericht verdeutlicht, dass Datenschutz nicht nur etwas Technisches ist, sondern Menschen schützt: sei es im Gesundheitsbereich, wenn es um die Krankheitsgeschichte geht, bei Smartphones und Smarthomes, wenn es um unsere Lebensgewohnheiten geht, und natürlich auch bei der Nutzung sozialer Medien. Zuletzt wurde das Thema „Medizinische Daten“ viel diskutiert. Gut, dass dies ein Schwerpunkt in diesem Tätigkeitsbericht ist.

Bei Digitalisierung und Gesundheit herrscht ganz oft das Narrativ, dass Datenschutz wichtige Forschung blockieren würde. Manche raunen sogar: Datenschutz kostet Menschenleben. – Das ist eine unerhörte Behauptung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

– Die Gesundheitspolitiker klatschen, das freut mich. – Viel eher ist das Gegenteil der Fall: Datenschutz ist Menschenschutz. Eine unsachgemäße Verwendung von sensiblen Gesundheitsdaten kann gravierende Folgen haben, die wir verhindern möchten. Es ist also wichtig, dass Menschen ihren Ärztinnen und Ärzten vertrauen, damit sie diese Daten überhaupt an diese weitergeben.

Datenschutz ist also kein notwendiges Übel, sondern die Voraussetzung für eine menschenzentrierte wissenschaftliche Forschung.

(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nur wenn die betroffenen Menschen Vertrauen in den sorgfältigen Umgang mit ihren Daten haben, sind sie bereit, diese auch mit der Forschung zu teilen. Daher ist es von größter Bedeutung, dass sowohl Wissenschaftler/-innen als auch Datenschützende eng zusammenarbeiten, um den bestmöglichen Schutz der Daten zu gewährleisten und gleichzeitig die Potenziale für wissenschaftliche Forschung im Gesundheitsbereich zu nutzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manuel Höferlin [FDP])

Forschung und Datenschutz sind also im Kern gleich: Beiden ist es wichtig, das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Dementsprechend ist es ein Widerspruch, wenn man sagt: Das eine geht nicht mit dem anderen. Man muss schauen, wie man da zusammenkommt. Beides geht nicht. – Das stimmt nicht. Datenschützende haben bewiesen, dass sie nicht nur Kritik üben, sondern im Bereich der Forschung auch konstruktiv beraten und unterstützen können.

Zusammengefasst: Der Tätigkeitsbericht zeigt: Den alles blockierenden Datenschützer gibt es nicht. Das ist ein Mythos. Es ist traurig, ihn – das ist an der Stelle auch an die CDU adressiert – als Sündenbock für die verkorkste Digitalpolitik zu verwenden. Ich empfehle, den Tätigkeitsbericht zu lesen. Vielleicht hilft das, und es macht Freude, in sich zu gehen.

Vielleicht kann man Kelber’s Law noch einen weiteren Paragrafen hinzufügen: Wann immer ein IT-Projekt erfolgreich gelaufen ist, war der BfDI von Anfang an mit eingebunden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Manuel Höferlin [FDP])

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Steffen Janich hat das Wort für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)