Rede von Corinna Rüffer Bericht des Petitionsausschusses 2017

07.06.2018

Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Liebe Demokratinnen und Demokraten! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich muss in Richtung der AfD einmal für Aufklärung sorgen. Während hier die Backen aufgeblasen werden, wahrscheinlich um das eigene Publikum zu bespaßen, läuft es im Petitionsausschuss folgendermaßen: In 95 Prozent aller Fälle stimmt die AfD mit der Großen Koalition. Ich glaube, das sollten alle weitererzählen, damit kein falscher Eindruck entsteht.

(Sören Pellmann [DIE LINKE]: Hört! Hört!)

Herr Todtenhausen hat das schon richtig festgehalten. Das entspricht den Tatsachen.

Aber nun zum Thema. Der Petitionsausschuss ist eine der besten und wertvollsten Einrichtungen, die dieses Parlament zu bieten hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Er ist der Ort der Rückkopplung und der direkten Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Menschen in dieser Republik, und er verfügt – ich glaube, das wissen nicht alle – über ganz besonders starke Instrumente. Es ist eben kein schwacher Ausschuss, sondern es ist ein starker Ausschuss, und das sollten wir hier im Parlament zur Kenntnis geben und auch nach draußen vermitteln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Dass diese Stärke der direkten Kommunikation und diese starken Instrumente heute wichtiger sind denn je, ist, glaube ich, allen klar, die auch nur ein paar Sekunden darüber nachdenken. Denn: „Wie verhindert man einen deutschen Trump?“ Das war der Titel eines Artikels in der „Zeit“ von Christoph Herwartz; er ist 2016 erschienen. Die Antwort, die er gegeben hat, wird vielleicht manche auf den ersten Blick überraschen – diejenigen, die im Petitionsausschuss mitarbeiten, glaube ich, eher weniger –; er hat geschrieben: „Der Bundestag bräuchte einen modern funktionierenden Petitionsausschuss.“ Das zeigt, dass Journalistinnen und Journalisten, dass Intellektuelle in diesem Land verstanden haben, dass Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung gestärkt werden muss und dass der Petitionsausschuss bzw. das Petitionswesen nach Artikel 17 unseres Grundgesetzes ein Mittel sein kann, das wir mit allem, was wir haben, im Sinne unserer Demokratie stark zu machen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Dann muss man auch ganz deutlich sagen, dass wir im Jahr 2017 – und darüber reden wir im Moment – leider noch nicht den Petitionsausschuss hatten, den wir eigentlich bräuchten, um die Aufgaben zu erfüllen, die wir heute zu bewältigen haben. Einige Anhaltspunkte dafür sind genannt worden.

Wir haben eine geringe Zahl von Petitionen. Martina Stamm-Fibich, die gerade leider nicht zu Ende reden konnte – sie ist eine unserer besten Frauen im Petitionsausschuss –, hat es gesagt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir sind heute bei der Anzahl der Petitionen auf dem Niveau der 80er-Jahre, während die privaten Plattformen – und da sind einige von rechts dabei, die sehr zwielichtige Intentionen verfolgen –

(Martin Hebner [AfD]: Unsinn!)

viel mehr Menschen hinter sich versammeln. Und dann müssen wir uns doch überlegen, wie wir das wieder ändern können.

Wir haben vor einiger Zeit – im Mai 2017 – darüber geredet. Damals hatten wir eine Sachverständigenanhörung. Ganz viele Punkte sind hier schon genannt worden. Wir diskutieren über so viele relevante Themen. Wir reden darüber, dass der Petitionsausschuss der Seismograf ist, dass man da genau sehen kann, was die Leute berührt, und das sind nicht die europäischen Außengrenzen. Das ist die Arbeitsmarktpolitik. Das ist die Sozialpolitik. Das ist die Gesundheitspolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Das ist die Behindertenpolitik. Das ist die Armut von Kindern und auch erwachsenen Menschen in diesem Land. Und Sie treiben den Spalt in die Gesellschaft hinein, anstatt diese Gesellschaft wieder miteinander zu versöhnen und eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, wo jeder seinen Platz findet. Gemessen an dieser Herausforderung muss der Petitionsausschuss hier im gesamten Parlament mehr Gehör finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

Wenn wir Petitionen haben, die eine so starke Unterstützung von Zehntausenden von Menschen finden, dann sollten wir uns – in Anführungszeichen – endlich mal herablassen und die Debatten, die die Menschen wollen, ins Parlament hineintragen. Dann haben die nämlich das Gefühl, dass sie hier richtig aufgehoben sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Dass der Petitionsausschuss stark ist, haben wir, glaube ich, in der Vergangenheit gesehen. Da gibt es total prominente Beispiele. Da das vielleicht nicht mehr allen in Erinnerung ist, möchte ich ein Beispiel herausheben, nämlich das Drama um die Heimkinder in den 50er- bis 70er-Jahren. 2006 hat es angefangen: Damals kamen die ersten Petitionen herein, von Menschen, die gequält wurden, unfassbares Leid erlebt haben, grausame Erziehungsmethoden in Kinderheimen, aber auch in Heimen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie, die gequält und geschlagen wurden, tagelang eingesperrt, sexuell missbraucht und mit Medikamenten vollgepumpt.

Diese Kinder, die heute Erwachsene sind und dies auch schon 2006 waren, wurden in den Petitionsausschuss eingeladen. Was daraus geworden ist, war ein Fonds. Es war eine Art von – Entschädigung kann man ja gar nicht sagen – Wahrnehmung in der Gesellschaft, und darauf kam es den Leuten an: dass sie gehört werden, dass nicht immer wieder gesagt wird: Was ihr sagt, ist nicht richtig. – Der Auftrag, in diese Richtung weiterzuermitteln, besteht bis heute.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.

Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielleicht haben Sie es mitbekommen: Vor einiger Zeit ist herausgekommen, dass an diesen Kindern nachweislich Medikamententests vorgenommen wurden. Das bedeutet für uns: Die Arbeit muss wieder von neuem beginnen. Wir müssen die Betroffenen ernst nehmen. Wir müssen weiter an der Erfüllung unseres Auftrags arbeiten. Dann können wir einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie leisten. Das brauchen wir mehr denn je.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)