Rede von Dr. Konstantin von Notz Bericht Untersuchungsausschuss „Breitscheidplatz“

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

24.06.2021

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Angehörige, Hinterbliebene, Freundinnen und Freunde der Opfer, wir können nicht mal erahnen, wie groß die Trauer, der Schmerz und die Dunkelheit sein müssen für Sie, die Sie einen geliebten Menschen verloren haben, physisch verletzt und traumatisiert wurden. Deswegen danke, dass Sie hier heute bei uns und mit uns sind. Ihnen allen gilt unser volles Mitgefühl und unsere ganze Solidarität!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wir wissen auch um die enormen Leistungen aller Einsatzkräfte am Anschlagsort. Den Rettungskräften, den Ersthelferinnen, den Polizistinnen und Polizisten, bei denen dieses Verbrechen unauslöschliche Spuren hinterlassen hat, Ihnen allen gilt unser großer Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Unser Ausschuss hat versucht, den Hintergründen der Terrortat vom Breitscheidplatz auf den Grund zu gehen. Wie konnte es dazu kommen – das ist angeklungen –, dass ein bekannter Islamist, der voll im Fokus der Behörden stand, ein Gefährder, den schwersten islamistischen Anschlag der deutschen Geschichte begehen konnte? Ich kann sagen: Wir Fraktionen der Opposition, wir von den Grünen zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen von der Linken und der FDP, haben wirklich versucht, aufzuklären, jeden Stein umzudrehen, an jedem Baum zu rütteln, alles gegen das Licht zu halten. Es sind zahlreiche neue Zusammenhänge und Fakten offenbar geworden; aber auf viele Fragen, auf zu viele Fragen, haben wir keine Antworten gefunden. Das treibt uns um, und das kann uns keine Ruhe lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Einen Punkt möchte ich herausgreifen: die V-Leute. Ob beim Oktoberfestanschlag, beim Buback-Mord der RAF, beim NSU oder auch hier beim Anschlag auf dem Breitscheidplatz: Geheimhaltung und Quellenschutz – alles gut und richtig. Aber nach solch gravierenden Terrortaten, Herr Seehofer, gab es praktisch keine Akten und viele Schwärzungen, keine Zeugeneinvernahmen der Quellen, noch nicht mal der V-Mann-Führung. Herr Minister, das ist eine massive Behinderung unserer Arbeit, und das bei einem Organ der ersten Gewalt mit einer Aufklärungslegitimation unmittelbar aus der Verfassung. Die Policy der Bundesregierung, diesen Bereich komplett der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen, ist vollkommen inakzeptabel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Zum Schluss. Der staatliche Umgang – auch das wurde gesagt – mit Opfern und Hinterbliebenen von Anschlägen und bei großen Unglücksfällen von nationaler Tragweite muss sich gravierend ändern. Wir haben von den Hinterbliebenen des Anschlags herzzerreißende und tief verstörende Geschichten gehört, wie sie teilweise den Umgang des deutschen Staates mit ihnen erlebt haben. Explizit ausnehmen von der Kritik möchte ich Kurt Beck und ihm für seine Arbeit danken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE])

Aber es fehlt zu häufig – ob beim NSU, in Hanau, in Halle, beim Germanwings-Absturz oder dem Breitscheidplatz-Attentat – an einem geordneten, würdigen, empathischen Umgang mit den Opfern und Hinterbliebenen. Ihnen begegnet zu oft ein kalter, bürokratischer Staat, der nicht in der Lage ist, den Menschen angemessen zu begegnen. Wir müssen das ändern.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Dr. Konstantin von Notz. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Mahmut Özdemir.

(Beifall bei der SPD)