Rede von Dr. Till Steffen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Aufsetzung des GEG

Dr. Till Steffen
07.07.2023

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Frau Weidel, Sie haben offenbar den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts überhaupt nicht gelesen, nicht einmal im Ansatz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben hier eine Rede gehalten, die auswendig gelernt war und ansonsten abgelesen. Ich finde, Ihre Aussage für Youtube können Sie auch in Ihrem Büro aufnehmen. Aber das ist keine Teilnahme an der Debatte im Deutschen Bundestag. So geht es nicht. So geht es nicht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Zurufe von der AfD)

Das ist auch eine Missachtung des demokratischen Diskurses. Wir müssen hier ringen. Ja, wir müssen hier um richtige Lösungen und den richtigen Umgang ringen. Aber was Sie hier tun, ist wirklich eine Beleidigung des Parlaments.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was? – Zurufe von der AfD)

Das Gericht hat nämlich mit keinem Wort – –

(Zuruf von der AfD: Sie sind eine Beleidigung des Parlaments!)

– Jetzt hören Sie mal zu. Sie haben es ja nicht gelesen; deswegen sage ich es Ihnen.

(Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD] wendet dem Redner den Rücken zu)

– Herr Baumann, Sie können sich ruhig nach vorne umdrehen; das wird schon erlaubt sein.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])

– Ja, echt. Ich meine, was ist denn das?

(Zuruf von der AfD: Nicht so beleidigt! – Abg. Petr Bystron [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Jetzt aber wirklich: Sie nehmen überhaupt nicht teil an der Debatte, weil es Sie überhaupt nicht interessiert. Sie brauchen auch keine Zwischenfrage zu stellen.

Das Gericht – ich sage es Ihnen jetzt noch mal – hat mit keinem Wort den Gesetzentwurf, der hier vorliegt, kritisiert, mit keinem Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es hat mit keinem Wort gesagt: „Da ist das Eigentumsgrundrecht berührt“ oder irgendwie so was, was hier vorgetragen wurde. Es hat zu dem Antrag des Abgeordneten Heilmann gesagt, der eine Kritik am Verfahren vorgetragen hat: „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Kritik zutrifft“,

(Zuruf des Abg. Tino Chrupalla [AfD])

und hat dann eine Folgenabwägung getroffen.

Deswegen finde ich es auch interessant, was der Antrag der CDU/CSU so beinhaltet, weil der sich ja auch wieder nicht auf das Thema des Beschlusses bezieht, sondern sagt: Das ganze Gesetz muss neu gemacht werden. – Dazu hat das Gericht gar nichts gesagt; dazu gibt es gar keinen Anlass.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Deswegen finde ich interessant, wie Sie jetzt hier aufgetreten sind.

Ich finde, ja, uns auf den Diskurs einlassen, das müssen wir. Wir müssen hier ringen. Ich finde, die Tonalität, zu sagen, hier sollen Abgeordnete den Mund halten, wäre jetzt nicht der richtige Einstieg, um dahinzukommen.

(Zuruf des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])

Nein, ich finde, dass wir hier nicht so miteinander umgehen sollten.

Erstens finde ich es interessant, dass wir in der „Süddeutschen“ heute lesen durften, dass bis zu dem Beschluss am Mittwoch aus der Unionsfraktion zu hören war, das sei eine Einzelaktion des Abgeordneten Heilmann gewesen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was Sie so hören!)

Zweitens finde ich es auch ganz interessant, dass die erste Entscheidung, wo das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: „Passt mal mit den Fristen auf“, die Entscheidung zur Parteienfinanzierung war, die die GroKo in der letzten Wahlperiode noch kurz vor Schluss durchgeprügelt hat

(Zuruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP])

und wo sich die Parteien noch bessere Finanzierungen sichern wollten. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht getroffen. Es war eine Kritik an Ihrem Vorgehen. Also sollten wir an der Stelle ein bisschen abrüsten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– War das eine Zwischenfrage?

Präsidentin Bärbel Bas:

Das war eine Meldung von Herrn Heilmann. Ich habe versucht, diese Zwischenfrage zu unterdrücken, weil ich gesehen habe, dass er gleich noch selber redet. Aber wenn Sie die zulassen möchten, dann will ich das nicht aufhalten.

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja.

Thomas Heilmann (CDU/CSU):

Vielen Dank, Frau Präsidentin, und vor allen Dingen vielen Dank, Herr Dr. Steffen. – Ich rede erst in einer halben Stunde. Dann ist dieser Punkt dann auch schon wieder vorbei.

Vorweg – das ist aber nicht der Grund für meine Zwischenfrage –: Sie haben natürlich völlig recht: Ich habe nicht beantragt, dass über den Inhalt des Gesetzes etwas entschieden wird – ich hätte es im Organstreitverfahren auch gar nicht beantragen können –, und dementsprechend hat das Verfassungsgericht dazu nichts gesagt. Einfach, um mal die Fakten offenzulegen.

Aber wenn wir bei den Fakten sind: Sie haben gerade gesagt, ich hätte keine Unterstützung der Fraktion gehabt. Das ist in mehreren Dimensionen unrichtig. Es ist richtig – so ist die Mitteilung des Pressesprechers der CDU zu verstehen –, dass ich diesen Antrag alleine gestellt habe. Wir kennen uns ja schon ein bisschen länger, weil wir davor eine vergleichbare Funktion hatten. Sie wissen ganz genau, dass ich sehr häufig und auch schon in der letzten Legislaturperiode die Verfahren hier im Deutschen Bundestag auch öffentlich angegriffen habe. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Ich habe mich erst mit meiner AG und dann in sehr intensiven Gesprächen mit meinem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer und mit unserem Fraktionsvorsitzenden dazu ausgetauscht; die waren lange informiert. Und insbesondere – und das wissen hier alle Fraktionen – hat die CDU/CSU-Fraktion auf zehn Seiten sehr ausführlich begründet, warum mein Antrag in der Sache richtig ist. Deswegen ist die Darstellung, die Sie auch unter allen Journalisten verbreiten, das sei ein Alleingang von mir, schlicht unrichtig. Ich würde Sie daher fragen und bitten, ob Sie das zukünftig korrekt darstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank für diese Aufklärung. Wenn Sie mir das so berichten, dann werde ich dem nicht widersprechen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Nein. Wenn Sie das so berichten: wunderbar.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das hätten Sie vorher wissen können!)

In der Sache haben Sie einen wichtigen Punkt angesprochen. Ich danke Ihnen auch ausdrücklich, dass Sie es gestern so benannt haben, dass es eine Kritik am Verfahren ist, die Sie in dieser Wahlperiode und auch in der letzten Wahlperiode wahrgenommen haben.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Nicht ablenken!)

Das ist ein ganz wichtiger Punkt, über den wir sprechen müssen. Denn wir als Ampel haben ja – Herr Merz hat das zitiert – gesagt: Wir müssen besser werden. – Wir haben Kritik an der Arbeit der GroKo der letzten Wahlperiode formuliert und gesagt: Da müssen wir besser werden. Wir wollen davon wegkommen, dass Gesetze hier im Schweinsgalopp durchgepeitscht werden.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das haben Sie ja super gemacht!)

Wir wollen dahin kommen, dass wir Gesetze im Regelfall in drei Sitzungswochen beraten: in der ersten Sitzungswoche die erste Lesung, in der zweiten Sitzungswoche dann die Anhörung, in der dritten Sitzungswoche die Auswertung und der Abschluss hier im Plenum. – Das ist das Ziel, das wir uns gesetzt haben, weil wir gesehen haben, dass es ungut für das Parlament ist, wenn man das Verfahren verkürzt.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Ich sage ausdrücklich: In vielen Fällen haben wir es geschafft, dass wir so verfahren, aber in vielen Fällen eben auch nicht. Und warum das so ist und was wir daran ändern müssen und können, ist in der Tat etwas, worüber wir uns sehr gründlich Gedanken machen und hier im Parlament auch reden müssen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Es gibt ja Gründe, warum Gesetze manchmal schneller verabschiedet werden müssen. Wir hatten das in diesem Jahr bei der Frage der Energieversorgung. Da mussten wir schnell agieren, weil wir kalte Wohnungen gehabt hätten, wenn wir nach dem russischen Angriffskrieg nicht schnell umgestellt hätten. Es gab solche Situationen in der letzten Wahlperiode im Kontext der Pandemie, wo die Frage gestellt wurde: Geht das überhaupt – Pandemiebekämpfung unter Beteiligung des Parlaments? – Da musste das Parlament beteiligt werden, weil wir das wollten. Und die Grünen-Bundestagsfraktion hat in der Opposition auch diese schnellen Verfahren akzeptiert, unterstützt und in der Sache konstruktiv mitgewirkt. Das ist manchmal notwendig. Aber wir müssen aufpassen, dass wir es auf diese Fälle beschränken.

Was ehrlich gesagt nicht funktionieren kann, ist, wenn eine Konfliktbewältigung im Kabinett nicht in ausreichender Weise erfolgt. Es gibt Gesetze, die wir hier im Deutschen Bundestag von Grund auf entwickeln. Wir hatten das bei den Gruppenverfahren, wo wir über ein Jahr beraten haben. Wir hatten das bei der Wahlrechtsreform, wo wir eine Kommission eingesetzt haben, die ein Jahr lang beraten und alle Argumente abgewogen hat. Am Ende haben wir das Verfahren abgeschlossen.

(Zuruf des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU])

Aber wenn wir wie im Regelfall in diesen drei Sitzungswochen durchkommen wollen, setzt das natürlich voraus, dass ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegt, der tatsächlich politisch vollständig getragen wird. Und wenn dann schon beim Kabinettsbeschluss gesagt wird: „Ich habe hier eine Protokollerklärung. Ich glaube, das muss vielleicht noch mal geändert werden“, dann ist das ein Konfliktprogramm,

(Konstantin Kuhle [FDP]: Ja, das war aber nötig!)

das uns in Schwierigkeiten bringt, die übliche Zeit einzuhalten, und auch zu solchen Friktionen führen kann.

Deswegen glaube ich – das ist der wichtige Punkt –: Wir als Parlament müssen selbstbewusst sein. Wir als Parlament müssen selbstbewusst gegenüber der Regierung sein und in solchen Fragen sicherstellen, dass wir ausreichende Beratungszeit haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])

Wir als Parlament müssen aber auch selbstbewusst gegenüber dem Bundesverfassungsgericht sein. Es kann nicht unser Interesse sein, dass uns das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen Fristen vorgibt, an welcher Stelle wir jetzt wie lange zu beraten haben und wer was wie lange lesen muss. Wir müssen tatsächlich erreichen, dass wir es in eigener Verantwortung hinkriegen, solche Fristen einzuhalten. Deswegen müssen wir das Hauptsacheverfahren gründlich miteinander auswerten; Herr Fechner hat es gesagt.

Was wir jetzt aber erreicht haben, ist: Wir haben ein Gesetz vorliegen, das im September beschlossen werden kann. Der Abgeordnete Heilmann hat ausreichend Zeit, –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– sich dieses Gesetz anzuschauen.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Es geht nicht ums Anschauen!)

Ich bin gespannt auf die Bilder von der Europarundreise, von den schönsten Wärmepumpen in allen möglichen Staaten.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, bitte.

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sie können sich ja überall angucken, dass es tatsächlich funktioniert. Ich freue mich darauf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)