Rede von Dr. Julia Verlinden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Aufsetzung des GEG

Foto von Julia Verlinden MdB
07.07.2023

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Bernhard, ich glaube, Sie sollten mal mit einem Handwerker oder einer Handwerkerin sprechen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mit einer Begrüßung des Präsidiums beginnen würden. Danke schön.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja!)

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Entschuldigung. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meinem Vorredner wollte ich noch kurz zurufen, dass er doch mal einen Handwerker oder eine Handwerkerin fragen sollte, was eine Heizung kostet – jedenfalls nicht die Summen, die er hier aufgerufen hat.

(Marc Bernhard [AfD]: Ja, mit der Sanierung, Fußbodenheizung, allem, was dazugehört! Sie haben es doch ausgerechnet!)

Sehr schade, dass das hier so ein faktenbefreiter Beitrag zur Debatte von Ihnen war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP] – Marc Bernhard [AfD]: Es ist doch genau so! Ihre Kollegen von der FDP haben es doch ausgerechnet!)

Ich möchte einmal auf das letzte Jahr zurückblicken. Da standen wir bei einem Anteil von 85 Prozent an fossil betriebenen Heizungen.

(Marc Bernhard [AfD]: Sie haben es doch selbst ausgerechnet! Ihre Koalitionskollegen haben es ausgerechnet: 2 500 Milliarden Euro! Das können Sie doch ausrechnen!)

– Es wird nicht besser, wenn Sie das jetzt weiter erzählen.

(Stephan Brandner [AfD]: Aber es ist korrekt, was er sagt!)

Ich werde jetzt auf meine Punkte eingehen. Also, im letzten Jahr standen wir an einem Punkt, an dem 85 Prozent der Heizungen fossil betrieben wurden. Das war zu einem großen Problem geworden. Erinnern Sie sich an die Zeit vor ungefähr einem Jahr oder auch noch vor einem halben Jahr: Deutschland war von fossilen Rohstoffimporten extrem abhängig gemacht worden, deswegen haben sich viele Menschen im letzten Herbst ernsthaft gefragt, ob im Winter die Wohnungen warm bleiben würden. Es gab große Sorgen davor, dass wir möglicherweise in eine Gasmangellage rutschen könnten, dass Gas knapp werden könnte. Wir wussten nicht, ob wir die ausreichenden Mengen zur Verfügung hatten, weil, wie gesagt, die Vorgängerregierungen Deutschland massiv abhängig gemacht hatten, insbesondere von einem Exporteur. Deswegen sind die Preise explodiert. Deswegen hatten wir eine Gaspreiskommission gegründet. Diese hatte vorgeschlagen und das Parlament hatte entschieden, dass 200 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden müssen – 200 Milliarden Euro –, um zu unterstützen, dass Menschen nicht im Kalten sitzen, dass sich alle weiterhin das Heizen leisten können. Diese Unterstützung ging nicht nur an die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch an die Unternehmen, die vom Gas und vom Öl abhängig waren. Diese 200 Milliarden Euro waren nicht aus der Portokasse. Diese 200 Milliarden Euro waren eine Notlösung, weil Deutschland in einer Situation war, die aufgrund der Entscheidung der Vorgängerregierungen und selbstverständlich durch den brutalen Angriffskrieg von Putin gegen die Ukraine verursacht worden war.

(Stephan Brandner [AfD]: Ihr habt „völkerrechtswidrig“ vergessen!)

Wir haben uns vorgenommen, statt künftig wieder in eine solche Situation zu geraten, lieber Geld in zukunftsfähige Investitionen, in Heizungen zu investieren, die uns gegen solche Abhängigkeiten absichern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein zweiter Punkt ist uns wichtig: Wir müssen spätestens innerhalb der nächsten 22 Jahre CO2-Emissionen von Deutschland reduzieren, ein Drittel davon verursacht allein der Wärmesektor. Angesichts der sehr langen Investitionszyklen für Heizungen ist dieser Zeitrahmen extrem knapp. Also wenn wir in Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein wollen, dann bleibt nicht mehr allzu viel Zeit. Vor allen Dingen macht es rein rechnerisch jetzt keinen Sinn mehr, noch fossile Heizungen einzubauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz genau!)

Man sieht also, es gab einen erheblichen Handlungsbedarf, und er war dringend, weil diese Situation dringend abgestellt werden musste und wir dafür sorgen wollten, dass wir beim Thema Wärme zukunftsfest werden.

Die Union hätte in dieser Debatte über das Heizungsgesetz, die wir spätestens seit Anfang des Jahres führen, auch konstruktive Beiträge leisten können.

(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Das habt ihr abgelehnt!)

Stattdessen waren Sie sehr, sehr populistisch unterwegs. Sie haben die Menschen mit Ihren Beiträgen verunsichert. Ich unterstütze völlig, dass Abgeordnete die Verantwortung haben, sich sorgfältig zu beraten, und dass Abgeordnete auch die Verantwortung haben, sorgfältig Entscheidungen zu treffen. Da bin ich völlig bei Ihnen. Aber ich hatte in den letzten Monaten sehr oft das Gefühl, dass manche von Ihnen schon eine Meinung hatten, bevor Sie den Gesetzentwurf überhaupt gelesen hatten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das kann nicht zu einem sinnvollen Verfahren beitragen.

Die Idee, dass Heizungen, die sowieso ausgetauscht werden müssen, die defekt sind, nicht mehr repariert werden können, einen Mindestanteil von erneuerbaren Energien vorzuhalten haben, ist übrigens eine Idee, die schon 15 Jahre alt ist. Diese Idee kommt nämlich aus Baden-Württemberg. Zugegebenerweise: Das war die Idee einer CDU-Ministerin.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da war man konstruktiv unterwegs!)

Diese Idee haben wir als Ampel weiterentwickelt. Diese Idee haben wir in einem Gesetz formuliert, und es gab mitnichten eine Fristverkürzung in diesem parlamentarischen Verfahren. Nina Scheer ist ausführlich darauf eingegangen. Wir haben hier im Parlament vier Wochen über dieses Gesetz beraten, davon waren drei Sitzungswochen. Das ist auch bei sehr vielen anderen Gesetzen die Regel.

Die Beschlussempfehlung des zuständigen Fachausschusses ist am vergangenen Mittwoch, also vorgestern, ergangen. Genau das schafft Planungssicherheit und Verlässlichkeit, weil Menschen und Unternehmen wissen und sich darauf verlassen können, was wir im September hier im Bundestag beschließen werden. Wir folgen nämlich der Beschlussempfehlung des zuständigen Fachausschusses und machen damit klar, was alles auf die Menschen zukommt, was passieren wird ab dem 1. Januar, insbesondere was die bessere Förderung angeht, was wir im Mietrecht verbessern – ich bin sicher, Bernhard Daldrup wird darauf noch im Detail eingehen –, was die kommunale Wärmeplanung angeht, und vor allen Dingen, wie wir es schaffen, –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– die Klimaziele zu erreichen. Eine große Auswahl an Technologien wird zur Verfügung stehen. Die Wärmeplanung hilft den Menschen und den Unternehmen, –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– kluge Entscheidungen zu treffen. Wir haben die Entscheidungszeit entsprechend angepasst. Die Menschen bekommen eine sehr gute Beratung, um sich –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, Sie haben noch einen Satz jetzt.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– zu entscheiden. Insofern danke ich all denjenigen, die schon den Sommer und die nächsten Monate nutzen, einen Beitrag für Klimaschutz und Versorgungssicherheit zu leisten.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Lukas Köhler, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)