Rede von Dr. Konstantin von Notz Bestandsdatenauskunft
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität sollte die Reaktion auf den antisemitischen, verwerflichen Anschlag auf die Synagoge in Halle sein. Alle demokratischen Fraktionen in diesem Haus waren sich einig: Erstens. Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen. Zweitens. Wir brauchen mehr Sicherheit für die jüdischen Einrichtungen. Drittens. Wir müssen dem Hass scharf begegnen. Deswegen sind diese wichtigen Themen schnell und entschlossen anzugehen.
Man muss leider heute sagen, liebe Große Koalition: Sie haben es verbockt, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Der Kollege Höferlin hat es gesagt: Sie stehen vor einem Scherbenhaufen. Bis heute gibt es kein überarbeitetes NetzDG. Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität ist offenkundig verfassungswidrig, sodass der Bundespräsident seine Unterschrift verweigert. Und eine Gesamtstrategie im Umgang mit digitaler Vernetzung von Antisemiten und Rechtsextremisten haben Sie bis heute nicht. Es war doch klar, es war offensichtlich, dass Ihr Gesetz mit den Vorgaben aus Karlsruhe nicht vereinbar ist, und darauf haben wir Sie hier im Haus mehrfach hingewiesen. Wir haben Ihnen Alternativen aufgezeigt. Sie haben alles in den Wind geschlagen. Deswegen sind Sie beim drängendsten sicherheitspolitischen Problem unserer Zeit 15 Monate – 15 Monate! – nach dem Anschlag von Halle ohne jede belastbare Antwort hier heute erschienen. Das ist einfach hochnotpeinlich und angesichts der Ernsthaftigkeit der Bedrohung unverantwortlich, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Genauso skandalös war Ihr Umgang mit dem Parlament, das aus der Zeitung und durch unsere Nachfragen erfahren hat, dass dieses Gesetz nicht ausgefertigt wurde. Und so geht es nicht.
Jetzt kommen Sie mit Ihrem Reparaturgesetz – schon das Wort „Reparaturgesetz“!
(Manuel Höferlin [FDP]: Peinlich!)
Wir werden uns damit im Innenausschuss – das versprechen wir – intensiv beschäftigen. Aber drei Probleme sind doch offenkundig: Erstens. Sie passen nur das manuelle Abrufverfahren an. Zweitens. Sie halten am völlig grenzwertigen Zugriff auf die Passwörter fest. Drittens. Sie dokumentieren Ihre Lernunfähigkeit damit, dass Sie die Vorratsdatenspeicherung und Nutzung der Daten für die Bestandsdatenauskunft trotz aller EuGH-Urteile erneut in diesen Entwurf schreiben. Wie kann man das so ignorant machen, meine Damen und Herren?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP])
Die zentralen Mängel des Gesetzes packen Sie eben nicht an – sie seien noch kurz genannt –: Die Gefahr einer faktischen Denial‑of‑Service-Attacke auf das BKA mit Daten bleibt sehr real. Es bleibt auch unklar, was mit den Daten beim BKA eigentlich genau passieren soll – das bleibt unbestimmt. Klare Löschfristen und die Stärkung der Rechte der Betroffenen: völlige Fehlanzeige.
Wir müssen bei diesem Thema endlich vorankommen. Wie wichtig das ist, haben die Vorkommnisse in den USA in den letzten Tagen gezeigt. Die Große Koalition ist müde und offenkundig unwillig, die Probleme zu lösen. Das ist ausgesprochen bedauerlich.
Trotz allem wünsche ich allen ein frohes neues Jahr!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident in Claudia Roth:
Vielen Dank, Dr. Konstantin von Notz. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Axel Müller.
(Beifall bei der CDU/CSU)