Rede von Lisa Paus Besteuerung von Gewinnen in der Pandemie

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

25.06.2021

Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über ein Jahr Pandemie liegt inzwischen hinter uns. Hoffentlich sind bald alle, die es wollen, auch zweimal geimpft. Hoffentlich bereiten wir uns in diesem Sommer besser auf den Herbst vor als im letzten Sommer, damit mit Delta nicht die vierte Welle rollt und unsere Kinder wieder die Hauptleidtragenden sein werden. Die Krise ist noch nicht vorbei. Aber es lohnt sich, heute eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen, wie Deutschland wirtschaftlich durch die Krise gekommen ist.

Wir wissen, Covid hat die Ärmsten in unserer Bevölkerung nicht nur am Härtesten und am Existenziellsten getroffen, sondern wir wissen inzwischen auch, dass sich durch Covid-19 die Schere zwischen Arm und Reich noch einmal drastisch vergrößert hat. Wir wissen: Die Wirtschaft wurde durch Covid sehr, sehr unterschiedlich getroffen.

In den Straßen sehen wir langsam, wie viele Geschäfte, wie viele Kneipen, Cafés, wie viele Restaurants aufgeben mussten. Alle kennen sicherlich aus ihrem Bekanntenkreis mindestens noch mal genauso viele, die mit verdeckter Not zu kämpfen haben, gerade Soloselbstständige, Veranstalter, Kulturschaffende.

Auf der anderen Seite ist der größte Teil der Wirtschaft, Gott sei Dank, auch dank Milliarden öffentlicher Mittel ganz ohne wirtschaftliche Einbußen durch die Krise gekommen. Es gab auch Dritte, die aufgrund des Lockdowns sogar von der Krise profitiert haben, zum Beispiel Maskendealer von der CDU/CSU,

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist ziemlich platt!)

zum Beispiel Supermarkt- und Baumarktketten, zum Beispiel DHL und andere Paketlieferer, vor allem aber Amazon und Co, während der stationäre Einzelhandel zusehen und Hygienekonzepte machen musste.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir können ja mal über Ihre Kontakte zur EEG-Industrie reden!)

Das, meine Damen und Herren, ist aus mindestens drei Gründen bitter:

Erstens. Amazon profitierte zwar am meisten und hat seine Milliardengewinne verdreifacht, Amazon zahlt aber von diesen Erträgen keinen einzigen Euro Steuern für das Gemeinwesen in Deutschland. Das ist ein Problem, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zweitens. Das ist nicht nur bitter für unser Gemeinwesen, sondern eben auch für den stationären Einzelhandel. Denn der Einzelhandel hat Marktanteile verloren, der Einzelhandel hat im Gegensatz zu den vollen Kassen von Amazon jetzt leere Kassen, und der Einzelhandel muss jetzt trotzdem Geld in neue angepasste Geschäftsmodelle investieren. Das ist kein fairer Wettbewerb, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Es ist bitter, weil es so nicht hätte kommen müssen. Wir Grüne fordern seit Jahren eine faire Besteuerung des Cafés um die Ecke und von Starbucks, des lokalen Einzelhandels und von Amazon und Co. Schon seit 2017/18 liegen Vorschläge der EU-Kommission für eine europäische Digitalsteuer auf dem Tisch. Aber Deutschland, vorneweg Olaf Scholz und die CDU/CSU, haben diese Vorschläge auf europäischer Ebene blockiert. Dabei hatten Merkel und Olaf Scholz noch 2018 in Meseberg verkündet, dass die Digitalsteuer kommt. Aber auf Druck von Lobbyverbänden haben Scholz und Altmaier diese Pläne fallen lassen. Das rächt sich jetzt in dieser Krise doppelt. Es geht zulasten des Einzelhandels und führt zur Verödung der Innenstädte, meine Damen und Herren.

Daran ändert auch die Feier von Olaf Scholz zur jüngst vom G‑7-Gipfel verkündeten 15 Prozent Mindeststeuer erst einmal gar nichts. Denn die Wahrheit ist: Der G‑7-Beschluss zur Mindeststeuer verdeckt, dass man sich eben gerade nicht, wie eigentlich vereinbart, unter den 137 OECD-Staaten geeinigt hat. Das war der Plan, das war das Versprechen von Olaf Scholz. Statt einer europäischen Digitalsteuer hatte er eine weltweite ab spätestens 2021 versprochen. Aber geliefert hat er bisher nichts.

(Cansel Kiziltepe [SPD]: Die kommt doch!)

Selbst wenn ich mal unterstelle, dass der G‑7-Beschluss irgendwann Gesetz wird: Ob dann diese von Olaf Scholz verhandelte globale Mindeststeuer wirklich zu einer Verringerung der Steuerlücke bei Digitalkonzernen führen wird, das bleibt wahrlich abzuwarten. Amazon beispielsweise macht 7,7 Prozent seines weltweiten Umsatzes zurzeit in Deutschland. Laut G-7-Kompromiss wird es dann aber auch weiterhin so sein, dass diese 7,7 Prozent nicht der deutschen Besteuerung unterliegen, sondern nur 20 Prozent davon oder womöglich nur 20 Prozent des Residualgewinns. Der Rest wird vermutlich weiterhin in Steuersümpfe fließen, vermutlich sogar mehr. Denn da man sich nicht einmal unter den G‑7-Ländern auf 21 Prozent Mindestbesteuerung einigen konnte, sondern nur auf 15 Prozent, bleibt die Gewinnverschiebung weiterhin attraktiv. Die unfaire Verteilung von Last und Profit in der Covid-Krise findet aber jetzt statt.

Weltweit findet deswegen – nicht nur hier – aktuell eine Diskussion darüber statt, ob und wie die Unternehmen, die durch die staatlichen Maßnahmen eine Art Monopolgewinn machen konnten, weil die Märkte für andere eben eingeschränkt waren, einen Teil dieser Extraprofite durch eine Extrasteuer an das Gemeinwesen zurückgeben. Ökonomen weltweit empfehlen es, der IWF empfiehlt es. Die südkoreanische Regierung diskutiert es. Es gibt historische Beispiele, die zeigen, dass solch eine Maßnahme wichtig sein kann, um eben das Vertrauen in die Fairness von Politik und Wirtschaft zu erhalten, damit dieses keinen Schaden nimmt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es gibt auch konkrete Vorschläge der Umsetzung, wie zum Beispiel die Invested Capital Method oder auch die Average Earnings Method. Eine solche Maßnahme wäre auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat ein von mir beauftragtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bestätigt.

Die Krise ist noch nicht vorbei. Der Zeitpunkt für solche Überlegungen in Deutschland ist aktuell definitiv zu früh. Aber der Fall „Amazon versus Einzelhandel“ zeigt: Es gibt Handlungsbedarf. Wir werden darüber reden müssen, und wir brauchen eine noch höhere globale Mindeststeuer, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Das Wort geht an die CDU/CSU-Fraktion mit Sebastian Brehm.

(Beifall bei der CDU/CSU)