Betriebliche Altersvorsorge
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Betriebsrenten sind für uns Grüne ein wichtiger Teil der Altersvorsorge. Sie genießen hohe Akzeptanz und sind häufig Teil von Tarifverträgen und damit vielfach Ergebnis kollektiver Absicherung. Wir wollen die betriebliche Altersversorgung deshalb stärken und freuen uns, dass die Europäische Union durch eine Richtlinie die Regierungsfraktionen zu wichtigen Verbesserungen ermuntert hat.
Zu den umgesetzten Verbesserungen gehören der Ausbau des Risikomanagements einschließlich der verpflichtenden Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken, ein besserer Schutz der Versorgungsanwärter und Versorgungsanwärterinnen sowie der Versorgungsempfänger und Versorgungsempfängerinnen, höhere Anforderungen an die Geschäftsorganisation und korrespondierende Stärkung der Aufsicht bei der Bewertung von Risiken sowie die Beseitigung von aufsichtsrechtlichen Hindernissen für grenzüberschreitend tätige Pensionsfonds.
Das sind alles wichtige und richtige Nachbesserungen in der deutschen Gesetzgebung. Wir Grüne stimmen diesem Gesetz daher zu.
Jedoch sorgt die EU-Richtlinie lediglich für eine Mindestharmonisierung. Bestehende Spielräume für weitere Verbesserungen wurden von den Regierungsfraktionen leider nicht genutzt, viele Maßnahmen greifen zu kurz. Zum Beispiel wissen Sparerinnen und Sparer aus den frustrierenden Erfahrungen mit kapitalbildenden Lebensversicherungen, dass Informationsblätter und Standmitteilungen in der Regel so komplex sind, dass sie sie nicht verstehen können. Diese Scheintransparenz kann auch ein Problem in der betrieblichen Altersvorsorge sein. Wir Grüne fordern daher klare und einheitliche Regeln für vorvertragliche Informationen und Standmitteilungen, die für alle Anbieter verpflichtend sein müssen. Dafür zu sorgen, haben CDU/CSU und SPD im vorliegenden Gesetz leider versäumt.
Begrüßenswert wiederum ist, dass das Gesetz alle Pensionskassen nun verpflichtet, Nachhaltigkeit im Risikomanagement zu berücksichtigen. Das ist ein enorm wichtiger Punkt und ganz wesentlicher Erfolg der Grünen im Europäischen Parlament, die bei den Verhandlungen über die Richtlinie hart dafür gekämpft haben. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken ist wichtig für die Sicherheit der Betriebsrenten. Denn investiert eine Pensionskasse in die Verstromung klimaschädlicher Kohle oder die Herstellung völkerrechtlich geächteter Waffen, ist das nicht nur moralisch ein Problem für viele Betriebsrentner und Betriebsrentnerinnen; es ist auch ein finanzielles, weil mit Investitionen in nicht nachhaltige Geschäftsmodelle erhöhte Bewertungsrisiken einhergehen. Das ist empirisch belegt, beispielsweise durch finanzwirtschaftliche Metastudien der Universität Hamburg. Viele Pensionskassen – vor allem von Kirchen und im europäischen Ausland – haben solche Investitionen deshalb bereits ausgeschlossen und das Risiko/Rendite-Verhältnis ihrer Anlagen und die Sicherheit ihrer Betriebsrenten dadurch verbessert.
Das legt die Frage nahe: Was macht eigentlich die Bundesregierung mit den Pensionsgeldern ihrer Beamtinnen und Beamten? Während sie betriebliche Pensionskassen nun sinnvollerweise zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken verpflichtet, investiert die Bundesregierung mittels Versorgungsfonds und Versorgungsrücklage des Bundes in Geschäftsfelder und Produktionsweisen, die der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, der Agenda 2030 und dem Pariser Klimaschutzabkommen diametral zuwiderlaufen, darunter: Atomkraft, fossile Brennstoffe, völkerrechtlich geächtete Waffen. Nicht einmal Kinderarbeit wird ausgeschlossen. In Aktien von Atomkonzernen allein stecken 145 Millionen Euro. Davon machen die Auslandsbeteiligungen rund 120 Millionen Euro aus, Tendenz steigend, und das, obwohl der Koalitionsvertrag es ausdrücklich verbietet.
Das ist, wie gesagt, nicht nur ein ethisches Risiko; es ist auch ein finanzielles. Was bei privaten Investitionen unklug ist, wird bei öffentlichen Investitionen zum Skandal. Denn die so veranlagten Gelder sollen der Altersversorgung von Beamten und Beamtinnen, Richtern und Richterinnen und Soldaten und Soldatinnen dienen. Der Soldat finanziert indirekt die Produktion von Streuminen, die Richterin die Ausbeutung von Kindern und der Beamte im Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit den Neubau von Atomkraftwerken im Ausland. Liebe Kollegen von CDU/CSU und SPD, das kann doch nicht ernsthaft von Ihnen so gewollt sein. Und trotzdem: Grüne Vorschläge für Divestment und nachhaltige Kapitalanlage – vergleiche Drucksachen 18/10529, 18/12843 – wurden mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD regelmäßig abgelehnt, ohne selber Konzepte vorzulegen.
So wie die Dinge jetzt stehen, droht entweder die kapitalgedeckte Beamtenversorgung oder die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zu scheitern. Es ist höchste Zeit für ein konsistentes Risikomanagement, nicht nur in der betrieblichen Altersversorgung, sondern erst recht auch bei staatlichen Pensionsfonds.