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07.05.2020

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hause! Wenn man jetzt so die Stimmung hier erlebt, könnte man den Eindruck haben, wir würden am Ende einer Pandemie sein. Wir sind nicht am Ende dieser Pandemie, sondern wir haben es geschafft – sehr erfolgreich –, die Pandemie zu begrenzen. Und das sollten wir in jedem Moment, immer wieder ernst nehmen. Es geht nicht darum, dass wir tatsächlich von einer grundsätzlichen Lockerung ausgehen können. Wir können nicht davon ausgehen, dass es zu keinen zusätzlichen Infektionen kommt, und wir müssen damit rechnen, dass auch in den nächsten Wochen noch sehr viele Menschen versterben werden. Und das, bitte schön, darf bei aller Grundsatzdiskussion, die hier gerade anfing, sich zu entfalten, nicht vergessen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir müssen uns den konkreten Problemen an dieser Stelle stellen. Und es wäre fatal, wenn wir davon ausgingen, dass die Gefahren der Pandemie nicht mehr bestehen. Das muss an jeder Stelle immer wieder klargemacht werden.

Mit diesem gemeinsamen Verständnis haben wir genau das geschafft, was wir bisher geschafft haben; aber es steht auch schnell wieder auf dem Spiel, und das sollte in dieser Debatte keiner vergessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Dittmar [SPD])

Da hat der Zusammenhalt eine ganz große Rolle gespielt, aber auch das Vertrauen und die Akzeptanz und die Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen, die wir getroffen haben – trotz des Geredes der AfD, der es erst nicht weit genug gehen konnte und die jetzt darüber klagt,

(Markus Frohnmaier [AfD]: Was jetzt?)

dass Grundrechte eingeschränkt würden. Genau dieses Spiel dürfen wir nicht mitmachen, sondern es muss darum gehen, dass wir gemeinschaftlich durch diese Krise gehen und darauf achten, damit umgehen zu können.

Herr Minister, leider muss ich sagen – bei all dem, was vorher auch gut gelaufen ist –: Sie haben das Vertrauen mit der überstürzten Debatte um den Immunitätsausweis beschädigt – ganz klar –

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

und damit leider auch verschiedenste andere Debatten befördert. Hinzu kommt: Mit dem jetzt vorliegenden Gesetz werden zwar einige wichtige Dinge angegangen; aber sie sind – erstens – in vielen Teilen nicht nachhaltig, und sie reichen – zweitens – auch nicht. Das muss man ganz klar sagen.

Kommen wir zur Pflegeprämie. Es sind nicht nur die Pflegekräfte in den Altenheimen, die eine Prämie verdient haben, sondern alle diejenigen im Gesundheitswesen und auch in der Behindertenhilfe, die sich besonderen Risiken aussetzen mussten, besondere Belastungen gestemmt haben und das auch noch weiterhin tun. Und deshalb darf es nicht nur um eine Pflegeprämie für die Altenpflege gehen. Vielmehr sind alle, die diese besonderen Belastungen zu stemmen hatten, einzubeziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Es ist kleinlich, dass wir vier Wochen darüber reden mussten, ob die Prämie finanziert wird oder nicht, und jetzt bei 500 Euro von den 1 500 Euro immer noch fraglich ist, ob sie denn gezahlt werden oder nicht, und nicht geklärt ist, ob die Pflegebedürftigen am Ende die Zeche mitbezahlen müssen. Das ist kleinlich; das ist halbherzig. Und wenn ich mir die Versprechungen aus dem Autogipfel angucke, dann muss ich sagen: Es fehlt ein Pflegegipfel, der endlich für klare Verhältnisse sorgt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was auf keinen Fall passieren darf, ist, dass die Pflegekräfte mit dieser Prämie abgespeist werden und der versprochene und längst überfällige allgemeinverbindliche Tarif für die Altenpflege nicht kommt.

Das sind die Aufgaben, die zu lösen sind, und sie sind im Zusammenspiel mit einer Reform der Pflegeversicherung zu lösen; denn es kann nicht angehen, dass die dringend nötigen Verbesserungen in der Pflege ausschließlich von den Pflegebedürftigen bezahlt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Nächste: der Schutzschirm. Er ist in der Tat löcherig geblieben. Ich bin froh, dass Frau Bas angekündigt hat, dass wir die Menschen in den Blick nehmen müssen, die in besonderer Weise mit Risiken konfrontiert sind. Gerade die Menschen mit Behinderung, die Kinder und Jugendlichen mit einer Schwerstbehinderung und deren Familien fallen bisher nicht unter diesen Schutzschirm – die entsprechenden Einrichtungen im Übrigen auch nicht –, und das halte ich für ein Unding.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das betrifft ganz viele Institutionen und Angebote. Wir haben einen sehr umfangreichen Antrag dazu vorgelegt. Da bitte ich Sie: Nehmen Sie ihn mit in die Debatte. Es ist mehr als überfällig, diese Menschen in den Blick zu nehmen. Und es ist ein Unding, dass ausgerechnet diejenigen mit den allerhöchsten Risiken, diejenigen, die durch den Wegfall der Dienste, die sie ansonsten im Alltag unterstützen, einer enorm hohen Belastung ausgesetzt sind, alleine bleiben, gleichzeitig unsichtbar hinter ihren Wohnungsmauern sind und sich keiner um sie kümmert. Das kann nicht sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Punkt: Prävention. Auch da kann es doch nicht sein, dass wir die Mittel einsparen. Klar, wir brauchen andere Wege, damit Prävention und Gesundheitsförderung auch in Coronazeiten umsetzbar sind. Aber dann brauchen wir flexible, risikoangepasste Möglichkeiten, und wir brauchen nicht das Wegsparen an genau dieser Stelle. Das ist das falsche Signal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insgesamt wäre es auch ein falsches Signal, wenn die Ausweitung der Testungen, sofern sie denn endlich kommt, ausschließlich von den gesetzlich Versicherten zu zahlen wäre. Es geht hier nicht um symptombezogene Testungen – natürlich muss dann die GKV diese Testungen zahlen –, sondern es geht darum, durch regelmäßige, ständige Reihentestungen Arbeitsschutz zu betreiben, aber auch den besonderen Schutz von Risikogruppen zu organisieren. Das wird sehr viel Geld kosten, und das kann nicht nur der GKV übergeholfen werden, sondern das ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Ich erwarte von Ihnen, dass das in diesem Gesetz nachgebessert wird. Da geht es um enorm hohe Kosten. Die können nicht einfach nur die gesetzlich Versicherten übernehmen, und die PKV ist nicht einmal dabei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann so nicht gehen.

In diesem Sinne: Wir haben noch viel zu tun. Die Coronapein ist noch nicht zu Ende.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Denken Sie bitte an die Redezeit.

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir brauchen Zusammenhalt, nicht das Gegenteil. Wir brauchen Solidarität, nicht das Auseinanderdividieren von Menschen, die immun sind, und Menschen, die nicht immun sind. So sollte man Debatten nicht führen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Maria Klein-Schmeink. – Der nächste Redner in der Debatte: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Georg Nüßlein.

(Beifall bei der CDU/CSU)