Leon Eckert
07.07.2023

Leon Eckert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ahrtal-Katastrophe 2021, Waldbrandjahr 2022, russischer Angriffskrieg – wir sind in einer Situation, in der sich auch der Zivilschutz im Bund und der Katastrophenschutz in den Ländern in der Zeitenwende befinden sollten. Tun sie das? Ich glaube nicht. Und wieso? Aus meiner Sicht ist es der fehlende Wille, gemeinsam bei dem Thema anzupacken.

Das erkennen hoffentlich alle hier. Im Unionsantrag ist es homöopathisch angedeutet, sodass auf keinen Fall einem Innenminister der Union – es ist jetzt keiner anwesend – auf den Schlips getreten werden kann. Punkt 8 des Antrags – mehr Zusammenarbeit, bessere bundesweit einheitliche Ausbildung – benennt es.

Dass die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern nicht gut ist, zeigen die Koordinierungsfehler im Ahrtal,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

zeigen die Abläufe rund um die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz. 200 Feuerwehrleute wurden angefordert. Im ganzen Land wurde abgefragt, wer einsatzbereit ist. Wer kam? Natürlich kamen die aus Sachsen-Anhalt; denn die sind am nächsten dran. Da muss man nicht in NRW abfragen, ob auch von dort Leute kommen wollen.

Die Koordinierung zwischen den Ländern ist zäh, zäh wie Kleber, ein Kleber, der am Ende Menschenleben kosten kann. Das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz könnte das ändern – vielleicht. Aber so, wie es jetzt ist, kann es das nicht. Wie sollen denn zwischen den Ländern schnell Absprachen getroffen werden, wenn Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen überhaupt nicht im Gemeinsamen Kompetenzzentrum vertreten sind?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Wie soll es auf dieser dünnen Basis funktionieren, schneller eine Absprache zu treffen? Dürfen länderübergreifende Katastrophen nur noch zwischen Niedersachsen und NRW stattfinden?

Wie soll ein 10-Milliarden-Euro-Paket für den Bevölkerungsschutz geschnürt werden, wenn vier Jahre nach dem fehlgeschlagenen Warntag 2019 immer noch keine Einigung zwischen den Ländern und dem Bund besteht, wie man das Sirenensystem finanzieren soll? Vier Jahre braucht man, um sich da abzusprechen. Versagen!

Ich konstatiere: In diesem Themenfeld, in dem alle verantwortlich sind, ist gerade keiner verantwortlich. Wir sind angekommen im Modus „verantwortungsloser Föderalismus“. Den müssen wir durchbrechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das müssen die 17 Innenminister und Innenministerinnen jetzt beweisen. Dazu haben sie jetzt die Chance: Alle Länder sollen eine Verbindungsperson ins GeKoB schicken. Die Finanzierungsvereinbarung für die Sirenen muss im Herbst stehen. Die Helfergleichstellung kann und sollte im Frühjahr 2024 deutschlandweit umgesetzt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss und möchte Ihnen einen Satz mitgeben: Wenn die Länder es nicht aus eigener Kraft schaffen, dieses Herumgeschiebe von Verantwortung in der Koordination zu durchbrechen, dann müssen wir als Bundesgesetzgeber einen Mechanismus bundesgesetzlich festlegen, um diese Koordination hinzubekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Dass das gelingen kann – das ist mein letzter Satz –, zeigt der Antrag zur Suizidprävention. Dort haben wir fast einstimmig beschlossen, dass die psychosoziale Notfallversorgung ins Zivilschutzgesetz aufgenommen werden soll, um bundesweite Konzepte voranzutreiben. Wir können diesen Spirit aufnehmen. Tun wir es!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Steffen Janich für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)