Rede von Andreas Audretsch Bezahlkarte für Geflüchtete

Andreas Audretsch MdB
21.03.2024

Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Genau heute startet die Ausgabe von Bezahlkarten an Geflüchtete in vier bayerischen Landkreisen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Wie geht das denn? Das verstehe ich ja gar nicht!)

Damit zieht Bayern nach. Einige Landkreise in Baden-Württemberg haben schon Bezahlkarten auf den Weg gebracht. In Thüringen gibt es Landkreise, die Bezahlkarten auf den Weg gebracht haben. Hamburg hat sie auf den Weg gebracht.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso denn dann der Antrag? Das verstehe ich ja gar nicht!)

Und es gibt einen, der schon seit sehr langer Zeit Vorreiter in alledem ist: Das ist der grüne Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Warum stimmt ihr dann nicht zu?)

Er hat eine Bezahlkarte schon im letzten Jahr eingeführt,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so!)

und es läuft vor Ort sehr, sehr erfolgreich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Natalie Pawlik [SPD] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Bezahlkarte ist doch nicht gleich Bezahlkarte! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch dann eigentlich Populismus! Gibt’s doch gar nicht!)

Aus Hannover haben wir mittlerweile erste Erfahrungsberichte. Von dort hören wir sehr, sehr positive Rückmeldungen. Leistungsberechtigte müssen in Hannover nicht mehr in langen Schlangen stehen. Sie müssen nicht mehr, nachdem sie auf dem einen Amt waren, das Geld mit einem Zahlschein an einer Zahlstelle abholen; auch das hat sehr viel Bürokratie mit sich gebracht. Sie bekommen in einer digitalen und modernen Art und Weise das Geld schlicht und ergreifend auf die Bezahlkarte. Genau das ist der Weg, den man gehen kann.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Mit 100 Prozent Bargeldabhebung! Super!)

Auch die Stadtverwaltung in Hannover konnte damit übrigens einen sehr, sehr großen Vorteil erreichen. Bürokratie ist abgebaut worden. Neben Dolmetschern konnten sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingespart werden, die jetzt andere Aufgaben übernommen haben, die sich zum Beispiel jetzt darum kümmern, dass Führerscheine oder auch Personalausweise ausgegeben werden können, die Integrationsleistungen für Menschen konkret auf den Weg bringen. Das ist das ganz Konkrete: die Erleichterung, die man vor Ort mit einer Bezahlkarte erreichen kann. Darum muss es doch gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])

Dass es vor Ort funktioniert, genau das sehen wir in Hannover. Genau das macht Belit Onay vor. Wir entlasten die Kommunen. Das ist das, was wir Grüne wollen und was Belit Onay in Hannover tut.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach mal machen! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Und warum stimmen Sie nicht zu?)

Ihr Ansatz – um einmal dazu zu kommen – scheint ein völlig anderer zu sein. Die Kollegin Rasha Nasr hat es gesagt: Sie haben nicht sehr viele neue Ideen hier eingebracht. Aber es gibt etwas, was Sie in Ihren Gesetzentwurf neu aufgenommen haben, nämlich dass Geld nur bei „persönlicher Anwesenheit“ im Amt überhaupt transferiert werden darf.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo ist das Problem?)

So steht es in Ihrem Gesetzentwurf. Das, was in Hannover so hervorragend funktioniert, dass man Bürokratie abbaut, dass man Personal anders einsetzen kann, dass man keine langen Schlangen mehr hat, all das wollen Sie offensichtlich nicht.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Was Sie offensichtlich wollen, ist, dass mehr Bürokratie entsteht. Was Sie wollen, ist, dass mehr Personalaufwand an der Stelle entsteht. Was Sie wollen, sind lange Schlangen vor den Ämtern

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Nein! Sie verstehen es nicht!)

am Ersten jedes Monats, weil die Leute da hinkommen müssen, weil Sie diese Digitalisierungserfolge eben nicht wollen in den Kommunen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!)

Sie verursachen mehr Kosten, weil Sie Digitalisierung ad absurdum führen, und binden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Sie können den Gesetzestext weder lesen noch verstehen! Das ist Ihr Problem, Herr Audretsch!)

Wenn man eines feststellen kann an dieser Stelle, dann ist es einmal mehr Ihre Ideologie, Ihr ideologischer Blick auf Fragen, der es nicht erlaubt, sinnvolle Dinge umzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Schauen Sie sich mal das an, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf tun. Ich sage es mal so: Es gibt auf der einen Seite Leute, die können es, die machen es; das ist jemand wie Belit Onay, ein grüner Oberbürgermeister. Und es gibt auf der anderen Seite Menschen wie hier in der Bundestagsfraktion der CDU/CSU, die eine Digitalisierungspolitik aus den 90er-Jahren machen. Aber das passt zu Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Warum sehen es eigentlich alle anders als die Grünen?)

Das ist das, was Sie, Herr Merz, auszeichnet: dass Sie dann, wenn es darum geht, neue Dinge auf den Weg zu bringen, jedes Mal kurz vor der Ausfahrt wieder abbiegen und es eben nicht hinkriegen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Kompletter Unfug, was Sie da erzählen! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist selbst unter Ihrem Niveau!)

Sie wollen etwas auf den Weg bringen, das Kommunen nicht hilft. Sie wollen etwas auf den Weg bringen, das Menschen bindet, die sonst anderes tun könnten.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Sind Sie so verzweifelt, Herr Audretsch, dass Sie solche Beispiele bringen, die gar nicht stimmen?)

Und am Ende sind wir an dem Punkt, dass Sie hier mit Ihrem Gesetzentwurf einmal mehr beweisen: Sie haben keine Ahnung davon, was in den Kommunen los ist.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Und Sie blockieren lustig und fröhlich weiter!)

Sie haben keine Ahnung davon, wie man es in den Kommunen besser machen könnte.

(Zuruf der Abg. Mechthilde Wittmann [CDU/CSU])

Wir müssen konstatieren: Sie können es schlicht und ergreifend nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])

Wir Grüne waren immer der Meinung, dass wir für die Einführung einer Bezahlkarte keine gesonderte Regelung im Bund brauchen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Haben Sie schon mal ins Gesetz geguckt?)

– Haben Sie schon mal Bayern gefragt? Das wäre ja die relevante Geschichte; ich habe damit begonnen.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Offenbar haben die Länder auch eine andere Meinung, Herr Audretsch! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich bin ansonsten kein Fan des Egos von Herrn Söder in Bayern; das können Sie mir glauben. Aber in dem Fall tut er uns einen Gefallen. In dem Fall beweist er gerade heute mit Einführung der Bezahlkarte – er hat sich gestern wieder dazu geäußert –, dass er glaubt, dass das rechtssicher ist.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Nein! Bayern fordert das! Die rechtssichere Umsetzung wird gefordert von Bayern!)

– Wollen Sie der Staatskanzlei in Bayern sagen: „Das ist nicht rechtssicher“? Wollen Sie Herrn Söder sagen: „Das ist nicht rechtssicher“? Sie kommen nicht voran mit Ihrer Argumentation. Überall in Deutschland geht es voran.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Sie haben sich verrannt!)

Rechtssicherheit ist gegeben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Es ist komisch, dass die Leute uns glauben und nicht Ihnen!)

Die Bezahlkarte ist möglich. All Ihre Leute vor Ort geben uns recht. Das tut Ihnen weh. Aber genau so ist es. Das ist die reale Situation in Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was sagt eigentlich Ihr Parteivorsitzender dazu? – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Schauen Sie mal zu Ihren Koalitionspartnern rüber!)

Wir haben uns trotzdem auf den Prozess eingelassen und gesagt: Wir machen eine Klarstellung hier im Deutschen Bundestag, weil das mehr Rechtssicherheit bieten kann.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Mein Gott! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Genau in diesem Prozess sind wir jetzt.

(Zuruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])

Dafür hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Dieser Gesetzentwurf wurde uns übermittelt verbunden mit einem Zuleitungsschreiben, das Prüfbitten enthält. Es wurde uns von Minister Hubertus Heil übersandt im Namen des Bundeskanzlers, im Namen der gesamten Bundesregierung. Genau das schauen wir uns an. Wir sind froh darüber und finden es genau richtig, dass das Bundeskabinett sagt, dass wir uns diese Sachen im Einzelnen anschauen müssen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein! Das Bundeskabinett hat schon entschieden! Das ist doch der Punkt!)

Jetzt prüfen wir das. Das machen wir übrigens vor dem Hintergrund,

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Sie fallen Ihrem Vizekanzler in den Rücken, Herr Audretsch! Das machen Sie!)

dass da nicht solche Sachen reinkommen, wie Sie sie vorschlagen.

Uns Grünen ist am Ende wichtig, dass auch mit einer Bezahlkarte Integration vor Ort gelingen kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kinder und Jugendliche müssen so viel Taschengeld haben, um sich ein Brötchen zu kaufen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Haben sie doch!)

Es muss möglich sein, dass sie auf dem Schulausflug Taschengeld dabei haben,

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Bayern macht es vor, Herr Audretsch, wie es gut funktioniert!)

um sich vor Ort etwas kaufen zu können. Es muss sichergestellt sein, dass Familien Kleidung auch secondhand kaufen können,

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Können sie alles!)

weil das am günstigsten ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es muss möglich sein, dass Azubis sich ein Busticket kaufen können, um in den nächsten Ort zu kommen. All das muss möglich sein. Kirchen, Bischöfe, die Sozialverbände, die Arbeiterwohlfahrt, alle schreiben das. Wir nehmen das ernst.

Wir nehmen vor allem aber auch eines ernst: dass wir die Situation in den Kommunen vor Ort entspannen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Fragen Sie mal nicht nur den einen grünen OB!)

Und wir nehmen ernst, dass jedes Leben, jede Chance für Kinder in diesem Land zählt – auch für die Kinder, um die es hier genau geht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Pascal Kober.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)