Rede von Kathrin Henneberger Braunkohleausstieg

Kathrin Henneberger MdB
01.12.2022

Kathrin Henneberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im parlamentarischen Prozess haben wir den Entwurf der gesetzlichen Veränderung für den Braunkohleausstieg im Rheinischen Revier erweitern können. Wir haben das KVBG in § 54 klimapolitisch nachgeschärft und so Grundlagen gelegt, dass auch wir als Parlament zukünftig handlungsfähig sind. Konkret: In § 54 KVBG findet sich nun die Formulierung, dass nicht nur regelmäßig die „Erreichung der … Klimaschutzziele“ überprüft werden muss, sondern dass bei drohender Nichterreichung der Klimaschutzziele „Maßnahmen zur Zielerreichung“ vorgeschlagen werden müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe bei der CDU/CSU])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kann ich Sie einmal ganz kurz unterbrechen? Ich halte die Zeit an; Sie können gleich weitermachen.

Ich bitte jetzt wirklich die Kolleginnen und Kollegen um etwas Ruhe. Das gilt insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion der CDU/CSU. Ich meine den Pulk um Herrn Amthor herum.

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Na, na, na!)

– Ich sehe das ja von hier oben – im Gegensatz zu Ihnen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

– Man mag ihn ja schätzen; aber das kann man auch leise machen. Insofern würde ich darum bitten, der Rednerin zuzuhören. Das gilt auch für die Mitglieder der SPD-Fraktion.

Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

(Martin Reichardt [AfD]: Wie alt ist die eigentlich)

Kathrin Henneberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Diese Maßnahmen sind sehr wichtig, weil unser Ziel weiterhin sein sollte, viel schneller aus der Kohle auszusteigen, weil sie nach wie vor die klimaschädlichste Form der Energieerzeugung ist. Unser Ziel muss es bleiben, unabhängig und klimagerecht zu werden, mit einer Energieversorgung aus 100 Prozent Erneuerbaren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP] – Thomas Seitz [AfD]: Woher haben Sie denn diese Erkenntnisse?)

Das bedeutet:

Erstens. Im Rheinischen Revier müssen wir nachschärfen, und wir brauchen einen schnelleren Ausstieg aus der Braunkohle in den anderen Revieren in Deutschland.

Zweitens. Bitter nötig ist natürlich auch ein Ausstieg aus der Steinkohle.

(Martin Reichardt [AfD]: Wir brauchen eine Bildungsoffensive für Parlamentarier!)

– Sie müssen hier nicht ständig zwischenrufen und herumpöbeln. Das ist sehr unhöflich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN – Martin Reichardt [AfD]: Nee, das ist manchmal notwendig!)

Bitter nötig ist ein Ausstieg aus der Steinkohle, weil in den Abbauregionen Nordkolumbiens beispielsweise massive Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen stattfinden.

Vor drei Wochen, im Vorfeld der UN-Klimakonferenz, haben wir hier im Bundestag beschlossen, dass wir eine Klimapartnerschaft mit Kolumbien eingehen werden. Das werden wir jetzt parlamentarisch weiter begleiten, zusammen mit Parlamentariern in Kolumbien und mit Indigenen-Dachverbänden, weil wir eine klimagerechte Partnerschaft errichten wollen, mit dem Ziel, dass auch dort Steinkohletagebaue stillgelegt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Bis das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet wird, dürfen wir niemals aufhören, dafür zu ringen, dass es noch eher vom Netz geht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn es geht hier nicht nur darum, unsere Klimaziele einzuhalten, sondern auch darum, die Klimakrise aufzuhalten. Dabei müssen wir die Warnungen der Klimawissenschaft sehr ernst nehmen, weshalb wir auch den Expertenrat für Klimafragen in der Funktion des Überprüfers neu ins Gesetz eingefügt haben.

Unterschiedliche Studien und Gutachten mit Bedacht zu lesen, sehe ich als meine Verantwortung als Abgeordnete. Deswegen: Heute Morgen ist eine neue Aurora-Studie veröffentlicht worden, die den Erhalt des Dorfes Lützerath als energiewirtschaftlich möglich ansieht, und diese müssen wir jetzt auch sehr genau prüfen. Aktuell weigert sich der zuständige Bürgermeister von Erkelenz, einer Räumung zuzustimmen.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Guter Mann!)

Wir sollten diese Gelegenheit nutzen, um innezuhalten – keine Räumung, keine Eskalation, keine Verletzten und keine Traumatisierten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Kohlekonzern RWE trägt hier die Verantwortung, nicht länger den sozialen Frieden in unserer Region zu gefährden.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Unerträglich!)

Was wir jetzt brauchen, ist ein Moratorium, mit dem Ziel, Lützerath zu erhalten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist aber nicht Fraktionsmeinung, oder? Was sagt denn die Landesregierung dazu?)

Ich möchte hoffnungsvoll enden: Noch vor drei Jahren wäre es undenkbar gewesen, den Erhalt all der anderen Dörfer und Höfe am Tagebau Garzweiler schwarz auf weiß, rechtssicher in einem Gesetz zu finden. Aber das ist jetzt Realität. Noch vor kurzer Zeit wäre es undenkbar gewesen, dass wir aus dem Energiecharta-Vertrag aussteigen. Aber auch das ist jetzt Realität geworden. Wir können es also schaffen, gemeinsam die Klimakrise aufzuhalten und die Grundlagen für ein besseres Morgen zu legen.

In der Entschließung begrüßen wir es zudem, dass Menschen das Recht erhalten, jetzt unbürokratisch ihre Häuser und Grundstücke in den Dörfern zurückzukaufen. All das ist möglich, besonders dank der Menschen in den Dörfern, die sich für den Erhalt engagiert haben, und dank des zivilgesellschaftlichen Engagements der Klimagerechtigkeitsbewegung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Gegen den Willen der Grünen!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Kathrin Henneberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ohne die lebendige und vielfältige Zivilgesellschaft, ohne zivilen Ungehorsam wäre der Erhalt des Hambacher Forstes, aber auch der Erhalt der Dörfer nicht möglich gewesen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, Sie haben noch einen Satz.

Kathrin Henneberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Dafür verdienen sie unseren Dank und unseren Respekt und keine absurden Debatten, die – –

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, ich habe Ihnen das Wort entzogen; Sie haben Ihre Redezeit bereits um 35 Sekunden überzogen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Nächster Redner ist der Kollege Wilfried Oellers, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)