Rede von Beate Müller-Gemmeke Bürgergeld

Foto von Beate Müller-Gemmeke MdB
14.03.2024

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die AfD präsentiert heute einen Antrag, in dem endlich mal zur Kenntnis genommen wird, dass nicht alle Menschen im Bürgergeld sofort arbeiten können. Aber das uns bekannte abwertende Menschenbild der AfD wird in jeder Zeile deutlich. Der AfD geht es einfach nicht um die Menschen, sondern es geht ihr um die Verwertbarkeit der Menschen. Und dieses Denken kann ich nur als menschenverachtend bezeichnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der Linken sowie des Abg. Muhanad Al-Halak [FDP])

Das Konzept der AfD ist einfach: Wer nicht sofort arbeitsfähig ist, soll aussortiert werden in die Sozialhilfe, in das SGB XII. Denn die Idee ist: Ältere, Kranke, Menschen, die Sorgearbeit leisten, werden einfach aus dem Bürgergeld rausgeschoben, und dann muss man sich nicht mehr um sie kümmern. Wer dann weiterhin im Bürgergeld bleibt, soll nach sechs Monaten gezwungenermaßen Arbeit aufnehmen; ansonsten werden Leistungen gestrichen. Und wer keine deutsche Staatsbürgerschaft hat, wird – Zitat – „der Abschiebung zugeführt“. Das ist der Ansatz der AfD. So ein Antrag hat nichts mit konstruktiver Politik für die Menschen zu tun. Das zeigt mal wieder: Diese Partei besteht vor allem aus Hass und ist definitiv keine Alternative.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

Laut AfD sollen auch alle Instrumente des SGB II abgeschafft werden, die niederschwellig sind und die auf langfristige Unterstützung setzen. Das ist absurd und kontraproduktiv. Es ist anscheinend bei der AfD immer noch nicht angekommen, dass auch Menschen in schwierigen Lebenssituationen an dieser Gesellschaft und sogar am Arbeitsleben teilhaben wollen. Sie wollen etwas tun, sie wollen arbeiten, können es aber oft nicht, weil die Rahmenbedingungen nicht passen, weil unsere beschleunigte Arbeitswelt gar keinen Platz für sie hat, weil zum Beispiel kleine Kinder betreut werden müssen oder weil sie gerade krank sind.

Wir wissen aus der Forschung, dass es die Arbeitslosigkeit ist, die die Menschen krank macht, beispielsweise durch den Stress des permanenten Mangels und, weil positive Erfahrungen fehlen. Deshalb lassen wir – weil wir das wissen –, anders als die AfD, niemanden alleine.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was die Erwerbslosen brauchen, ist Unterstützung, und zwar häufig über einen längeren Zeitraum. Wir haben dafür im Bürgergeld gute Instrumente: Coaching, Arbeitsgelegenheiten und, ganz wichtig, den sozialen Arbeitsmarkt. So entstehen soziale Kontakte. Die Menschen profitieren von geschützten Räumen. Sie können sich ausprobieren, sich neu orientieren. Es entstehen Erfolgserlebnisse. Das stärkt die Menschen, und das macht auch Mut. Das nennt sich übrigens „soziale Teilhabe“.

Wir wollen diese Instrumente weiterentwickeln. Die AfD bezeichnet sie – wieder Zitat – als „nicht zielführende Maßnahmen“ und will sie abschaffen. Solche Überlegungen sind aus meiner Sicht nur schwer zu ertragen. Denn wenn die Situation der Menschen und die strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt einfach weggeschoben und ignoriert werden, dann ist das zynisch. Und das hilft vor allem bei Arbeitslosigkeit kein bisschen weiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

Auch das Thema Qualifizierung interessiert die AfD nicht wirklich. Ihre Optionen sind gemeinnützige Pflichtarbeit und Zwang zur Helfertätigkeiten; Weiterentwickeln der Menschen gibt es nur im Ausnahmefall. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Wie kann Qualifizierung als völlig unwichtig behandelt werden in einer Zeit, in der sich die Arbeitswelt und die Anforderungen enorm verändern? Ich frage mich wirklich: In welcher Welt, in welcher Zeit lebt die AfD eigentlich? Das ist völlig ahnungslos. Wir als Ampel setzen beim Bürgergeld natürlich auf Ausbildung und Qualifizierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Unabhängig von diesem konkreten Antrag ist mir aber noch eines wichtig. Die Debatte rund um das Bürgergeld lässt seit einiger Zeit jeglichen Anstand vermissen. Viele – leider auch die Union – merken gar nicht mehr, dass sie nicht über das Bürgergeld, sondern dass sie über Menschen reden. Jede Woche gibt es neue Forderungen: Nullrunden, Kürzungen. Mittlerweile wird sogar eine Bezahlkarte für das Bürgergeld gefordert. Die Menschen, die von diesen unsäglichen Aussagen betroffen sind, leiden unter dieser toxischen Stimmung und der respektlosen Debatte. Jede Aussage macht nicht nur etwas mit den Menschen, sondern auch mit unserer Gesellschaft. Und so kommt etwas ins Rutschen, wo eigentlich Solidarität notwendig wäre.

Wir brauchen Sacharbeit und konstruktive Diskussion statt billiger Parolen. Von der AfD erwarte ich das nicht. Aber von der Union erwarte ich schon gute und verantwortungsvolle Politik.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist Jens Teutrine, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)