30.11.2023

Misbah Khan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf Punkte eingehen, die im Antrag der Union stehen und heute noch nicht angesprochen worden sind.

Zuerst einmal: In Ihrem Antrag, liebe Union, tun Sie so, als würden wir als Staat nach Lust und Laune Verwaltungspersonal einstellen, wie wir gerne möchten, einfach nur, um immer mehr Aufgaben zu schaffen und mehr Verordnungen zu erlassen.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

Das Gegenteil ist aber der Fall. – Danke, dass Sie noch mal bestätigt haben, dass das Ihre Perspektive ist.

In den nächsten zehn Jahren scheiden 1,36 Millionen – das ist ein Viertel – der Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst aus. Schon heute fehlen dem Staat laut dbb beamtenbund und tarifunion mindestens eine halbe Million Beschäftigte. Das heißt, die Bürokratiebremse kann keine sein, in der man sagt: Für jeden Beschäftigten, der kommt, muss ein anderer gehen. – Das ist absoluter Nonsens. Von daher kann ich an der Stelle sagen: Dieser Nonsens ist zumindest für Sie schon zum Ziel geworden, bevor dieser Antrag zur Drucksache wurde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Klar ist: Natürlich muss der Staat als Arbeitgeber attraktiver werden. Dafür braucht es aber eine gut ausgestattete Verwaltung. Dann ist sie eben auch eine schnelle Verwaltung.

Neben dem Bürokratieabbau haben Sie auch die Digitalisierung angesprochen. Das Ganze wird natürlich ein bisschen zur Farce, wenn Sie kritisieren, was Sie selber jahrelang gemacht haben. Aber das ist halt in der Opposition manchmal so. Ich kann es an der Stelle tatsächlich aber ein Stück weit nachvollziehen. Ich muss in Sachen OZG nämlich seit zwei Jahren den Scherbenhaufen aufräumen, den Sie fabriziert haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU/CSU)

Ich an Ihrer Stelle wäre aber ein bisschen nachsichtiger. Warum? Wir haben beispielsweise keine Evaluation. Die hätte ich für das OZG 2.0 gerne gehabt; habe ich aber nicht, weil Sie diese vor sechs Jahren nicht für nötig gehalten haben.

Ein anderes Beispiel: Der Normenkontrollrat fordert einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen. Haben wir nicht, hätten wir gerne gehabt, haben Sie 2017 nicht umgesetzt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Stimmt! Wir haben ganz allein regiert! Habe ich vergessen!)

Oder: Der Bundesrechnungshof sagt: Das alte OZG ist ein Milliardengrab. Wieso? Weil es vor allem ein Konjunkturprogramm für milliardenschwere Beratungsfirmen und Lizenzträger war. Vor nicht allzu langer Zeit hat sich die CSU hier gefreut, dass sie an dieser Stelle Digitalisierungsvorreiter ist. Warum ist das so? Weil es nach Ihren Regelungen reicht, wenn in einer einzigen Kommune im Land eine Verwaltungsleistung online verfügbar ist. Das ist für uns nicht genug, das reicht uns nicht, und deshalb packen wir das an dieser Stelle noch mal neu an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Mit dem OZG 2.0 werden wir an den großen und wichtigen Schrauben drehen, damit es für die Bürgerinnen und Bürger attraktiver wird, aber auch, damit es für die Verwaltung einfacher ist. Wir wollen die Nutzerfreundlichkeit erhöhen, wir wollen Open Source in den Vordergrund stellen, wir möchten gleichzeitig den Datenschutz hochhalten, und wir wollen vor allem eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung. Auch sie wird dafür sorgen, dass es in der Verwaltung einfacher und schneller geht. Aber all das braucht seine Zeit.

Ganz zum Schluss vielleicht noch eines: Es geht hier um einen Punkt, wo Sie uns kritisieren. Das ist auch Ihr Job als Opposition. Ich möchte aber daran erinnern, dass wir im gleichen Boot sitzen. Sie sind an neun Landesregierungen beteiligt und stellen sieben Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten; den Bürgermeister zähle ich einfach mal dazu.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir haben keine Ministerpräsidentin, tut uns leid! – Gegenruf des Abg. Alexander Bartz [SPD]: Schade, dass Frauen bei Ihnen keine Chance haben! – Gegenruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

– Präsidenten. Genau, das stimmt.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Misbah Khan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir sitzen im selben Boot, und von daher: Es geht um etwas, was wir gemeinsam machen müssen.

(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. Jens Spahn [CDU/CSU] gewandt: Das Eigentor, das man sich schießt, muss man dann auch durchlassen!)

Daran müssen wir uns auch messen lassen. Sonst funktioniert es nicht.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Klaus-Peter Willsch für die Unionsfraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU)