Foto von Dr. Irene Mihalic MdB
14.03.2024

Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit der letzten grundlegenden Novellierung des Bundespolizeigesetzes – die Ministerin hat es gerade gesagt – sind sage und schreibe 30 Jahre vergangen.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Wir haben es wenigstens versucht! – Gegenruf des Abg. Sebastian Hartmann [SPD]: Da hat die Union aber schon geschlafen!)

Um die Grundlagen für die Bundespolizei auf den neuesten Stand zu bringen,

ist es daher allerhöchste Zeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Ernsthaft!)

Dabei regeln wir insbesondere Fragen der Datenverarbeitung und Datenerhebung neu und wagen uns dabei auch an schwierige Bereiche wie zum Beispiel den Einsatz von V-Leuten heran. Da kann sich die Regelung im Gesetzentwurf wirklich sehen lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und wir setzen auch die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag um und verpassen dem Bundespolizeigesetz ein bürgerrechtliches Update.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Frau Lindholz war eben schon so freundlich, auf ein paar Punkte aus diesem Bereich hinzuweisen. So wird es eine anonymisierbare Kennzeichnung geben, so wie wir es auch schon aus vielen Bundesländern kennen und wo nicht die Welt untergegangen ist, Frau Lindholz.

(Dorothee Martin [SPD]: Genau! – Sebastian Hartmann [SPD]: Hört! Hört! – Martin Hess [AfD]: Das ist der Maßstab der Grünen: Die Welt geht nicht unter, also machen sie es!)

Damit gehen wir einen wichtigen Schritt, um polizeiliches Handeln transparenter und nachvollziehbarer zu machen. Das ist nicht nur ein wichtiger bürgerrechtlicher Erfolg, meine Damen und Herren, sondern im Kern auch eine positive Entwicklung für Polizistinnen und Polizisten; denn wenn bei einem Einsatz, vielleicht aus Überforderung oder aus anderen Gründen, Fehler gemacht werden, dann wirkt sich das nicht negativ auf vielleicht unbeteiligte Kolleginnen und Kollegen aus, sondern kann individuell zugeordnet werden. Entgegen manchen Unkenrufen handelt es sich hierbei also nicht um ein Misstrauensvotum oder einen Generalverdacht gegen die Polizei an sich,

(Lachen des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

sondern die Erfahrungen aus den Bundesländern, übrigens auch aus vielen anderen europäischen Ländern, zeigen, dass es keine Nachteile für die Beschäftigten gibt. Ganz im Gegenteil: Die Kennzeichnung schafft Vertrauen und Transparenz. Und Vertrauen ist unerlässlich für den Erfolg polizeilicher Arbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir konnten bereits während der Kabinettsbefassung einen tragfähigen Kompromiss finden, um unzulässigen Praktiken bei verdachtsunabhängigen Kontrollen entgegenzuwirken. „Kompromiss“ sage ich deshalb, weil wir eigentlich die Befugnis zur Durchführung solcher Kontrollen gerne durch eine echte Kontrollbefugnis mit klaren Zulässigkeitsvoraussetzungen ersetzt hätten. Aber wichtig ist, dass es uns unter dem Strich gelungen ist, durch die Veränderung der bestehenden Befugnis eine rechtssichere Grundlage für Kontrollen zur Verhinderung unerlaubter Einreise zu schaffen und damit Vorfällen von sogenanntem Racial Profiling entgegenzuwirken. Dafür haben wir insgesamt drei Maßnahmen getroffen:

Erstens haben wir analog zum Landespolizeigesetz in Schleswig-Holstein eine Antidiskriminierungsklausel eingefügt. Zweitens haben wir eine entscheidende Präzisierung der Zulässigkeitsvoraussetzungen vorgenommen; denn zukünftig müssen für solche Kontrollen neben der grenzpolizeilichen Erfahrung auch aktuelle Lageerkenntnisse oder entsprechende Prognosen vorliegen, dass zum Beispiel bestimmte Bahnanlagen oder Strecken oder Züge auch tatsächlich zur illegalen Einreise genutzt werden.

Drittens – darauf wurde gerade schon hingewiesen – ist die Einführung von sogenannten Kontrollquittungen ein wichtiger Faktor, um den Begründungsaufwand für verdachtsunabhängige Kontrollen zu erhöhen und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das hat der Bundespolizei an Bürokratie gerade noch gefehlt!)

Lassen Sie mich das bitte noch bemerken: Dass polizeiliche Maßnahmen begründet werden müssen, ist im Rechtsstaat der Normalfall, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Absolut!)

Und auch die Kontrollquittung ist keine verrückte neue Erfindung der Ampel, wie Sie vielleicht glauben, sondern eine praxistaugliche Lösung, die woanders längst zum Alltag gehört.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist ein neues Instrument, das Sie heute einführen! Das hat es bei uns bislang nicht gegeben!)

Schauen Sie mal nach New York!

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Die Polizei in den USA ist nicht vergleichbar mit der Bundespolizei!)

Schauen Sie mal nach Großbritannien! Zum Teil gilt es auch für Spanien. Überall werden Sie eine Kontrollquittung bekommen, wenn Sie da kontrolliert werden. Auch das schafft Transparenz und erhöht den Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger, schafft aber auch Handlungssicherheit für die Polizei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Wir haben einen ganz anderen Standard als die USA! – Zuruf von der AfD: Das führt doch nur dazu, dass die Bundespolizei nicht mehr arbeitsfähig ist!)

Wir befassen uns in dieser Reform aber auch damit, wie wir einen effizienteren Rahmen für die Arbeit der Bundespolizei schaffen können. Und da muss man sich mal fragen: Wie sinnvoll kann es eigentlich sein, dass die Bundespolizei nicht zuständig ist, wenn an einem Bahnhof zum Beispiel ein Geldautomat gesprengt wird? Wir sind der Ansicht, dass für Verbrechen, die an Orten, an denen die Polizei örtlich zuständig ist, sie auch sachlich zuständig sein sollte. Darüber wird im Gesetzgebungsverfahren noch zu reden sein.

Neben solchen Zuständigkeits- und Kompetenzfragen müssen wir uns aber auch noch andere Fragen stellen: Wie kann gute Polizeiarbeit gewährleistet werden, wenn die Liegenschaften, wenn die Wachen, die Dienststellen, die Büros in so einem schlechten Zustand sind, dass man sie eigentlich niemandem mehr zumuten kann?

(Beifall der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Bundespolizei mit ihren mehr als 50 000 Beschäftigten nimmt eine zentrale Rolle in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands ein, und deswegen sind wir es den Beschäftigten auch schuldig, dass wir für sie gute Arbeitsbedingungen schaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben bereits die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage eingeführt und erkennen damit auch die bedeutende und zum Teil wirklich sehr schwere und herausfordernde Arbeit der Polizei an. Das war ein erster und ganz wichtiger Schritt – dem Sie sich in der Regierung übrigens immer verweigert haben –

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

für gelebten Respekt vor der herausragenden Leistung unserer Polizistinnen und Polizisten.

Dennoch muss sich die Bundesregierung weiter dafür einsetzen, dass Dienststellen und Ausbildungsorte auf Vordermann gebracht werden, Überstundenberge abgebaut werden, WLAN in den Einrichtungen keine Ausnahme bleibt und damit der Arbeitsalltag der Polizei endlich erleichtert wird. Auch müssen wir unseren polizeilichen Nachwuchs im Blick behalten: Durch Fortbildungsmöglichkeiten und individuelle Weiterentwicklung kann die Bundespolizei für junge Menschen auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber bleiben. Und das ist ganz wichtig, wenn wir um die besten Köpfe in unserer Gesellschaft für die Arbeit bei der Bundespolizei werben.

Beim Bundespolizeigesetz stehen wir jetzt am Anfang der parlamentarischen Beratung. Wir werden uns intensiv dafür einsetzen, dass am Ende ein Gesetz steht, das die Bundespolizei in ihrer Arbeit stärkt, die Ermittlungen erleichtert und Bürgernähe ausstrahlt. Ich sehe uns da auf einem sehr guten Weg.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich die namentliche Abstimmung schließen. – Ich sehe jetzt niemanden, der noch ad hoc rausrennt. Die namentliche Abstimmung ist hiermit geschlossen, und die Schriftführerinnen und Schriftführer können bitte auszählen. Das Ergebnis gebe ich Ihnen dann später bekannt.

Der nächste Redner jetzt in der Debatte ist für die AfD-Fraktion Steffen Janich.

(Beifall bei der AfD)